Die Testfahrten der Formel 1 sind erst einmal beendet, in Australien wird es ernst. Vor allem die Neueinsteiger waren heilfroh über ihre Einsätze in Jerez und Barcelona, um sich überhaupt einmal mit einem F1-Boliden vertraut zu machen. Motorsport-Magazin.com hat sich die fünf Rookies genau angeschaut und gibt einen Ausblick über deren Leistungsvermögen.

Jules Bianchi

Unverhofft kommt oft. Buhlte Jules Bianchi im Rahmen der ersten beiden Testfahrten noch um ein Cockpit bei Force India und zog sich mit einem zweiten Tagesrang mehr als beachtlich aus der Affäre, saß er bei den finalen Tests für Marussia im Wagen - ausgestattet mit einem Vertrag als Einsatzfahrer für 2013. Bei seinem neuen Arbeitgeber wies der Franzose trotz der geringen Erfahrung mit dem unbekannten Material sogleich Teamkollege Max Chilton in die Schranken und nahm ihm am letzten Testtag rund eine Sekunde ab.

Bianchi ergatterte in letzter Sekunde ein F1-Cockpit, Foto: Sutton
Bianchi ergatterte in letzter Sekunde ein F1-Cockpit, Foto: Sutton

Bianchi entstammt der Ferrari-Nachwuchsschmiede und verfügt über verhältnismäßig viel Formel-1-Erfahrung, da er für die Scuderia sowie Force India in den letzten Jahren an mehreren Testfahrten teilnahm und auch im Rahmen einiger Freier Trainings im Cockpit saß. Aufgrund dessen ist dem 23-Jährigen trotz des schwachen MR02 einiges zuzutrauen und es käme überraschend, sollte er das teaminterne Duell nicht für sich entscheiden. Der Formel-Renault-Vizemeister ist für den Auftakt im Albert Park gerüstet und die kurzfristige Übereinkunft mit Marussia sollte ihm noch einen weiteren Selbstvertrauensschub verliehen haben.
Note: 1

Valtteri Bottas

Von den Rookies des Jahrgangs 2013 gilt Valtteri Bottas als der erfahrenste - der Williams-Neuling durfte vergangene Saison als Freitagsfahrer bereits an 15 von 20 Rennwochenenden im Auto sitzen. Auch bei den Wintertests konnte er anders als etwa Jules Bianchi ein komplettes Programm durchziehen, um in Melbourne optimal vorbereit in seine langersehnte Debütsaison zu starten. Bei den Testfahrten in Jerez und Barcelona legte der Finne in den vergangenen Wochen beeindruckende 514 Runden zurück. Bereits im Laufe der Jerez-Tage war bei Bottas eine Steigerung auszumachen, in Barcelona änderte sich das Bild kaum - mit dem neuen Williams FW35 kommt er gut zurecht, Pastor Maldonado ist zeitenmäßig meist nicht weit weg.

Bottas gilt als pfeilschnell, Foto: Sutton
Bottas gilt als pfeilschnell, Foto: Sutton

Auch Bottas selbst fand bei den Tests: "Wir haben definitiv schon einmal eine gute Basis geschaffen, auf die wir nun aufbauen können. Ich freue mich, dieses Auto weiterzuentwickeln." Damit demonstrierte der Williams-Mann, was sowieso niemandem im Fahrerlager verborgen geblieben ist: Bottas strotzt nur so vor Selbstbewusstsein. Einziger Wehrmutstropfen: Seit seinem GP3-Titel 2011 hat der Finne keine Rennen mehr bestritten, im Vergleich zu manchem Konkurrenten fehlt vielleicht noch etwas aktuelle Wettkampferfahrung.
Note: 2

Max Chilton

Bei den ersten Testfahrten in Jerez zeigte Max Chilton einigermaßen ansprechende Leistungen. Er war zwar meist im hinteren Teil des Feldes zu finden, viel mehr kann man mit dem Marussia aber nicht erwarten. Zumindest den direkten Gegner - die beiden Caterhams - konnte er regelmäßig hinter sich lassen. Ein ähnliches Bild zeigte sich während der ersten Testwoche in Barcelona.

