"Wir arbeiten, während die anderen ihre Eier in den Pool hängen." Ein Satz, der durch die Motorsportwelt ging. Nach Sebastian Vettels öffentlicher Aussage in Folge seines Sieges in Singapur war eigentlich klar, dass dem Weltmeister ein Eiertanz in der Formel 1 bevorstehen würde. Warum Vettel genau diese - eher unübliche - Ausdrucksweise wählte, um Red Bulls Erfolgsschlüssel zu erklären, dürfte sein Geheimnis bleiben. Der Heppenheimer verblüfft von Zeit zu Zeit mit interessanten Wortschöpfungen, doch 'Eier' war bislang nicht in seinem Vokabular zu finden gewesen. Wahrscheinlich war ihm gar nicht bewusst, dass der Konkurrenz der Eier-Spruch überhaupt nicht gut schmecken würde. Wollte Vettel lediglich die eigene Stärke des Teams hervorheben oder den Gegnern eine gewisse Faulheit attestieren?

Klar ist: Es war nicht Vettels Plan, den anderen Teams Rum-Eierei vorzuwerfen, wie er am Rande des Korea Grand Prix betonte. "Ich war ehrlich gesagt etwas enttäuscht", sagte der dreifache Weltmeister. "Wie ich es mitbekommen habe, wurde es falsch dargestellt. Es ging ja nicht darum, was gegen die anderen zu sagen, sondern darum klarzumachen, dass der Erfolg, den wir haben, nicht von ungefähr kommt und dass wir auch zu später Stunde noch dran sind, das Auto zu verbessern." Vettel ruderte also mit seinen Aussagen zurück, wollte sie nicht als Angriff gegen die Konkurrenz verstanden haben. Aber: Er muss sich den Vorwurf gefallen lassen, dass Mitstreiter in der Formel 1 gekränkt sein könnten - schließlich sagte Vettel nicht direkt, dass die anderen Teams auch hart arbeiten.

"Ich fand diesen Kommentar sehr abgehoben", sagte etwa Nico Rosberg. "Er sollte sich vielleicht mal weniger Gedanken um meine Eier machen und stattdessen mehr auf sich schauen." Rosbergs Tonfall war dabei nicht direkt offensiv, doch Vettels Aussagen passten ihm trotzdem nicht. Das würde ja schließlich bedeuten, dass Red Bull härter arbeitet als die Mercedes-Crew in Brackley. "Das war definitiv sehr unangemessen, denn mein Team arbeitet sich den Hintern ab", fand auch Rosberg einen Kommentar, der sich mit dem Bereich unterhalb der Gürtellinie beschäftigte. Vettel könne schließlich überhaupt nicht wissen, wie hart Mercedes für den Erfolg arbeitet. Der Mercedes-Pilot nahm seine Mannschaft in Schutz: "Meine ganzen Jungs im Team sind sowas von fleißig, die arbeiten wie die Wahnsinnigen."

Rosberg kündigte an, das Gespräch auch direkt mit Vettel zu suchen und sich über die Eier-Aussagen unterhalten zu wollen. Er höre nicht immer genau hin, was Vettel so alles sagt, doch dieser Kommentar sei bei ihm hängen geblieben. Bei diesem Gespräch wird ihm der Heppenheimer sicherlich mitteilen, dass er es - wie er auch selbst sagte - nicht böse meinte. Allerdings machte Vettel auch klar, dass er voll und ganz hinter seinem Team steht und dieses vor anderen im Feld sieht: "Man kann schon sagen, dass wir eines der fleißigsten Teams sind und unseren Platz da verdient haben."

Rückendeckung in der Eier-Affäre gab es unterdessen von Adrian Sutil. "Ich glaube nicht, dass er jemanden angreifen wollte", so der Force-India-Pilot. "Er wollte klarmachen, dass Red Bull hart für den Erfolg arbeitet." Sutil verstand Vettels Aussagen nach Singapur auch als eine Art Auflehnung gegen die Buh-Rufe und gewisse Berichte, denen sich Vettel nach seinen Siegen auf dem Podium zuletzt immer wieder ausgesetzt sah. "Es ist schade, wenn man einen guten Job macht wie Seb und das nicht honoriert wird", sagte Sutil. "Das wird nur herunter gespielt und gesagt: Das ist nur das Auto, er kann nichts. Das stimmt nicht. Dann wird er noch ausgebuht, da muss ich ihn in Schutz nehmen. Am Ende zählt, was er leistet. Er gewinnt mit einer Minute Vorsprung - gibt es da noch etwas zu diskutieren? Ich glaube nicht."

In dieser Hinsicht war für Sutil die Diskussion beendet, doch auch der Gräfelfinger kam nicht umhin, die Stärke seiner eigenen Mannschaft hervorzuheben. "Wir arbeiten schon alle hart, aber anscheinend macht das Red Bull besser", so Sutil. "Ich denke aber nicht, dass die mehr tun. Wir stehen auch 24 Stunden im Windkanal. Red Bull ist eben ein großes Team und wir ein kleines - das ist schon ein Unterschied." Normalerweise gibt der Erfolg im Zweifelsfall recht, doch in der Formel 1 ist die Geschichte etwas differenzierter: Es gewinnen häufiger die Teams, denen das größere Budget zur Verfügung steht. Es gibt eine Zwei- bis Dreiklassengesellschaft, das sollte kein Geheimnis sein. Entsprechend kam Vettels Eier-Spruch bei den kleineren Teams nicht allzu gut an, wollte sich doch niemand Faulheit vorwerfen lassen.

"Wir sind nicht so schnell wie sie, aber unsere Leute arbeiten sicher genauso", meinte Kimi Räikkönen. "Es ist eben nicht immer so einfach." Das dürfte auch für Sauber gelten, die wegen fehlender Gelder immer wieder in ihren Weiterentwicklungen gebremst werden und nur mit dem vorhandenen Budget arbeiten können. "Wir arbeiten so lange bis wir denken, dass wir das Maximum herausgeholt haben", sagte Nico Hülkenberg. "Wenn dann bei allen Dingen ein Häkchen dahinter steht, dann können wir unsere Eier auch in den Pool hängen."

Redaktionskommentar

Motorsport-Magazin.com meint: Ich möchte Vettel einmal unterstellen, dass er die anderen Teams mit seinem Eier-Spruch nicht direkt schlechtmachen wollte. Was soll er auch immer antworten, wenn er nach seinem Erfolgsgeheimnis gefragt wird? Ein lustiger Spruch war da eine schöne Abwechslung. Dass wir Medien die Geschichte aufgreifen würden, war auch kein Geheimnis - wann hört man so einen lockeren Spruch denn noch in der glatt gebügelten F1? Aber: Vettel machte auch nach seinem Zurückrudern deutlich, dass er denkt, Red Bull arbeite fleißiger als die Konkurrenz - obwohl er das nur schwierig bis gar nicht einschätzen kann. Dass den anderen das nicht passt, ist verständlich. Andererseits: Vettel kümmert sich eben nicht um die Konkurrenz, schaut ausschließlich auf die eigene Arbeit. Als Weltmeister muss man solch eine Attitüde eben auch einmal an den Tag legen - am Ende gewinnt nur der Stärkste. Deshalb: Gut gemacht Vettel - einfach mal Weltmeister-Eier gezeigt. (Robert Seiwert)