Jenson, du bist der zweiterfahrenste Fahrer im Feld...
Jenson Button: Moment, ich bin der erfahrenste Pilot, aber der Zweitälteste! [lacht]

Stimmt, aber ich wollte dich nicht als "alt" bezeichnen...
Jenson Button: [lacht] Dann bleiben wir einfach bei der Erfahrenste.

Also gut, du bist der erfahrenste Pilot in der Formel 1. Wie hilft dir das in dieser schwierigen Situation?
Jenson Button: Das hilft auf jeden Fall, sowohl in guten als auch in schlechten Zeiten. Ich habe wahrscheinlich schon alles in der Formel 1 erlebt, was es zu erleben gibt. Ich verstehe ein Rennauto, weiß, wie ich es abzustimmen habe, wie ich mit den Ingenieuren reden muss. Es geht um die komplette Arbeit mit dem Auto, etwa wie hart ich die Reifen rannehmen darf, den Benzinverbrauch, einfach alles. Im Laufe meiner Rennsportkarriere habe ich so viel gelernt, dass mir meine Erfahrung sehr hilft. Aber natürlich lernt man nie aus.

Jenson Button muss die Kurve kriegen, Foto: Sutton
Jenson Button muss die Kurve kriegen, Foto: Sutton

Hilft dir das auch in der Zukunft, wenn es um deine Vertragsverlängerung für 2015 geht?
Jenson Button: Nein, aber darüber mache ich mir momentan keine Gedanken. Ich mache einfach das, was ich am besten kann: alles aus mir und dem Auto herauszuholen. Das ist mir in diesem Jahr, besonders in den letzten paar Rennen, sehr gut gelungen. So möchte ich weitermachen und das Team damit richtig antreiben.

Wir sind nicht dort, wo wir sein wollen und es liegt noch viel Arbeit vor uns, um wieder an die Spitze zu gelangen. Dabei benötigt das Team so viel gutes Feedback von den Fahrern, wie es bekommen kann. Das werden anstrengende Monate, aber wir haben zuletzt eine gute Richtung gefunden. Mit Eric [Boullier] und Ron [Dennis] gab es einige Veränderungen innerhalb der Mannschaft. Das benötigt einfach Zeit. In der Formel 1 gibt es keine Fortschritte über Nacht.

Wann hast du bemerkt, dass es erneut eine schwierige Saison für McLaren wird?
Jenson Button: Das erste Rennen verlief gut für uns - wir standen beide auf dem Podium. Seitdem war es wirklich knifflig. Ich denke, wir haben beim zweiten Rennen gemerkt, dass wir in Melbourne das Beste aus unserem Auto herausgeholt haben - und das den anderen Teams, abgesehen von Mercedes, dort eben nicht so gut gelungen war. Deswegen waren wir in Australien so stark.

Wir sind nicht langsamer geworden, die anderen Teams holen seitdem einfach alles aus ihren Autos heraus. Wir hatten bei fast jedem Rennen Updates, aber das gilt auch für unsere Gegner. Erst später in dieser Saison werden wir die Stärke dieses Teams sehen, wenn wir noch immer Updates bringen können, während andere Teams nicht so leicht Verbesserungen erzielen werden.

Schwierige Zeiten für Jenson Button bei McLaren, Foto: Sutton
Schwierige Zeiten für Jenson Button bei McLaren, Foto: Sutton

Womit wärt ihr dann am Ende des Jahres zufrieden?
Jenson Button: Unser Ziel muss es sein, um den dritten Platz in der Konstrukteurs-WM zu kämpfen. Das ist kein hochgestecktes Ziel, aber es wäre viel besser als unsere Platzierung im vergangenen Jahr [Fünfter] und auch viel besser als unsere Ergebnisse bislang in dieser Saison. Wir liegen derzeit hinter Ferrari und sind langsamer als sie, aber wir können nah dran bleiben und hoffen, dass wir mit harter Arbeit um den dritten Platz mitkämpfen können.

