"Den Reiz des Verbotenen kann man nur kosten, wenn man es sofort tut. Morgen ist es vielleicht schon erlaubt." - Jean Genet, französischer Poet. Jean hatte Recht, denke ich mir, als ich mit leicht verschwitzten Händen das formschöne, mit Carbon ummantelte Lenkrad fest umgreife und auszublenden versuche, dass ich gerade ein Auto im Wert eines kleinen Einfamilienhauses unter dem Hintern habe. Genauer gesagt 230.000 Euro kostet der McLaren MP4-12C beim gut sortierten Fachhändler, den ich einen Tag lang fahren, genießen und erleben darf. Der Super-Brite ist nicht nur verboten schön, sondern würde bei jedem Formel-1-TÜV gnadenlos durchfallen und Regelhüter reihenweise in Ohnmacht fallen lassen.

Aktive Radaufhängung? Verboten! Brake Steer? Verboten! Air Brake? Verboten! Was in der Welt der Formel 1 seit Jahren aus Kostengründen nicht mehr erlaubt ist, macht den McLaren MP4-12C zu einem ganz besonderen Straßensportler und lässt ihn aus der Masse der unbezahlbaren Autos hervor stechen. Die Briten haben es tatsächlich geschafft, die Formel 1 direkt auf die Straße zu bringen - für jeden, der es sich leisten kann. Davon bin ich weit entfernt, aber an diesem Tag lasse ich mir den Reiz, einen Sportwagen vollgepackt mit F1-Knowhow zu fahren, nicht entgehen. Also ganz im Sinne Genets sofort rein ins enge Cockpit und los.

Medien-Tag in München. 4 McLaren = 2.500 PS, Foto: adrivo Sportpresse
Medien-Tag in München. 4 McLaren = 2.500 PS, Foto: adrivo Sportpresse

Motorsport-Magazin.com ging für Sie mal wieder auf Tour. Diesmal verschlug es uns ins hinterste Bayern, wo sich Fuchs und Hase noch gute Nacht sagen. Zumindest, wenn wir nicht gerade mit einem 625 PS starken Düsenjet auf vier Rädern durchs Hinterland jagen. Der Sound eines 3,8 Liter Bi-Turbos stört die nächtliche Ruhe doch ein wenig, aber das soll uns heute einfach mal egal sein. Viel zu viel Spaß macht es, das Gaspedal in Richtung Bodenblech zu drücken und das Gefühl zu haben, gerade einen Flugzeugstart mitzuerleben. Die schiere Power des gerade einmal 1,4 Tonnen leichten McLaren ist brachial, anders lässt es sich kaum beschreiben. In Zahlen ausgedrückt: Der Sprint von 0 auf 100 in lächerlichen 3,1 Sekunden, nach etwa 9 Sekunden knackt der MP4-12C die 200er-Marke.

Gigantische Werte, denen man sich aber gar nicht so bewusst wird, wenn man gerade Vollgas gibt. Selbst bei 260 Sachen - natürlich nur auf der Autobahn - liegt der Wagen wie ein Brett auf der Straße. So fühlt sich also eine aktive Radaufhängung live an: adaptive Dämpfer, die hydraulisch miteinander gekoppelt und mit einem gasgefüllten Druckspeicher verbunden sind. Da mir eine Vollbremsung auf der Autobahn dann doch ein wenig zu lebensgefährlich erscheint, verlagern wir das Geschehen auf die Start- und Landebahn eines nahe gelegenen, kleinen Flughafens. Jetzt kann der Spaß beginnen, denke ich mir, drücke den unscheinbaren Launch Control-Knopf in der Mittelkonsole, ein Fuß auf die Bremse, der andere voll aufs Gas. 3.000 Umdrehungen. Fuß von der Bremse. Fliegen.

Coupé oder Spyder? Am liebsten beide..., Foto: adrivo Sportpresse
Coupé oder Spyder? Am liebsten beide..., Foto: adrivo Sportpresse

Der McLaren prescht nur so nach vorn, drückt mich in den Sitz und ein breites Grinsen macht sich unweigerlich in meinem Gesicht breit. Nur fliegen ist schöner? Nein, McLaren fahren toppt jedes mir bekannte Gefühl der Beschleunigung. Aber ich donnere ja nicht um des Grinsens Willen über die Start- und Landebahn - eine Vollbremsung ist das Ziel. Bei 235 km/h - die verflucht schnell erreicht sind - und dem Ende der Piste, steige ich voll in die Eisen. Der McLaren versetzt leicht, bricht aber zu keinem Zeitpunkt aus und dann hat die Air Brake ihren großen Einsatz: Die Unterseite des Heckflügels klappt um 69 Grad nach oben und drückt das Heck förmlich in den Asphalt. Aerodynamik hautnah quasi.

Nach diesem Grenzerlebnis wartet der Handling-Parcours. Zum ersten Mal überhaupt mit einem Sportwagen gelingt es mir, keiner Pylone Schmerzen zuzufügen, die Dinger bleiben auch nach der fünften Fahrt artig stehen. Bin ich inzwischen etwa ein richtiger Rennfahrer geworden? Wäre schön, aber auch ganz schön gelogen. Stattdessen verhindert das geniale Fahrwerk des McLaren ein weiteres, sinnloses Pylonen-Sterben. Das Auto bricht quasi nicht aus und selbst im Track-Modus ist es schwierig, das Heck richtig zu verlieren. Das Brake Steer-System, also das Umleiten der Bremskraft in den Kurven auf das innere Hinterrad, leistet volle Arbeit. Skalpellartig schneidet sich der McLaren präzise durch das enge Kurvengeschlängel. Der emotionale Faktor a la Ferrari oder Lamborghini bleibt dabei ein wenig auf der Strecke, aber für Rennsport-Anfänger wie mich ist der McLaren das reinste Vergnügen. Er verleiht mir fast das Gefühl, als sei ich wirklich in der Lage, einen Sportwagen richtig schnell bewegen zu können. Bin ich nicht, weiß ich auch - aber Spaß ohne Ende macht es auf alle Fälle.

Dass ich es schaffe, sechs Absätze über meinen Ausflug mit dem MP4-12C zu schreiben, ohne dabei auch nur einmal die spektakulären Flügeltüren zu erwähnen, spricht übrigens für das Gesamtpaket der Rennflunder. Ron Dennis, der alte Perfektionist, würde mir das vielleicht als Fehler ankreiden, aber für den McLaren-Boss ist der hauseigene Straßenrenner sowieso über jeden Zweifel erhaben. Oder in Rons Worten: "Man stellt sich doch nicht hin und sagt: 'Ich will den zweitbesten Sportwagen der Welt bauen'. Das wäre dumm..."