Traditionell sind seit einigen Jahren alle Blicke auf Red Bull gerichtet, wenn die ersten Testfahrten des neuen Jahres anstehen. Welches Kunststück Adrian Newey wohl diesmal wieder aus dem Hut gezaubert hat, fragt sich die Motorsportwelt mit Spannung. Diesmal wurden die Beobachter schon fast enttäuscht, denn wie drückte es Sebastian Vettel aus: "Wenn wir das alte Auto einfach nur umlackiert hätten, hätte das keiner bemerkt." Während es bei der Konkurrenz aus Mercedes, Fernando Alonso, McLaren und Co. täglich etwas Spannendes zu berichten gab, hielt sich Red Bull vergleichsweise bedeckt. Vettel: "Ich glaube, wir hatten bisher noch keinen Winter, der weniger aufschlussreich war als dieser."

Keine Bestzeiten, keine Kilometer-Weltmeister und wenige technische Innovationen - Red Bull präsentierte sich fast schon langweilig während der Testfahrten. Immer wieder ließ die Truppe verlautbaren, dass sie die Zeitenjagd gern der Konkurrenz überlassen. Sie machten es wahr. Erst zum Ende der Tests hin äußerten sich Sebastian Vettel und Mark Webber erstmals kritisch über das Verhalten des RB9; es war die erste handfeste Unmutsäußerung seitens des Teams. Trotzdem sehen die meisten Beobachter in Red Bull wieder einmal den großen Favoriten. "In den vergangenen Jahren war bei Red Bull alles sehr stimmig und logisch, warum sollte sich das für diese Saison ändern", fragte sich auch Motorsport-Magazin.com Experte Christian Danner.

Das Team:Beim Team gilt das Gleiche wie fürs Auto: Red Bull setzt auf die erfolgreiche Konstanz der vergangenen Jahre. Die Schlüsselpersonen, also Christian Horner, Adrian Newey und Co., besitzen langfristige Verträge und die Mannschaft sollte sich keine Sorgen machen müssen, in naher Zukunft auseinander gerissen zu werden. Die spannendste Personaländerung beim Team war der Abgang von Mark Webbers langjährigem Renningenieur Ciaron Pilbeam, der sein neues Heil bei Lotus sucht. Im Umkehrschluss wechselt Kimi Räikkönens bisheriger Ingenieur Simon Rennie zu Red Bull. Harmonie also an allen Ecken und Enden? Nicht ganz. Unmutsäußerungen gab es kürzlich aus dem Hause Renault.

"Wir sind ob der fehlenden Anerkennung frustriert, immerhin haben wir Ferrari und Mercedes geschlagen", sagte Carlos Tavares, Chief Operating Officer von Renault. Die Situation sei durch Red Bulls Partnerschaft mit Infiniti nicht gerade verbessert worden. Das kleine Störfeuer sollte Horners Truppe jedoch nicht schwächen. Der Teamchef brachte die bevorstehende Aufgabe auf den Punkt: "Unterm Strich müssen wir einfach weiterhin das tun, was wir tun." Klar, dass mächtig Druck auf der erfolgsverwöhnten Mannschaft lastet. Doch Horner ging die Angelegenheit recht gelassen an. "In vielen Dingen werden wir die Saison aufgrund dessen, was wir erreicht haben, entspannter angehen können als in den vorigen Jahren", sagte er. "Dieses Team ist weiter gewachsen, hat sich weiterentwickelt, und wir sind in einer guten Position, mit dem Druck umzugehen."

Red Bull bleibt der große Favorit, Foto: Sutton
Red Bull bleibt der große Favorit, Foto: Sutton

Die Fahrer: Evolution des Autos, Konstanz in der Führungsetage und auch beim Fahrerduo gibt es kaum Neues in Milton Keynes: Sebastian Vettel und Mark Webber bestreiten dieses Jahr ihre fünfte gemeinsame Saison. Es ist kein Geheimnis, dass die beiden nicht die allerbesten Freunde sind, doch das früher angespannte Verhältnis hat sich seit einiger Zeit gelegt. Webber akzeptiert den Nummer-1-Status seines deutschen Kollegen, ist aber in diesem Sinne kein Wasserträger. 2012 lagen die beiden lange Zeit etwa gleichauf, bis Vettel während der Asia-Wochen durch seine vier Siege in Folge wegzog.