Dein Renndirektor Eric Boullier sagte kürzlich, dass McLaren einen Kulturwechsel vornehmen müsse. Siehst du das genauso?
Jenson Button: Dieses Team arbeitet seit vielen Jahren relativ ähnlich. Auf diese Weise waren wir verdammt nah dran, die Weltmeisterschaft zu gewinnen. Wenn man so nah dran ist, verändert man nichts. Man glaubt einfach nicht, dass es nötig ist, Veränderungen vorzunehmen. Schließlich hat man diesen Weg schon so viele Jahre lang verfolgt. Das ist ein Fehler. Man muss sich verändern, hat aber Angst davor, denn wenn man es macht, könnte alles den Bach runtergehen. [lacht]

Das schlechte vergangene Jahr könnte dem Team also geholfen haben, eine Weltmeisterschaft zu gewinnen. In ein paar Jahren werden wir zurückblicken und sagen: Absolut, das war richtig für dieses Team. Denn wir haben bemerkt, dass wir uns verändern müssen. Wir waren wirklich nah am WM-Titel dran, aber so hätten wir ihn nie gewonnen. Die Richtung hat einfach nicht gestimmt, wir brauchten eine Auffrischung. Schlechte Jahre können also sehr gut für ein Team sein. Genau das glaube ich, trifft bei uns zu.

Alt? Nix da! Jenson ist erfahren..., Foto: McLaren
Alt? Nix da! Jenson ist erfahren..., Foto: McLaren

Was genau habt ihr im Team verändert?
Jenson Button: Das kann Eric am besten beantworten, aber ich denke, dass wir jetzt beim Bau des Autos als eine Einheit auftreten und nicht als verschiedene Abteilungen, deren Arbeit am Ende zusammengepackt wird. Wir sind ein Rennteam und wir wollen das beste Rennteam der Welt sein. Dafür muss man akzeptieren, dass man seine Arbeit gut machen muss. Als Rennfahrer oder Teammitglied ist das immer so, aber manchmal muss man etwas aggressiver sein. Uns muss allen bewusst sein: Wenn wir keine ausreichend gute Leistung bringen, werden wir dieses Team nicht wieder nach oben bringen.

Dein Teamkollege Kevin Magnussen ist neu in der Formel 1. Vor ihm hattest du mit Lewis Hamilton auch einen Fahrer an deiner Seite, der mit dem Team gewachsen ist. Erkennst du Unterschiede zwischen ihnen?
Jenson Button: Lewis hat immer gesagt, was er dachte. Er hatte nicht so viel Erfahrung wie ich, aber er war erfahren. Wir haben uns bei der Weiterentwicklung des Autos gegenseitig gut ergänzt, aber es stimmt, dass er da schon viele Jahre mit diesem Team zusammen gearbeitet hatte.

Für mich war die Situation aber auch nicht so viel anders. McLaren ist das erste echte große Team, für das ich gefahren bin. Wenn man zu solch einem Team kommt, das schon mehrere WM-Titel gewonnen hat, ist alles aufregend. Aber kein Team ist perfekt. Irgendwann bemerkt man die Schwächen des Teams. Ich möchte auf keinen Fall mit dem Finger auf jemanden zeigen, jeder von uns hat Schwächen, als Team ist es unsere Aufgabe, uns gemeinsam zu verbessern.

Als du zu McLaren gewechselt bist, hast du das sicher als deine große Chance angesehen, weiter um WM-Titel mitzufahren...
Jenson Button: Genau, das Team weiß, wie man Rennen gewinnt. Es war aber auch stets interessant, gegen Lewis zu fahren. Man weiß nie, wie gut man ist, bevor man nicht gegen die Besten gefahren ist. Diese Herausforderung hat mir gefallen. Klar, auch ich hatte mal einen schlechten Tag, das geht jedem Rennfahrer so, aber ich hatte auch einige verdammt gute Tage. Wir haben sehr gut zusammengearbeitet und haben uns gegenseitig angetrieben. Aber unsere Wege haben sich getrennt und derzeit sieht es so aus, als ob er sich richtig entschieden hätte, obwohl es zu diesem Zeitpunkt eher wie eine verrückte Idee aussah. Warten wir ab. Vielleicht gewinnen wir im nächsten Jahr fast jedes Rennen.

