Vor der Saison war die Befürchtung bei vielen Formel-1-Puristen groß, durch den großen Regelumbruch würde die Formel 1 zu langsam. 1,6-Liter Hubraum, nur ein Turbolader, gleichzeitig ist der maximale Benzindurchfluss begrenzt, die maximale Benzinmenge im Rennen sowieso und zusätzlich wurde noch die Aerodynamik beschnitten. Ja, auf vielen Strecken ist die Formel 1 2014 langsamer als in der Vergangenheit. Aber bei weitem nicht so drastisch, wie einige befürchtet hatten.

In Austin war die Pole-Zeit zum ersten Mal schneller als im Vorjahr, in Brasilien fallen nun sogar Rundenrekorde aus V10-Zeiten. Doch warum ist die neue Generation Hybrid-Autos auf dem Autodromo Carlos Pace so viel schneller? Motorsport-Magazin.com hat die Antworten.

Welche Zeit ist die Messlatte?

Montoyas Rundenrekord ist wohl nicht in Gefahr, Foto: Sutton
Montoyas Rundenrekord ist wohl nicht in Gefahr, Foto: Sutton

Zunächst muss man sich die Frage stellen, wo überhaupt die Messlatte liegt. Offizielle Rundenrekorde werden nicht im Training oder im Qualifying aufgestellt, sondern im Rennen. Deshalb ist es unfair, die 1:11.473 Minuten von Juan-Pablo Montoya aus dem Jahr 2004 als Referenz zu nehmen.

Barrichello fuhr die bisher schnellste Runde in Sao Paulo, Foto: Sutton
Barrichello fuhr die bisher schnellste Runde in Sao Paulo, Foto: Sutton

Wenn wir ein bisschen in den Archiven kramen, finden wir eine 1:10.229 Minuten von Rubens Barrichello. Gefahren ist der Lokalmatador diese Zeit im zweiten Samstagstraining 2004. Damals gab es V10-Motoren mit 3,0 Liter Hubraum, die bis zu 20.000 Umdrehungen pro Minute schafften. Dazu lieferten sich Michelin und Bridgestone einen Reifenkrieg, von Testrestriktionen oder Windkanalbeschränkungen war damals noch selten die Rede.

Im Qualifying zum Brasilien GP 2014 hätte Nico Rosberg beinahe die Marke von 70 Sekunden geknackt. Am Ende lag der Deutsche 0,023 Sekunden darüber. Addiert man seine persönlichen Sektorbestzeiten, steht am Ende sogar eine 1:09.861. In der Realität war Rosberg 2014 also zwei Zehntel schneller, als Barrichello 2004. Aber warum?

Mehrere Variable

Eine Variable in diesem Vergleich ist die Strecke. Zwar wurde die Strecke nicht gravierend umgebaut, doch der Asphalt wurde in der Zwischenzeit einige Male erneuert. Zuletzt ausgerechnet vor der diesjährigen Ausgabe. Die meisten Fahrer schwärmen vom neuen Asphalt: Weniger Bodenwellen, mehr Grip. Es ist also davon auszugehen, dass die Strecke zumindest etwas schneller wurde.

Heute wird auf Slicks gefahren, Foto: Sutton
Heute wird auf Slicks gefahren, Foto: Sutton

Pirelli hat nach der Analyse des neuen Asphalts die Reifenwahl nachträglich geändert. Statt Medium und Hard haben die Italiener Medium und Soft mit an die Strecke gebracht. Sicherlich ein Faktor, weshalb die Rundenzeiten schneller sind. Gleichzeitig hatten die Reifen 2004 noch Rillen, also weniger Auflagefläche. Dafür herrschte damals der angesprochene Reifenkrieg. Auch das schwarze Gold lässt sich also nicht eins zu eins vergleichen.

Höhenlage kommt Turbos entgegen

Zum Glück stehen weitere Daten als nur die Rundenzeiten zur Verfügung. Schon die Sektorzeiten sind aufschlussreich. Im ersten und im letzten Sektor verliert Barrichello etwas, im Mittelsektor sind die Zeiten fast identisch. Legt man die absoluten Sektorbestzeiten der jeweiligen Sessions zugrunde, ist das Bild sogar noch deutlicher: Im Mittelsektor war die Formel 1 2004 schneller, im finalen Abschnitt langsamer.

Sektor 1Sektor 2Sektor 3
Barrichello 200417,76535,85716,607
Beste 200416,68635,76616,607
Rosberg 201417,56535,82116,475
Beste 201417,56535,82116,388

Der Mittelsektor ist mit Abstand der langsamste. Hier reiht sich Kurve an Kurve. 2004 waren die Aerodynamik-Restriktionen verschwindend gering, die Autos produzierten Abtrieb ohne Ende. Deshalb sind sie den heutigen Autos in kurvigen Abschnitten überlegen.

Mit den V10-Motoren waren sie aber auch brutal leistungsstark, bis zu 1000 PS leisteten die Aggregate. Wieso verlieren die Autos dann in Power-Abschnitten? Die Antwort liegt in den unterschiedlichen Motorkonzepten begründet. Die V10-Aggregate waren Saugmotoren, heute sind Turbo-Hybrid-Motoren im Einsatz.

Sao Paulo ist das härteste Turbo-Rennen, Foto: Red Bull
Sao Paulo ist das härteste Turbo-Rennen, Foto: Red Bull

Sao Paulo liegt auf ziemlich genau 800 Meter über dem Meeresspiegel und ist somit die höchstgelegene Rennstrecke im Kalender - bis Mexiko 2015 hinzustößt. Für Saugmotoren ist Höhe gleichbedeutend mit Leistungsverlust. Die Luft wird dünner, hat bei gleichem Volumen einen geringeren Sauerstoffanteil.

Genau dieses Phänomen können die Turbomotoren ausgleichen. Der Turbo sorgt einfach mit einer höheren Drehzahl dafür, dass der Ladedruck genauso hoch ist, wie auf Seehöhe. Auch für die Hybrid-Bauteile spielt es keine Rolle, wie hoch der Sauerstoffgehalt in der Luft ist. Weil sie in dieser Saison maßgeblich Leistung zusteuern, ist auch hier die Leistung konstant.

20042014
Button324,8Massa342,9
Alonso324,7Bottas338,0
Massa324,6Rosberg335,5
Räikkönen324,3Hamilton334,4
Sato324,2Button333,7

Besonders deutlich wird der Leistungsunterschied bei den Topspeeds: Felipe Massa wurde im Qualifying 2014 mit 342,9 Stundenkilometer geblitzt. In der Vergleichs-Session 2004 war Jenson Button mit 324,8 Stundenkilometer Topspeed-König. In Monza lagen die Topspeed-Werte übrigens noch deutlich auseinander - mit Vorteil V10. Zum einen liegt Monza nur gut 100 Meter über dem Meeresspiegel, zum anderen gab es damals noch größere Unterschiede bei den Downforce-Konfigurationen.

Neben all den angesprochenen Faktoren gab es in den zehn Jahren natürlich jede Menge Detailverbesserungen. Die Kinematik der Fahrzeuge, Fortschritte bei der Fahrwerkstechnologie, bessere Simulationen vor dem Rennwochenende - jedes Detail wurde in der Zwischenzeit bis zum Exzess optimiert.