Webber wird auch 2013 wieder richtig Dampf machen, schließlich könnte es sein letztes Jahr bei Red Bull sein. Allerdings machte der 36-Jährige kürzlich klar, dass er noch kein F1-Ende in Sicht sieht. "Ich sehe das nicht als mein letztes Jahr in der Formel 1 an", so Webber. "Ich habe hier in den letzten vier Jahren immer nur Verträge für ein Jahr unterschrieben, sogar wenn ich um die Weltmeisterschaft gekämpft habe." Auffällig bei Kollege Vettel: Der Heppenheimer machte diesmal keinen Hehl daraus, dass das Ziel nur die Verteidigung des Titels sein kann - in den Vorjahren hatte er sich bezüglich der Saisonambitionen immer sehr stark zurückgehalten. Schnell wird klar: Auch wenn der RB9 ein paar Zicken macht, geht die Fahrermannschaft mit dem Selbstvertrauen eines Weltmeisters in die neue Saison.

Die Stufennase bleibt dran, Foto: Red Bull
Die Stufennase bleibt dran, Foto: Red Bull

Das Auto: Es stellt sich die Frage, was bei nahezu konstantem Reglement am Weltmeisterauto noch geändert werden muss. Doch ein perfektes Formel-1-Auto gibt es nicht, und so legte auch Adrian Newey am RB8 noch einmal Hand an und stellte mit dem RB9 zwar kein gänzlich neues Auto auf die Räder, aber immerhin eine Weiterentwicklung. Das Prunkstück des Vorgängers, der Voll-Coanda-Auspuff, blieb erhalten und wurde weiter perfektioniert. Inwiefern das Verbot des Renault-Motoren-Mappings das Weltmeisterteam in diesem Bereich trifft, ist unklar. Die Piloten sind mit der Balance ihres neuen Dienstwagens noch nicht rundum zufrieden.

Für Aufregung sorgte bei den Barcelona-Tests der DRD, der am RB9 erstmals installiert war. Die Österreicher testeten den Drag Reduction Device als erstes Team über eine gesamte Renndistanz. Angsteinflößend waren die Rundenzeiten damit jedoch noch nicht. Red Bull ist das einzige Team unter den Top-3 des letzten Jahres, das noch auf eine Radaufhängung mit Pushrods setzt. Vor allem zu Beginn der Saison, wenn die neue Generation der Pirelli-Reifen noch nicht so gut verstanden wird, könnte das ein Vorteil sein, weil die Einstellung des Fahrwerks weniger knifflig ist. Die Zuverlässigkeit des Autos war zwar nicht tadellos, aber auch nicht beängstigend.

Saisonziel: Nichts anderes als die Titelverteidigung an allen Fronten

PRO: Selten war es einfacher, bei Red Bull nach negativen Aspekten zu schauen. Keine Test-Bestzeiten, weniger Kilometer als die Konkurrenz, Ärger mit dem Mapping, konservatives Auto - Angriffsflächen gab es genügend. Aber: Mehr als Weltmeister werden kann man nicht und Red Bull hat seit 2010 das beste Gesamtpaket. Es hätte überhaupt keinen Sinn gemacht, den RB9 völlig umzukrempeln, das Auto ist die Referenz. Der Rest darf jetzt erst einmal aufholen, während Red Bull konsequent mit der gleichen Mannschaft weiterarbeiten kann. Red Bull hat Probleme, die sich viele andere Teams wünschen würden. (Robert Seiwert)

CONTRA: Red Bull hat beim RB9 das Risiko gescheut, tritt augenscheinlich auf der Stelle - im Vergleich zu den gewagteren Konzepten der anderen vier Top-Teams dürfte man so in manchem Fall massiv an Vorsprung eingebüßt haben, ein schnelles Nachrüsten bei revolutionären Ideen könnte sich als schwierig erweisen. Auch was die Haltbarkeit des Boliden betrifft, präsentierte man sich nicht übermäßig stark, hatte bei den Tests nur die fünftbeste Laufleistung - zuletzt in Barcelona lag man diesbezüglich sogar hinter Tochterteam Toro Rosso. Viel gravierender stellt sich das Thema Rückstand jedoch beim Blick auf die Zeiten dar. Auf die absolute Testbestzeit von Nico Rosberg fehlten Red Bull in Barcelona über zwei Sekunden. Spritmenge, Updates und Co. einmal hin und her - aber so sieht kein kommender Weltmeister aus! (Frederik Hackbarth)