Auch mit ein paar Stunden Abstand saß der Frust bei Lewis Hamilton nach seinem verpatzten Qualifying tief. Hamilton startete in Q3 einen letzten Versuch, entschied sich aber nach Ende des ersten Sektors dazu die Runde abzubrechen. Er war überzeugt, dass eine Zeitenverbesserung bei diesen Bedingungen nicht möglich ist, Nico Rosberg war anderer Meinung und holte am Ende die Pole Position. "Es hat sich nicht richtig angefühlt. Ich war der Meinung, dass es nicht schneller ginge", erklärte der Mercedes-Pilot.

Aus Fahrersicht hätte er nicht wissen können, dass der letzte Sektor vier bis fünf Sekunden schneller geworden ist. "Und ich bekam auch keine gegenteilige Information vom Team", stellte der Brite klar. Sein Teamkollege sah das anders. "Ich war überrascht, dass Lewis die Runde abbrach. Ich habe gewusst, dass eine Chance da ist und habe Gas gegeben", erzählte der Deutsche, der damit seinem Image als 'intelligenter Rennfahrer' mal wieder gerecht wurde. Hamiltons Image als Kämpfernatur, der bis zum Ende alles gibt, erhielt in Silverstone hingegen Kratzer.

Das weiß auch der Brite, der nach dem Qualifying betonte: "Ich habe gekämpft. Ich habe mich nur entschieden, die Runde abzubrechen." Daran, dass ihm via Boxenfunk aufgetragen wurde zu pushen, konnte sich Hamilton nicht erinnern. "Ich kann mich an die Kommunikation mit der Box nicht so gut erinnern. Ich erinnere mich nur, dass mir gesagt wurde, ich würde Nico aufhalten, aber ich kann mich nicht erinnern, dass irgendjemand push, push gesagt hätte. Egal, ich schaue jetzt nach vorne", gab der Brite missmutig zu Protokoll. Für ihn steht jetzt Schadensbegrenzung im Rennen an.

Hamilton zeigte sich nach dem Qualifying wortkarg wie sonst nur ein gewisser Finne, Foto: Mercedes AMG
Hamilton zeigte sich nach dem Qualifying wortkarg wie sonst nur ein gewisser Finne, Foto: Mercedes AMG

Team oder Fahrer Schuld?

Seitens Mercedes war man bereits am Samstagabend um Schadensbegrenzung bemüht. "Es war ein äußerst schwieriges Qualifying. Lewis machte eine kleine Fehleinschätzung, diesbezüglich sollten wir uns selbst hinterfragen, ob wir ihn da besser hätten unterstützen können", meinte Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff. Im Gespräch mit Motorsport-Magazin.com sah Niki Lauda die Schuld allerdings allein beim Fahrer und nicht beim Team. "Der Fahrer ist der einzige, der draußen auf der Strecke fährt. Also muss er selbst entscheiden. Lewis weiß genau, dass er einen Fehler gemacht hat", stellte der Österreicher klar.

Auch Rosberg betonte, dass er und Hamilton die gleichen Voraussetzungen gehabt hätten. "Bei Lewis ist wie bei mir alles richtig gelaufen. Nur hat er nicht mehr an eine Verbesserung geglaubt, ich schon", meinte Rosberg. Auf den Punkt gebracht: Rosberg traf die richtige Entscheidung, Hamilton nicht. Nach Ansicht von Sir Jackie Stewart fehlt letzterem einfach das richtige Mind-Management. "Man muss mit dem Kopf immer voll bei der Sache sein - das ist entscheidend. Da kann man es sich noch nicht einmal leisten, nur zu blinzeln. Fahrer wie Lauda, Clark, Prost oder Fangio hatten das richtige Mind-Management -vielleicht muss Lewis da erst noch hineinwachsen", meinte Stewart gegenüber Motorsport-Magazin.com.

Eine harte Kritik, die Wolff nicht so stehen lassen wollte. "Man konnte heute ganz einfach wie ein Idiot aussehen. Andere Teams haben es nicht ins Q2 geschafft und auch dort sind clevere Leute am Werk", spielte er auf das frühzeigte Aus von Ferrari an. Für Hamilton geht es jetzt vor allem darum, seinen heimischen Fans eine gute Show zu bieten. "Es ist unfassbar wie sehr mich die Fans unterstützen. Ich kriege von ihnen so viel positive Energie. Für sie werde ich morgen wieder alles geben. Sicherlich wird es nicht so einfach wie im letzten Rennen, aber alles ist möglich", sagte der Brite.

Der Sektorenvergleich: Hamilton vs. Rosberg

ROS (Pole) HAM (Abbruch) HAM (P6)
Zeit: 1:35.7661:47.3171:39.232
S1:30.082 31.19829.505
S2:39.110 46.31638.740
S3:26.574 29.80330.987