Button fehlt der Antrieb durch Hamilton, Foto: Sutton
Button fehlt der Antrieb durch Hamilton, Foto: Sutton

Du hast viel über Lewis gesprochen. Was hältst du vom Kampf zwischen ihm und Nico Rosberg bei Mercedes?
Jenson Button: Ich finde das gut, denn wenn ein Auto so überlegen ist, will man immer einen Zweikampf zwischen den beiden Fahrern sehen. Sonst wäre es eine recht langweilige Saison. Deshalb ist so ein interner Kampf sehr gut. Ich habe viel Zeit mit Lewis verbracht und weiß, wie sich seine Stimmung verändert. Aus diesem Grund denke ich, dass er mental stärker ist, als manche Leute geglaubt haben. Er steckt derzeit voller Selbstvertrauen, selbst nach den Problemen, die er in Monaco und Kanada hatte.

Du fährst mit der gleichen Mercedes Power Unit wie das Werksteam. Ist es da nicht frustrierend, zu sehen, wie sie (fast) jedes Rennen gewinnen?
Jenson Button: Nein, für mich ist das nicht frustrierend. Sie haben einfach bessere Arbeit geleistet als wir. Wir müssen anerkennen, dass sie im Winter besser gearbeitet haben. Bereits am Ende des vergangenen Jahres konnte man erkennen, dass sie gut sortiert sind. Abgesehen vom Rennen in Kanada waren sie uneinholbar. Um das zu ändern, müssen wir - und der Rest des Feldes - bessere Arbeit abliefern. Ich gehe davon aus, dass es in diesem Jahr für jeden schwierig wird, sie unter normalen Umständen zu schlagen.

Solche Probleme wie in Montreal kann es natürlich immer geben und genau darauf warten viele Teams, um dann zuzuschlagen. Es ist erstaunlich, dass viele Topteams nach acht Rennen schon über die kommende Saison nachdenken. Für uns wäre wie gesagt Platz drei in der Konstrukteurs-Wertung ein gutes Ergebnis in dieser Saison. Wenn man im nächsten Jahr näher an Mercedes dran sein will, muss man sich genau darauf konzentrieren. Kommende Saison gibt es keine großen Regeländerungen, also muss man jetzt aufholen und bis zum Winter so nah wie möglich dran sein. Wer beim letzten Rennen mehr als eine Sekunde Rückstand hat, wird das über den Winter nicht aufholen können.

Jensen verrät Kerstin das Ziel für den Rest der Saison: Platz 3 in der Konstrukteurs-WM, Foto: McLaren
Jensen verrät Kerstin das Ziel für den Rest der Saison: Platz 3 in der Konstrukteurs-WM, Foto: McLaren

Könnte Honda im nächsten Jahr eine "Geheimwaffe" bei der Aufholjagd sein?
Jenson Button: Das weiß ich nicht. Ich arbeite noch nicht mit ihnen zusammen. Das ist momentan strikt getrennt. Derzeit sind wir noch zu 100% ein Team von Mercedes-Benz und sie haben die stärkste Power Unit. Das bringt uns in diesem Jahr in eine gute Position. Wir werden nichts unternehmen, was diese gute Beziehung gefährden könnte. Dieses Team arbeitet seit sehr vielen Jahren mit Mercedes zusammen. Da ist es nur fair, die Beziehung am Ende der Saison fair und sauber zu beenden, anstatt es kompliziert zu machen und mit dem nächstjährigen Motorenpartner zu arbeiten.

