Ein Blick ins Wörterbuch der Formel 1. Synonym für 'Dominanz': Mer - ce- des. Alternativ: Sil - ber - pfeil. Was das Werksteam in der Saison 2014 ablieferte, war schlichtweg grandios. Ein Sammelsurium an Superlativen. Vorzeitiger Gewinn der Konstrukteurswertung, Fahrerweltmeisterschaft und Vizetitel. Oder in Zahlen ausgedrückt: 16 Siege, 18 Pole Positions, 12 schnellste Rennrunden und 31 Podestplätze durch Lewis Hamilton und Nico Rosberg in 19 Grands Prix. Dass die Silberpfeile damit den Sieg-Rekord des legendären McLaren-Duos Senna/Prost von 1988 gebrochen haben, war das Sahnehäubchen.

Das Team: Man muss das viel zitierte Kapperl vor Toto Wolff und Niki Lauda ziehen. Dem Führungsduo der Silberpfeile gelang es, den größten und einzigen Gegner zu besiegen: sich selbst. Beim intensiv geführten Titelduell zwischen Hamilton und Rosberg bestand Konfliktpotenzial ohne Ende, doch die beiden österreichischen Chefs agierten jederzeit souverän und hatten die beiden Alpha-Fahrer im Griff. Selbst, als die Situation nach dem Spa-Crash kurzzeitig eskalierte, behielten Wolff und Lauda die Nerven. Das strikte Ablehnen einer Teamorder bescherte den Fans nicht nur Silberpfeil-Spektakel pur, sondern war hauptverantwortlich für die Harmonie innerhalb des Teams.

Es sind aber nicht nur die Köpfe verantwortlich für den Erfolg, die ständig im Fernsehen zu sehen waren. Aus einem Haufen zusammengekaufter Führungspersönlichkeiten wurde innerhalb kurzer Zeit ein verschworener Haufen, gespickt mit Ingenieurs-Talent. Ob der scheidende Technikchef Bob Bell, Brixworth-Boss Andy Cowell oder Aldo Costa - die beiden Fabriken in Brackley und Brixworth haben Hand in Hand ein echtes Monster namens F1 W05 Hybrid erschaffen. Da passt ins Bild, dass selbst Ingenieure aus der Serienproduktion in Sindelfingen bei der Kühlung des F1-Autos behilflich waren.

Der Spa-Crash war der Höhepunkt des Mercedes-Teamduells, Foto: Mercedes-Benz
Der Spa-Crash war der Höhepunkt des Mercedes-Teamduells, Foto: Mercedes-Benz

Das Auto: Trotz all der Unabwägbarkeiten war eines schon nach den ersten Testkilometern im Winter klar: Mercedes hat einen Mega-Job gemacht. Der Turbo-Silberpfeil drehte ab Minute 1 konstant seine Runden, während die Konkurrenz um Renault und Ferrari arg strauchelte. Als in Viry-Chatillon und Maranello noch gegrübelt wurde, wie die neuen Power Units haltbar gemacht werden können, schraubte Mercedes schon an der Performance. Nico Rosbergs Sieg in Australien war die logische Folge - auch wenn Lewis Hamilton beim Auftaktrennen ausfiel.

Der Defekt des Briten in Melbourne war jedoch nicht mehr als ein Hoffnungsschimmer für die Gegner. In der Folge funktionierte der Silberpfeil fast wie ein Uhrwerk, wenn auch mit gelegentlichen Aussetzern. Das sorgte allerdings nur intern für Spannung, denn das silberne Ungeheuer nahm der Konkurrenz in den Rennen bis zu 2 Sekunden ab. Eine schon fast abartige Dominanz, die die Formel 1 komplett silbern einfärbte - und auf Kundenteams wie Williams abfärbte.

Was bei all der Mercedes-Power gern übersehen wurde: Endlich gelang es der Truppe, eine konstante Weiterentwicklung des Autos sicherzustellen. Zu fast jedem Rennen präsentierten die Designer Updates. In der Vergangenheit war Mercedes in diesem Punkt häufig ab der Saisonmitte ins Hintertreffen geraten. Die konstante Entwicklungsrate in diesem Jahr ließ die Konkurrenz über das Jahr hinweg kaum einen Schritt näher kommen.

Die Fahrer: Dominante Teams sind seit Red Bull keine Seltenheit mehr, doch Mercedes wartete mit einem speziellen Feature auf: zwei annähernd gleich schnellen Fahrern. Hamilton und Rosberg lieferten sich über die gesamte Saison hinweg ein Duell par excellence, das zumindest die Spannung in der Formel 1 aufrecht erhielt. Talent und Speed des Duos stehen außer Frage, interessanter ist die persönliche Entwicklung im Verlauf der 19 Rennen.

Rosberg galt jahrelang als zu nett, um Weltmeister werden zu können. Doch dem Wahl-Monegassen gelang es eindrucksvoll, diesen Vorwurf zu widerlegen. Vor allem zum Saisonende hin setzte er auf Psychotricks und steckte nicht mehr zurück. Gebetsmühlenartig ritt er zuletzt auf Hamiltons Fehler in Brasilien herum, um seinen Teamkollegen zu verunsichern. Dass Rosberg nach der verlorenen Weltmeisterschaft wahre Größe bewies, ließ sein Ansehen weltweit steigen.

Auf der anderen Seite Hamilton, der oftmals zu emotional agierte und sich damit selbst keinen Gefallen tat. Silverstone brachte dieses Jahr die Wende, als er nach dem Patzer im Qualifying zunächst am Boden zerstört war, sich mit dem Heimsieg aber eindrucksvoll zurückmeldete. Ab diesem Zeitpunkt glich der zweifache Weltmeister einem Buddha. Stets behielt er die Nerven und ließ sich weder durch Pussycat Dolls, diverse Hunde oder andere Skandälchen ablenken. Seine neu gewonnene Coolness und damit verbundene Souveränität führte schließlich zum verdienten Titelgewinn.

Sieger und Besiegter Arm in Arm, Foto: Mercedes AMG
Sieger und Besiegter Arm in Arm, Foto: Mercedes AMG

Redaktionskommentar

Motorsport-Magazin.com meint: Lässt sich die überragende Saison der Silberpfeile überhaupt noch toppen? Die Konkurrenz wird es nicht gern hören, aber: Ja, selbst das ist möglich. Im Fahrerlager wird gemunkelt, dass Mercedes vor allem beim ERS noch einige Luft nach oben hat und noch mehr Leistung aus der ohnehin überstarken Power Unit herauskitzeln kann. Fraglich, ob Renault und Ferrari diesen Schritt mitgehen könnten - vor allem aufgrund der Motoreneinfrierung, die für mächtig Ärger sorgt. Mercedes befindet sich auf dem besten Wege, das neue Red Bull zu werden und eine Ära einzuleiten. Immerhin sorgen Rosberg und Hamilton dafür, dass es auch dann nicht langweilig wird. (Robert Seiwert)

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