Fast drei Wochen nach dem Großen Preis von Malaysia gibt es noch immer kein anderes Thema bei Red Bull als das umstrittene Rennende. Sebastian Vettel hatte sich der Teamorder widersetzt und mit einem riskanten Überholmanöver die Führung von Mark Webber erobert. Nach dem Rennen entschuldigte sich der Heppenheimer bei Webber und seinem Team für sein Verhalten, vor dem Großen Preis von China erklärte Vettel die Situation noch einmal ausführlich.

"Ich hab einen Funkspruch bekommen, den ich nicht verstanden habe. Ich habe ihn gehört, aber nicht direkt verstanden", erklärte er den Anfang der prekären Situation. "Ich bin mein Rennen gefahren und habe mich darauf konzentriert zu gewinnen. Ich habe es in dem Moment nicht begriffen, dass ich für manche etwas Böses getan habe." Als er nach dem Rennen bemerkte, dass er den Funkspruch falsch interpretierte, habe er sich auch sofort schlecht gefühlt. "Als Teammitglied leide ich auch mit dem Team und sehe mich nicht in einer Sonderrolle, sondern als Teammitglied, als einer von vielen. Meine Absicht war es mit Sicherheit nicht, das Team zu hintergehen", erklärte er den Grund für seine Gefühle.

Allerdings würde der Heppenheimer sein Verhalten nicht rückgängig machen: "Ich denke, hätte ich den Spruch verstanden, dann hätte ich genau darüber nachgedacht, was das ganze bedeutet. Und in Anbetracht der Ereignisse der letzten Jahre glaube ich nicht, dass Mark es verdient hätte, dass ich den zweiten Platz behalte und ihn das Rennen gewinnen lasse." Wieso der Dreifachweltmeister der Auffassung ist, sein Teamkollege habe es nicht verdient, den Sieg kampflos einzufahren erklärte er auch. Angesprochen darauf, ob sein Verhalten eine Retourkutsche für die untersagte Unterstützung im WM-Finale des letzten Jahres war, entgegnete er: "Ich glaube, es gibt mehr als Brasilien, das passiert ist. Aber wenn man es so nennen will, dann könnt ihr das so nennen."

"Ich habe nie Unterstützung von dieser Seite gehabt", so Vettel weiter. "Ich habe großen Respekt für ihn als Rennfahrer, auf persönlicher Ebene ist es vielleicht ein bisschen anders, auch basierend auf der Tatsache, was bis jetzt alles passiert ist." Schließlich hätte es in der Vergangenheit 'mehr als eine Sache' gegeben, in der Webber dem Team behilflich sein hätte können, seine eigenen Interessen aber voranstellte. Was genau er damit meint, ließ er allerdings offen. Offen steht der Red-Bull-Pilot auch Gesprächen mit seinem Teamkollegen gegenüber, doch "bis jetzt kam er in der Hinsicht noch nie auf mich zu", so Vettel.

Leute wollen die Wahrheit nicht hören

Der 25-Jährige betonte auch immer wieder, dass es jedem freistehe, ihm zu glauben oder nicht und er es nicht verstehen würde, sollte ihm Webber nicht glauben, dass er den Funkspruch nicht richtig interpretierte. "Ich war immer aufrichtig und habe immer die Wahrheit gesagt, ich wüsste nicht, warum er einen Grund haben sollte, mir nicht zu glauben." Dass der Eklat einen so enormen Nachhall findet, machte er auch der Natur der Menschen fest: "Meiner Meinung nach ist es das Beste, immer ehrlich zu sein, aber manchmal ist die Wahrheit nicht das, was die Leute hören wollen."

Dass er während des Rennens an die Situation in der Weltmeisterschaft dachte, wies der 27-fache GP-Sieger entschieden zurück. "Ich denke nicht an Zahlen, ich denke nicht an Punkte - ich denke an Siege." Rückblickend ist er auch in gewisser Weise stolz darauf, so gehandelt zu haben. "Was den - wenn man es als Tunnel beschreiben will - angeht, glaube ich, kann ich sehr stolz auf mich sein. Ich glaube, als Sportler allgemein versucht man so einen Zustand zu erreichen, wo man praktisch im Tunnel ist und der Autopilot übernimmt." Nur durch dieses Aktiveren der Automatismen könne ein Pilot überhaupt so schnell fahren: "Wenn man dieses Fenster erreicht, dann ist man auch den Tick schneller, als wenn man bewusst versucht: Ich bremse hier, ich lenke hier ein, ich gebe jetzt Gas."

Auf die Frage, ob es ihm etwas bedeuten würde, nicht mehr von der Masse 'geliebt', sondern nur noch respektiert zu werden, antwortete er fast philosophisch: "Letzten Endes hat jeder Mensch die Möglichkeit, für sich selbst zu entscheiden, ob er das gut findet, schlecht findet, ob er jemandem glaubt oder nicht. Ich glaube, das sind Entscheidungen, die wir im täglichen Leben immer wieder für uns treffen, aktiv und passiv." Die Einstellung, es jedem Recht machen zu müssen, wäre ohnehin eine Utopie. "Es gibt verschiedene Geschmäcker und das ist auch gut so. Wenn jeder alles gut finden würde und jeder alles schlecht, dann glaube ich, wären wir nicht so weit, wie wir heute sind."