War es für dich frustrierend, dass das Team genau zu dem Zeitpunkt an Form verlor, als du die klare Nummer 1 warst, weil du jüngere Fahrer an deiner Seite hattest?
Jenson Button: Nein, manchmal hat man Glück, manchmal nicht. Das führt aber nicht zu Frust. So ist nun einmal der Lauf der Dinge. In vielen Sportarten kann man nicht jedes Mal ganz vorne sein. Das beste Beispiel dafür ist doch gerade die Fußball WM in Brasilien. Man muss sich durch die schlechten Zeiten durchkämpfen. Das schafft man nur, wenn man stark genug ist, seine eigenen Fehler einzugestehen. Die Messlatte liegt hoch. In der heutigen Formel 1 muss man eine perfekte Leistung abliefern, um Rennen zu gewinnen.

Vielleicht ist es anders als vor zehn oder fünfzehn Jahren, als ein oder zwei Teams in einer anderen Welt gefahren sind. Jetzt gibt es fünf oder sechs Teams, die in einer Saison gewinnen können, wenn sie ihre Leistung abliefern und ein gutes Auto gebaut haben. Jedes Detail zählt. Man muss herausfinden, wo die Schwächen liegen und wie man diese Bereiche verbessern kann.

Ein perfektes Vater-Sohn-Gespann: Jenson und John Button, Foto: Sutton
Ein perfektes Vater-Sohn-Gespann: Jenson und John Button, Foto: Sutton

Das nächste Rennen ist dein Heimrennen in Silverstone. Habt ihr dort etwas Besonderes geplant?
Jenson Button: Silverstone gehört leider nicht zu unseren besten Strecken. Das ist schon so, seit ich für McLaren fahre. Es wird hart. Selbstverständlich möchtest du für deine Fans ein gutes Ergebnis einfahren, aber ich habe noch nicht vor, zurückzutreten. Also schaffe ich es hoffentlich doch, irgendwann dort auf dem Podium zu stehen. Die Fans haben mich dort selbst in schwierigen Zeiten mit Honda super unterstützt und das bedeutet mir wirklich viel. Sie sind echte Fans und campen - genauso wie hier in Österreich - direkt an der Strecke. Ich hoffe, dass wir viele "Pink for Papa"-Shirts sehen werden. Es wäre toll, wenn wir dort ein riesiges pinkfarbenes Menschenmeer erleben würden.

Wie nimmst du diese Unterstützung auf?
Jenson Button: Die Unterstützung für mich ist großartig, aber es zeigt auch, was für eine Persönlichkeit mein Vater war. Er war ein ehrlicher Kerl, der diesen Sport mehr als alles andere liebte. Das brachte ihm in Großbritannien aber auch in aller Welt so viele Fans ein. Man sieht nicht so häufig Rennfahrer-Väter, die an der Formel 1 Spaß haben. Als ich ein Kind war, haben wir beide genau davon geträumt. Klar, als mein Vater wollte er nur das Beste für mich, aber er war seit den 50ern Motorsportfan. Das war sein Hobby. Er hat diesen Zirkus einfach genossen und ich glaube, dass haben die Leute ihm angesehen.

Silverstone wird für dich sicher ein sehr emotionales Wochenende...
Jenson Button: Absolut. Hinter mir liegen schwierige Tage. Wenn ich Rennen fahre, konzentriere ich mich ausschließlich darauf. Dann muss man 100% konzentriert sein. Vor oder nach den Rennen ist es schwieriger. Dann fehlt es mir, wenn er mir ein High-Five geben würde. Wenn ich mir ein Rennen in der Wiederholung ansehe und mir dabei etwas auffällt, etwa ein Überholmanöver von mir, das ihm gefallen hätte, dann denke ich im ersten Moment: Ich sollte ihn anrufen und es ihm sagen. Das ist ein komisches Gefühl. Andererseits habe ich ein Lächeln im Gesicht. Denn ich weiß, dass ihm mein Leben gefallen hat und er es für so viele Jahre genießen konnte. Diese Gelegenheit bleibt vielen Eltern verwehrt.