Eigentlich sind die Rollen bei McLaren zu Saisonbeginn klar verteilt: Fernando Alonso, frisch gekürter Doppelweltmeister, kommt zu Saisonbeginn von Renault und soll für den britischen Rennstall den ersten WM-Titel nach 1999 holen. Ihm an die Seite stellt das Team den 22-jährige Rookie Lewis Hamilton, der sich erstmal in die Königsklasse eingewöhnen soll. Keiner kann ahnen, dass Hamilton am Ende der Saison der erfolgreichste Rookie der Formel-1-Geschichte werden wird.

Nach vier Saisonrennen führt der Brite bereits erstmals die WM-Wertung an - verkehrte Welt für Nummer eins im Team, Fernando Alonso. Aus der anfänglichen Anerkennung für seinen jungen Teamkollegen wird schnell ein Gefühl der Bedrohung: Ein Rookie läuft ihm, dem amtierenden Weltmeister, den Rang ab. Der Beginn einer Fehde zwischen Alonso und McLaren, die vom Blockieren des Teamkollegen im Qualifying von Ungarn, über Erpressungsversuche in der Spionageaffäre bis hin zum völligen Vertrauensverlust von Alonso ins eigene Team geht.

Beim Saisonfinale in Brasilien haben beide noch Chancen auf die WM-Krone. Hamilton führt mit 107 Punkten vor Alonso mit 103 Punkten. Aber nicht nur die beiden haben Chancen auf den Titel. Im Schatten der beiden McLaren-Teamkollegen hat auch Kimi Räikkönen noch theoretische Chancen auf den WM-Titel, sieben Punkte müsste er dafür auf Hamilton aufholen.

Die drei Konkurrenten um den Titel 2007: Räikkönen, Hamilton und Alonso, Foto: Sutton
Die drei Konkurrenten um den Titel 2007: Räikkönen, Hamilton und Alonso, Foto: Sutton

Doch Räikkönen spielt im Vorfeld des letzten Saisonrennens nur eine untergeordnete Rolle - das Duell der verfeindeten Teamkollegen Alonso und Hamilton elektrisiert die Massen. Geschichten, wie ein FIA-Aufpasser in der McLaren- Garage, der auf Wunsch des spanischen Automobilverbandes installiert wurde, um zu verhindern, dass ein Fahrer bevorteilt wird, passen da perfekt ins Bild.

Eine entscheidende Frage vor dem Showdown: Hat der junge Hamilton seine Nerven im Griff? Zwei Wochen zuvor beim vorletzten Rennen in China verspielt er seine erste Chance auf den Titel: Bei der Einfahrt in die Boxengasse versenkte er seinen McLaren im Kiesbett und musste das Rennen aufgeben.

Im Qualifying zum Grand Prix von Brasilien trumpft er allerdings auf. Hamilton ist Zweitschnellster und steht in der Startaufstellung direkt vor Räikkönen und Alonso. Die Pole Position holt sich Raikkönens Ferrari-Teamkollege Felipe Massa.

Ein gebrauchter Tag 2007 in Brasilien für Lewis Hamilton, Foto: Sutton
Ein gebrauchter Tag 2007 in Brasilien für Lewis Hamilton, Foto: Sutton

Doch gleich nach dem Start muss Hamilton den ersten Rückschlag wegstecken. Räikkönen zieht auf der besseren Startseite am Briten vorbei und in der ersten Kurve verbremst sich Hamilton im Duell mit Fernando Alonso und verliert mehrere Plätze - der Beginn eines gebrauchten Tages für Hamilton, denn es kommt noch schlimmer. Kurz darauf wird sein McLaren plötzlich langsamer, schleicht über die Strecke und muss das Feld an sich vorbei ziehen lassen. Nach einem Reset funktioniert sein Auto zwar wieder, doch der Brite liegt beinahe aussichtslos zurück.

Währenddessen ziehen die beiden Ferraris von Massa und Räikkönen dem Feld davon, Alonso hat nach einigen Runden bereits einen Rückstand von acht Sekunden - doch augenblicklich wäre er Weltmeister.

Am Ende des Feldes arbeitet sich Hamilton nach vorne, überholt einen Kontrahenten nach dem anderen. Sein Team entschließt sich zu einer riskanten Strategie-Umstellung, ganz nach dem Motto: alles oder nichts. Beim ersten Stopp zieht das Team Hamilton als einzigen Piloten die superweichen Reifen auf. Zwar macht Hamilton damit anschließend einige Plätze gut, muss jedoch nach wenigen Runden wieder an die Box, da die Reifen völlig abgenutzt sind. Diesmal entschließt sich McLaren für die härtere Reifenmischung - ein dritter Stopp ist aber unumgänglich.

Ferrari dominierte das Rennen in Brasilien 2007, Foto: Sutton
Ferrari dominierte das Rennen in Brasilien 2007, Foto: Sutton

Was Hamilton zu dem Zeitpunkt noch retten könnte, wäre ein Safety Car, doch trotz mehrerer Unfälle bleibt das Safety Car in der Garage. Ferrari dreht an der Spitze einsam seine Runden, Alonso folgt mit großem Abstand auf Platz drei, wäre aber mit diesem Platz aktuell Weltmeister, sollte Ferrari in der Reihenfolge Massa und Räikkönen ins Ziel einlaufen. In der Endabrechnung hätte Alonso einen Punkt mehr.

Am Ferrari-Kommandostand hat man für das Problem allerdings längst die Lösung. Massa kommt einige Runden vor Räikkönen zum zweiten Stopp. Der Finne dreht in der Zwischenzeit eine schnelle Runde nach der anderen, und als er nach seinem Stopp zurück auf die Strecke kommt, ist der Platzwechsel perfekt. Alles läuft nach Plan für die Scuderia.

Der Doppelsieg scheint perfekt und mit dem dritten Platz hätte Alonso nun genau einen Punkt weniger. Ferrari bleibt als einzige Gefahr Hamilton. Der Brite arbeitet sich unermüdlich durchs Feld. Nach seinem dritten Stopp fällt er zurück auf Platz zehn, liegt einige Runden vor Rennende jedoch wieder auf Platz sieben.

Wenn Räikkönen gewinnt, muss Hamilton aber mindestens fünfter werden und die vor ihm liegenden Rosberg, Kubica und Heidfeld sind zu weit weg. Die Weltmeisterschaft ist verloren.

Kimi Räikkönen feiert ausgelassen die Weltmeisterschaft, Foto: Sutton
Kimi Räikkönen feiert ausgelassen die Weltmeisterschaft, Foto: Sutton

Ferrari und Räikkönen vollbringen das nicht für möglich gehaltene: Räikkönen gewinnt vor Massa das Rennen und kürt sich zum Weltmeister 2007. Das entlockt selbst dem sonst so stoischen Finnen auf dem Siegerpodest ein Lächeln ab. Die WM gewinnt er mit einem Punkt Vorsprung auf Hamilton und Alonso.

Nach Saisonende ist klar, das McLaren und Alonsos Wege in Zukunft in verschiedene Richtungen verlaufen werden. Alonso zieht es zurück zu Renault. Lewis Hamilton bekommt 2008 eine neue Chance auf den Weltmeistertitel und gewinnt diesmal - wenn auch ähnlich dramatisch wie er 2007 den Titel verliert.

Lesen Sie morgen: Rückblick auf das Saisonfinale 2008