Einige Fans rieben sich vergangene Woche verwundert die Augen: Das World Motorsport Council (WMSC), das im Rahmen der FIA-Vollversammlung in Paris tagte, hatte für die Formel 1 lediglich den neuen Rennkalender ratifiziert. Dabei standen gleich mehrere interessante Themen auf der Agenda: Die Einführung der Pflichtboxenstopps, permanente Startnummern oder Reifentests noch im Dezember standen beispielsweise weit oben. Doch Regeländerungen kamen nach dem Tagen des WMSC nur in anderen Rennserien heraus, die Formel 1 blieb außen vor.

Doch wieso ließen die neuen Regeln so lange auf sich warten und weshalb bedurfte es keiner erneuten WMSC-Sitzung, um sie zu verabschieden? Motorsport-Magazin.com erklärt den komplizierten Regelgebungsprozess in der Formel 1. Am Anfang steht die F1 Strategy Group. In dieser Strategiegruppe können Änderungsvorschläge eingebracht werden. Über die Zusammensetzung der Strategiegruppe gab es zuletzt heftige Diskussionen, weil sich einige Teams benachteiligt fühlten.

Die F1 Strategy Group

Die Zusammensetzung sorgt für Diskussionen, Foto: adrivo Sportpresse GmbH
Die Zusammensetzung sorgt für Diskussionen, Foto: adrivo Sportpresse GmbH

Insgesamt gibt es 18 Stimmen. Bernie Ecclestone besitzt als Vertreter des kommerziellen Rechteinhabers CVC sechs Stimmen. Ebenfalls sechs Stimmen sind der FIA zuteil, als Präsident verfügt also Jean Todt über die Entscheidungsgewalt. Die restlichen sechs Stimmen gehören den Teams. Fünf von diesen sechs Stimmen gehen an die sogenannten CCB (Constructors Championship Bonus) Teams. Dazu gehören Ferrari, Red Bull, Mercedes, McLaren und Williams. Neben ihrem Stimmrecht in der Strategiegruppe erhalten sie jährlich lukrative Bonuszahlungen aus dem Geldtopf des kommerziellen Rechteinhabers.

Neben den CCB-Teams bleibt nur ein Platz, Foto: adrivo Sportpresse GmbH
Neben den CCB-Teams bleibt nur ein Platz, Foto: adrivo Sportpresse GmbH

Bleibt noch eine zu vergebende Stimme in der Strategy Group. Diese ist von der Platzierung der Vorsaison abhängig und geht an das bestplatzierte nicht-CCB-Team. Somit zählt derzeit Lotus zum ausgewählten Kreis der Stimmberechtigten. Sauber, Force India, Toro Rosso, Marussia und Caterham haben also keine Möglichkeit, eigene Vorschläge einzubringen. "Teams wie Force India und Sauber sind Teil des Wettbewerbs und wir können nicht zufrieden sein, von dieser Gruppe ausgeschlossen zu werden", polterte Sauber-Teamchefin Monisha Kaltenborn unlängst.

Nachdem ein Vorschlag die Strategiegruppe mit einfacher Mehrheit passiert hat, ist die Formel-1-Kommission an der Reihe. Diese setzt sich wiederum aus 25 stimmberechtigten Parteien zusammen. Rechteinhaber CVC steht ebenso eine Stimme zu wie dem Automobilweltverband. Außerdem hat jedes der elf eingeschriebenen Teams ebenfalls eine Stimme. Des Weiteren gibt es acht Streckenbetreiber, einen Motorhersteller, zwei Sponsoren und den Reifenhersteller, die allesamt repräsentativ mit jeweils einer Stimme vertreten sind.

In der Formel-1-Kommission sind alle Teams vertreten, Foto: adrivo Sportpresse GmbH
In der Formel-1-Kommission sind alle Teams vertreten, Foto: adrivo Sportpresse GmbH

Die Formula One Commission kann aber keine eigenen Änderungswünsche einbringen, hat also lediglich ein Veto-Recht für die von der Strategiegruppe eingebrachten Vorschlägen. Stimmen 70 Prozent der Kommission für eine Änderung, befasst sich das World Motorsport Council damit. Das WMSC ist somit die letzte Instanz des Regelgebungsprozesses. 25 Mitglieder und Präsident Jean Todt entscheiden final über das Reglement, Sicherheitsaspekte und die Entwicklung des Sports.

WMSC letzte Instanz

Die Mitglieder des WMSC repräsentieren alle einen nationalen Motorsportverband. Dabei darf kein Land doppelt vertreten sein. Ausnahmen bilden der FIA-Präsident selbst und drei spezielle Mitglieder, zu denen der Präsident des internationalen Kartverbandes, der Vertreter des kommerziellen Rechteinhabers der Formel 1 und der Präsident der FIA Herstellerkommission zählen. Seit kurzem ist auch ADAC-Sportpräsident Hermann Tomczyk im WMSC vertreten.

Doch die neuen Regeln wurden nicht wie eigentlich vorgesehen vom WMSC verabschiedet. Weil sich Strategy Group und Formel-1-Kommission erst am Montag trafen, konnten entsprechend keine Neuerungen vom Council beschlossen werden, weil sich dieses bereits in der Vorwoche getroffen hatte. Also gab Jean Todt den beiden untergeordneten Gremien eine Vollmacht, die Regeländerungen auch ohne weiteres WMSC-Meeting durchsetzten zu können.