Die Entscheidung, wer im nächsten Jahr der Nachfolger von Mark Webber wird, steht an. Wer wird sie am Ende treffen - Sie, Dietrich Mateschitz, Helmut Marko - oder alle zusammen?
Christian Horner: Am Ende hat Dietrich das letzte Wort, aber mit Sicherheit werden wir uns vorher zusammensetzen und diskutieren, was die beste Option für das Team und für die Zukunft ist.

Halten Sie es nach den Spannungen, die es zwischen Webber und Vettel immer wieder gab, für gut, wieder zwei Nummer-1-Fahrer im Team zu haben, was ja der Fall wäre, wenn Kimi Räikkönen käme?
Christian Horner: Wir wollen die beiden schnellsten Fahrer, die wir haben können. Das ist das Ziel. Und wenn sie sich auf eine gesunde Art gegenseitig pushen, dann bringen sie auch das jeweils Beste aus dem anderen hervor. Ich glaube, jeder der potenziellen Kandidaten würde sehr gut passen.

Der letzte Fahrer, der es aus dem Red-Bull-Nachwuchsprogramm bei Toro Rosso wirklich zu Red Bull geschafft hat, war Sebastian. War es damals noch leichter, weil der Abstand zwischen den beiden Teams noch nicht so groß war?
Christian Horner: Erstens einmal - wir haben seit Sebastian ins Team gekommen ist, keinen neuen Fahrer mehr gebraucht. Jetzt sind wir in der Situation, uns nach einem Ersatz für Mark umschauen zu müssen und ich glaube, die beiden Youngster bei Toro Rosso sind sehr talentiert und verdienen ihren Platz. Wir verfolgen sie und ihre Entwicklung natürlich sehr genau. Was ein bisschen schwierig zu beurteilen ist, ist das Material, dass sie bei Toro Rosso zur Verfügung haben, weil wir keine Daten austauschen dürfen. Aber was wir sehen ist, dass beide in den letzten 18 Monaten sehr große Fortschritte gemacht haben und beide sind sehr ernsthafte Bewerber um den Red-Bull-Sitz.

Aber wäre der Sprung heute noch größer als damals für Sebastian?
Christian Horner: Das schon. Damals waren wir noch kein Team, das Rennen gewonnen hat. Also war das Risiko um einiges geringer. Heute steht deutlich mehr auf dem Spiel, aber die Qualität der beiden ist auch sehr hoch.

Werden Sie auch Sebastian Vettel nach seiner Meinung fragen?
Christian Horner: Sicher werden wir auch mit Sebastian darüber reden, seine Meinung einholen. Er sieht auf der Strecke manchmal Dinge, die wir von außen gar nicht beurteilen können. Er ist ein sehr wichtiges Mitglied des Teams, deshalb ist auch seine Meinung wichtig. Aber letztlich ist es eine Teamentscheidung.

Was würde er sich wünschen, jemanden, mit dem er es vielleicht ein bisschen leichter hat oder eine große Herausforderung?
Christian Horner: Ich denke, er möchte auf jeden Fall jemanden, der ihn pusht. Sebastian hat keine Angst vor irgendwelcher Konkurrenz. Er will jemanden, der ihn pusht und der genauso hart arbeitet wie er, um das Team und das Auto nach vorne zu bringen.

Er hat gerade erst gesagt, dass er nicht immer der "Mr. Nice Guy" ist als den viele ihn sehen. Haben Sie selbst als sein Chef das auch schon zu spüren bekommen?
Christian Horner: Man gewinnt nicht 29 Grand Prix und drei WM-Titel hintereinander mit 26 Jahren, wenn man nur ein netter Junge ist. Man braucht dazu sehr viel Talent, viel Intelligenz, aber auch enormen Einsatz und Hingabe. Sebastian hat das alles. Er fordert Perfektion, aber er will auch selbst Perfektion abliefern. Er nimmt jede Herausforderung 100-prozentig an, ist ein entscheidender Teil des Teams - und wir gewinnen und verlieren als Team. Er erkennt den hohen Wert des Teams an, aber er erwartet vom Team auch den gleichen Standard, den er von sich selbst fordert und den er gibt. Ich persönlich habe mit ihm ein sehr offenes und gesundes Verhältnis, wenn es irgendwelche Probleme gibt, dann reden wir sofort sehr offen darüber.

Red Bull hat immer sehr viel Wert auf Kontinuität gelegt. Im nächsten Jahr ist dann aber vieles neu, neben dem neuen Fahrer auch ein komplett neues Reglement.
Christian Horner: Klar sind die neuen Regeln eine Herausforderung, aber vielleicht ist das dann auch gerade der beste Termin, um einen neuen Fahrer ins Team zu holen. Wenn sich sowieso so viele Dinge ändern, ist das ein logischer Wendepunkt, um auch eine Beziehung zu einem neuen Fahrer aufzubauen. Die Regeln, speziell den Antriebsstrang betreffend, sind nun wirklich sehr unterschiedlich zu den jetzigen und es wird bestimmt interessant sein, zu sehen wie da die verschiedenen Lösungen der Hersteller und Teams aussehen.

Viele Techniker befürchten schon: Die neuen Regeln werden erst recht wieder zu Diskussionen führen, weil sich wieder viele Schlupflöcher finden werden.
Christian Horner: Diskussionen wird es immer geben, die Teams werden immer versuchen, die Grenzen des Reglements weiter hinauszuschieben und die Regeln werden immer einen gewissen Interpretationsspielraum lassen, sodass man versucht, Grauzonen auszunutzen. Das wird es immer geben. Und je mehr Technologie involviert ist, desto stärker wird dieser Trend.