Zwei Formel-1-Teams, mehrere Fußballvereine und ein ganzes Medienimperium - das ist nur ein Ausschnitt dessen, was Red Bull sein Eigen nennt. Red Bull, das ist vor allem Dietrich Mateschitz. Der Österreicher hält zwar nur 49 Prozent am Getränkekonzern, die übrigen 51 Prozent befinden sich im Besitz der thailändischen Unternehmerfamilie Yoovidhya, doch er gilt gemeinhin als der Oberbulle.

Dabei macht sich Mateschitz in der Öffentlichkeit durchaus rar, liebt es keineswegs, im Scheinwerferlicht zu stehen. Fernsehinterviews gibt der Steirer sowieso grundsätzlich nicht und auch an der Rennstrecke, wo sein Team seit Jahren das Maß aller Dinge ist, ist er lediglich selten anzutreffen. So war Mateschitz auch nicht vor Ort, als Sebastian Vettel jüngst in Indien den WM-Titel fixierte, sondern genoss den Erfolg lieber aus der Ferne.

Pathologische Qualitätsfetischisten

"Ich gehe auf den 70er zu, da wird man ein bissl hoamsinnig, wie man in der Steiermark sagt", betonte er in einem Interview mit mehreren österreichischen Tageszeitungen. "Wir machen jetzt 19 Jahre Formel 1, zehn Jahre mit Peter Sauber und jetzt das neunte mit Red Bull. Da reist man nicht mehr nach Schanghai und sieht vier Tage die Sonne nicht. Da geh ich lieber auf einen Berg, Schwammerl suchen, biken oder sonst was." Die Zeit sei mittlerweile einfach kostbar geworden, weshalb man sich dieses wertvolle Gut behutsam einteilen müsse. "Dass ich da mit Bernie oder anderen den Vorstart rauf und runter gehe, Sie wissen, das bin ich nicht. Vielleicht bin ich auch etwas faul geworden."

Mateschitz kommt nur selten an die Strecke, Foto: Sutton
Mateschitz kommt nur selten an die Strecke, Foto: Sutton

Mittlerweile ist Erfolg für Red Bull in der Formel 1 zum Standard geworden. Zum vierten Mal in Folge sicherte sich das britisch-österreichische Team sowohl bei den Fahrern als auch bei den Konstrukteuren den Titel und setzte damit neue Maßstäbe. "Es inflationiert natürlich auch ein bisschen. Aber es ist nicht wie bei 'Dinner For One' zu Silvester: Sie wissen schon, 'same procedure as every year'. Es ist immer noch alles andere als Normalität, und das versuchen wir auch so zu begreifen, daher freuen wir uns auch", will Mateschitz die Triumphe aber auch nicht als etwas Alltägliches abtun.

Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass Red Bull der Konkurrenz seit geraumer Zeit stets einen Schritt voraus ist, sie gemäß des firmeneigenen Leitspruchs überflügelt. So sehr sich Ferrari und Co. auch strecken mögen, am Ende haben sie doch immer das Nachsehen. "Die Luft ist dünn da oben. Die anderen verstehen ihren Job auch. Auch sie investieren, konstruieren und perfektionieren", betonte der Oberbulle und schickte hinterher, was schlussendlich den Unterschied zur versammelten Gegnerschaft ausmache: "Vielleicht, dass wir Qualitätsfetischisten in fast 'pathologischer' Ausprägung sind."

Wo Erfolg ist, gibt es jedoch auch Missgunst. Das musste Vettel in dieser Saison mehrmals erfahren, als der Heppenheimer nach Siegen auf dem Podium gnadenlos ausgepfiffen wurde. Mateschitz glaubt zu wissen, woher der Argwohn gegenüber seinem Schützling rührt. "Einmal hat Webber Vettel überholt, obwohl ein gegenteiliger Code draußen war. Da haben die Leute dann Webber applaudiert. Sie haben ein Gerechtigkeitsempfinden, ich verstehe das", erläuterte er. "Michael Schumacher war auch kein Sonnyboy und Darling. Den Sebastian hat die Reaktion des Publikums sehr betroffen gemacht. Er ist ein unkomplizierter, natürlicher, gerader Bursche, der immer gewinnen will. Er ist kein Diplomat und Darling, der wie Alonso sein Kapperl in die Menge wirft."

Ein Herz für die Heimat

2014 kehrt die Formel 1 zurück nach Österreich. Möglich gemacht wurde dies - wie könnte es fast anders sein - durch Red Bull. Für Mateschitz steckt hinter diesem Deal jedoch nicht nur wirtschaftliches Kalkül, sondern auch ein gewisser Patriotismus für seine steirische Heimat schwingt mit. "Es hat viel mit gutem Willen zu tun, weniger mit Sentimentalität. Es ist mit Sicherheit kein Geschäft, ganz im Gegenteil", hielt er fest. "Aber für manche Dinge gibt man das Geld eben gern aus und für manche weniger gern. Diese Investition trage ich gerne."

