Mit Spannung wurde der erste 2014er Bolide eines Topteams erwartet. Am Freitag war es dann endlich soweit: McLaren enthüllte in Woking den MP4-29. Motorsport-Magazin.com nimmt den neuen Chrompfeil - oder inzwischen besser Silberpfeil - unter die Lupe und erklärt einige interessante Details.

Die Funktion gibt die Form vor, Foto: McLaren/adrivo
Die Funktion gibt die Form vor, Foto: McLaren/adrivo

Zunächst fällt die gewöhnungsbedürftige Nase auf. Schön ist anders, doch das ist in der Formel 1 bekanntlich egal. Das Reglement schreibt vor, dass der vordere Teil der Nase nicht höher als 185 Millimeter sein darf. Die Teams sind darauf bedacht, die Front der Fahrzeuge so hoch wie möglich zu halten, um viel Luft unter dem Auto durchzuleiten. Das erhöht die Effektivität des Diffusors. Wäre die Nase über die gesamte Breite auf der Höhe von 185 Millimeter, würde wertvolle Luft verloren gehen. Also begnügt man sich mit dem Minimum. Und das besagt, dass der Querschnitt 50 Millimeter hinter Nasenbeginn mehr als 9000 Millimeter betragen muss.

An der Front geht es gleich interessant weiter. Der Frontflügel des MP4-29 ist im Vergleich zum Vorjahr deutlich diffiziler aufgebaut. 2013 wirkte der Flügel des MP4-28 vergleichsweise plump in Angesicht der aufwendigen Red-Bull-Konstruktionen. Auch Mercedes und Ferrari hatten Frontflügel mit bis zu sieben großen Blättern, McLaren begnügte sich teilweise mit derer zwei.

Was zwar im normalen Zustand einen Vorteil an Abtrieb bringt, wird jedoch zum Problem, wenn die Reifen in der Kurvenfahrt eingeschlagen sind. Dann nämlich verliert ein simplerer Flügel schlagartig Abtrieb, während es bei der zerklüfteten Variante deutlich besser ausgeglichen werden kann. Dass McLaren schon bei der Präsentation einen komplexeren Flügel zeigte, überrascht etwas, denn bis zum Saisonauftakt in Australien sind sicherlich noch Ausbaustufen zu erwarten.

Dahinter sticht die Vorderradaufhängung ins Auge. Im Vorjahr war McLaren noch für die vielzitierte Interimssaison von Push- auf Pullrods gewechselt. Doch dieses System wurde nun wieder verworfen, so dass wieder Pushrods zum Einsatz kommen. Dieser Schritt kommt etwas überraschend, weil die Vorteile der Zugstreben durch das tiefere Chassis in diesem Jahr besser zum Tragen gekommen wären.

Der Schwerpunkt hätte noch weiter herabgesetzt werden können und die Zugstreben lägen nicht mehr ganz so horizontal sondern mehr diagonal. Das hätte zum Vorteil, dass die Abstimmung wieder etwas leichter wird, weil sich bei Höhenänderungen des Reifens der Umlenkhebel auf die Feder-Dämpfer-Einheit mehr bewegt. Im Gegenzug würde ein kleiner aerodynamischer Vorteil entfallen, weil die Strebe nicht mehr waagrecht in der Luft steht. Bei Ferrari wurde zunächst ein ähnlicher Schritt erwartet, einige Stimmen gehen aber davon aus, dass die Scuderia den Pullrods treu bleibt.

Der Kühlbedarf ist insgesamt deutlich gestiegen, Foto: McLaren/adrivo
Der Kühlbedarf ist insgesamt deutlich gestiegen, Foto: McLaren/adrivo

Die Öffnungen in den Seitenkästen sind am MP4-29 deutlich größer als noch an seinem Vorgänger. Zwar benötigt der V6 weniger Kühlung als der zuvor eingesetzte 2,4-Liter Achtzylinder, doch der Turbolader schaufelt extrem heiße Luft in die Brennkammern, die zuvor gekühlt werden muss. Das geschieht mit einem sogenannten Ladeluftkühler, im englischen Intercooler genannt. Dieser belegt einen Seitenkasten, während sich Wasser- und Ölkühler den anderen teilen. Außerdem müssen zahlreiche Komponenten von ERS gekühlt werden.

Die Heckpartie ist interessant gestaltet, Foto: McLaren/adrivo
Die Heckpartie ist interessant gestaltet, Foto: McLaren/adrivo

Hinter den Öffnungen können sich die Seitenkästen aber trotzdem stark einziehen, weil der Auspuff nicht mehr seitlich austritt, sondern lediglich in einem Auspuffendrohr am Fahrzeugheck. Direkt neben dem Auspuff befinden sich am McLaren noch zwei Wülste in der Motorverkleidung, die auf den ersten Blick recht plump aussehen. Vermutlich sind das große Lüftungsschlitze. Doch bei genauerem Hinsehen ist zu erkennen, dass diese Wülste nur direkt neben dem Auspuff sind, die Oberseite des Diffusors recht clean gehalten ist.

Interessant ist auch die Befestigung des Heckflügels. Durch den Wegfall des Beamwings (unteres Heckflügelelement) muss der Heckflügel auf andere Art und Weise am Chassis befestigt werden. Während Williams den Flügel direkt am Diffusor anbringt, gibt es am McLaren einen vertikalen Steg, der von der Mitte des unteren Flügelelements nach unten führt und sich beim Auspuff in zwei teilt.