Sehen Sie nach den Erkenntnissen des letzten Rennens in Silverstone Mercedes jetzt als ihren Hauptkonkurrenten in der WM, speziell in der Konstrukteurs-WM?
Christian Horner: Auf jeden Fall sind sie ein sehr starker Gegner, das sehen wir seit Malaysia. Aber ich unterschätze auch Ferrari, Lotus und die anderen nicht. Wir haben dieses Jahr gesehen, dass sich die Formkurve immer wieder ein bisschen verschoben hat und ich glaube, dass das auch so bleiben wird. Aber mit Sicherheit ist Mercedes einer der Hauptgegner.

Wird die neue Reifensituation noch einmal einiges verändern?
Christian Horner: Ich glaube, das wird nur einen sehr geringen Unterschied machen. Es wird hoffentlich vor allem deutlich sicherer werden.

Hatten Sie nach dem Ausgang der Mercedes-Testaffäre eigentlich das Gefühl, dass es da möglicherweise ein abgekartetes Spiel gab, auch durch die Rolle der FIA?
Christian Horner: Ich glaube nicht, dass da von FIA-Seite aus irgendetwas mit Absicht geschehen ist. Vielleicht sind einige Meinungen ein bisschen voreilig geäußert worden, als man eine Lösung gesucht hat. Das ist in dem Tribunal auch klar geworden. Aber da steckte sicher keine böse Absicht dahinter.

Haben Sie sich über gewisse Äußerungen, wie die mit dem "Brause-Produzenten, der Mercedes nicht ewig vor der Nase herumfahren könne", auch geärgert?
Christian Horner: Ganz ehrlich, ich beschäftige mich gar nicht mit diesen Dingen. Ich konzentriere mich darauf, was wir selbst auf der Strecke tun, nicht darauf, was andere Leute sagen. In Wahrheit kann man uns sowieso nicht wegnehmen, was wir in den letzten fünf Jahren erreicht haben - 37 Siege, sechs WM-Titel, über 40 Pole-Positions, mehr WM-Punkte als jeder andere. Das spricht doch für sich selbst.

Es gab diese Geschichte, sie hätten einen "Friedensgipfel" abgelehnt, den eine große deutsche Boulevard-Zeitung mit Mercedes-Sportchef Toto Wolff arrangieren wollte.
Christian Horner: Ich sehe keinen Sinn darin, so etwas als öffentlichen Zirkus zu inszenieren. Wenn Toto mit mir reden will, mir etwas sagen will, dann habe ich da überhaupt kein Problem damit, im Gegenteil. Aber solche Gespräche sollten grundsätzlich privat stattfinden, nicht als Medienereignis.

Haben Sie manchmal das Gefühl, dass in der Öffentlichkeit ihre Rolle als Teamchef nicht genügend anerkannt wird, dass es zu sehr heißt, die Entscheidungen würden sowieso andere treffen, speziell Mateschitz? Besonders auch nach den Vorkommnissen in Malaysia rund um die Teamorder?
Christian Horner: Dietrich ist nun mal der Chef des gesamten Unternehmens sowie Luca di Montezemolo bei Ferrari oder Dieter Zetsche bei Mercedes. Der Unterschied liegt darin, dass Dietrich das Unternehmen auch noch komplett gehört. Ich führe das Team, was das Tagesgeschäft angeht, treffe alle Entscheidungen, wie das Team operiert - und berichte auch durch Helmut Marko sehr direkt an Dietrich Mateschitz. Teamintern ist das alles sehr klar geregelt - auch wenn es vielleicht von außen manchmal gewisse Fehleinschätzungen gibt.

Sie haben selbst eine Vergangenheit als aktiver Rennfahrer. Hilft Ihnen das heute in ihrer Rolle als Teamchef?
Christian Horner: Wobei es mir sicherlich ein bisschen hilft, ist einzuschätzen, durch welche Situationen Fahrer durch müssen, wie sie mit ihnen umgehen. Auch, zu beurteilen, wie sie zum Beispiel mit den Ingenieuren zusammenarbeiten, womit sie sich wohlfühlen und womit nicht. Da war es für mich eine sehr nützliche Erfahrung, auch die andere Seite kennen gelernt zu haben - wenn auch in viel kleinerem Rahmen als die heutigen Formel-1-Fahrer. Und ich habe gelernt, mich auf das zu fokussieren, was wirklich zählt: Das Auto schneller zu machen. Zu 99,9 Prozent ist das eine Frage der richtigen Leute, der richtigen Personen am richtigen Ort. Diese Regeln habe ich immer angewandt, seitdem ich aufgehört habe, selbst zu fahren.