Red Bull kam mit Sauber in die Formel 1, Foto: Sutton
Red Bull kam mit Sauber in die Formel 1, Foto: Sutton

Der gebürtige Steirer weiß, dass es nur Gewinner gibt, wenn die Königsklasse wieder in Spielberg ihre Runden dreht, wenn man von ein paar stets verstimmten Anwohnern absieht, die sich jedoch klar in der Unterzahl befinden. "Ich will kein falsches Pathos. Wenn 80.000 Leute kommen, wird die Investition zurückfließen, nicht nur in die Steiermark, sondern ins ganze Land", sagte er. "Das macht dann Freude. Und wahrscheinlich habe ich auch so etwas wie ein Erzherzog-Johann-Syndrom, ein bissl ein Trauma."

Bevor Red Bull Massensportarten wie Motorsport und Fußball für sich entdeckte, konzentrierte man sich auf Extremsportarten, denen man bis heute treu geblieben ist. Dass bei Aktionen wie Felix Baumgartners Sprung aus der Stratosphäre die Gefahr mitschwingt, ist ein kalkuliertes Risiko. "Jeder Extremsportler, jeder Basejumper, jeder Motocrosser hat diesen Beruf ausgeübt, lange bevor wir ihn begleiten. Und wenn wir Events machen, dann lassen wir uns die nicht selbst einfallen, sondern es kommt meistens der Athlet auf uns zu", erklärte Mateschitz.

"Dann versuchen wir das Risiko zu minimieren, machen Tests und bereiten uns monatelang penibel vor. Das Restrisiko bleibt. Es spielt einer Fußball und hat einen Herzinfarkt und fällt tot um", fuhr der Oberbulle fort und zog einen Vergleich zu Formel 1: "Hat man jemals den Bernie Ecclestone zur Verantwortung gezogen, wenn es in den 70er- oder 80er-Jahren einen tödlichen Unfall gegeben hat? Es ist die Passion der Athleten."

Die Frage der Nachfolge

Im nächsten Jahr wird Mateschitz 70 Jahre alt und hätte damit schon lange das Rentenalter erreicht. Dieser Gedanke beschäftigt auch den Big Boss, der, wenn er nicht gerade auf Fidschi oder im Red-Bull-Firmensitz in Fuschl ist, mit seiner 99-jährigen Mutter auf einem abgeschiedenen Bauernhof in der Steiermark lebt. "Ich erinnere mich immer selber daran, dass es Zeit wäre, in Pension zu gehen. Mein Umfeld versichert mir, dass das keine besonders gute Idee wäre", meinte der Multimilliardär, der sein Arbeitspensum mittlerweile auf drei Tage pro Woche heruntergeschraubt hat. "Meinem vierköpfigen Konzernvorstand sage ich, ihr müsst euch langsam angewöhnen, Entscheidungen irgendwann ohne mich zu treffen, weil ich dann nur noch Holzknecht sein werde."

Mateschitz und Peter Sauber beim Österreich GP 2002, Foto: Sutton
Mateschitz und Peter Sauber beim Österreich GP 2002, Foto: Sutton

An der Red-Bull-Spitze könnte dann womöglich Mateschitz' Sohn nachfolgen, doch diese Entscheidung wurde noch nicht abschließend getroffen. "Er muss es zuerst wollen. Und dann muss er es können. Er wird sicher nicht wie ich Geschäftsführer und Alleinverantwortlicher sein, nur weil er mein Sohn ist", sprach der Vater. "Er glaubt, er muss Betriebswirtschaftslehre studieren, also soll er. Er hat das Herz am rechten Fleck, er ist sehr sensibel, auch so ein Michael Kohlhaas."

Allerdings werde sich sein Spross erst ist anderen Unternehmen beweisen müssen, ehe er bei Red Bull ans Ruder darf. "Sohn sein ist kein Beruf", hob Mateschitz warnend den Finger. "Dann sollte er quer bei uns einsteigen. Es drängt ihn ja auch nichts. Ich habe einen exzellenten vierköpfigen Vorstand. Meine Nachfolge ist kein Problem. Wenn ich morgen nicht mehr ins Unternehmen kommen will, wird man das nicht merken."

Und wo wird man den Oberbullen antreffen, wenn er sich einmal tatsächlich aus dem operativen Geschäft zurückgezogen hat, wann immer das auch sein mag? "Auf meinem kleinen Pick-up, einem John Deere. Ich sitze am Steuer, mein Spitzname ist Husqvarna, hinten die Motorsäge und das Benzin", lächelte Mateschitz. "So fahr' ich in den Wald und schneid' herum, tu pflanzen und Bacherln regulieren."