Chilton hatte bei den Tests viel Einsatzzeit, Foto: Sutton
Chilton hatte bei den Tests viel Einsatzzeit, Foto: Sutton

Die Ernüchterung folgte beim zweiten Test in Barcelona. Jules Bianchi unterbot an seinem ersten Testtag die persönliche Bestzeit seines Teamkollegen, der bereits sechs Testtage am Circuit de Catalunya auf dem Buckel hatte, um eine Sekunde. Es bleibt abzuwarten, ob es dem 21-Jährigen über eine Renndistanz gelingt, den Rückstand auf Bianchi zu verringern, über eine schnelle Runde ist ihm der Franzose momentan deutlich voraus.
Note: 3

Esteban Gutierrez

Lernen und Erfahrung sammeln. Unter diesem Motto standen die Testfahrten von Sauber-Neuzugang Esteban Gutierrez. Über die gesamten Barcelona-Tests musste der Mexikaner der Klasse und Erfahrung seines Teamkollegen Nico Hülkenberg allerdings Tribut zollen und verlor regelmäßig rund eine Sekunde im Quervergleich. Sorgen macht das dem Rookie aber nicht. "Er hat mehr Erfahrung als ich. Mein Ziel ist es, den Rückstand so schnell wie möglich aufzuholen", gab sich Gutierrez kämpferisch, der an Hilfe des Deutschen kein Interesse hat. Hülkenberg sei eine Referenz, letztlich würde aber jeder auf sich schauen.

Gutierrez: Extremer Speed, aber manchmal unbeherrscht, Foto: Sutton
Gutierrez: Extremer Speed, aber manchmal unbeherrscht, Foto: Sutton

Abgesehen von Zeiten und Daten hinterließ der Nachfolger von Sergio Perez einen soliden Eindruck. Er leistete sich keine großer Patzer, der Ausreißer nach oben war aber auch nicht dabei. Australien wird der erste Gradmesser für den 21-Jährigen. Die Stärke des Mexikaners könnte sein, dass er die Dinge realistisch angeht. Er würde Schritt für Schritt machen und zunächst ein Gefühl entwickeln wollen. Kein Wort von Punkten oder Platzierungen. "Es macht keinen Sinn, 130 Prozent Risiko zu gehen. Ich versuche, eine gute Pace zu erreichen und mich langsam ans Limit zu bewegen."
Note: 3

Giedo van der Garde

Giedo van der Garde zählt zu den Rookies der kurioseren Art. Mit seinen 27 Jahren gehört der Niederländer schon fast zu den erfahrenen Piloten im Feld - aber auch nur, was das Alter angeht. Nach jahrelangen Anläufen schaffte es der ehemalige GP2-Pilot für 2013 endlich in die Formel 1. Auf der letzten Rille ergatterte er ein Cockpit bei Caterham und fährt an der Seite von Charles Pic. Van der Garde ist sich nicht zu fein, seinem neuen Teamkollegen über die Schulter zu schauen, schließlich kann Pic bereits eine Saison in der F1 vorweisen. Kurios: Van der Garde saß bereits vor sechs Jahren im F1-Boliden, damals testete er für Spyker.

Van der Garde: F1-Debüt mit 27 Jahren, Foto: Sutton
Van der Garde: F1-Debüt mit 27 Jahren, Foto: Sutton

Bei den diesjährigen Testfahrten hinterließ er einen ordentlichen Eindruck. Es ist schwierig, sein wahres Potenzial anhand der Rundenzeiten einzuschätzen; Caterham hinkt noch immer dem Mittelfeld hinterher und van der Garde ging es erst einmal darum, Kilometer zu schrubben. Hier zeigte er sich durchaus fleißig: Zweimal gab es in Barcelona Probleme am Auto, was ihn stark limitierte. Doch van der Garde machte die Scharte wett und legte sich an den anderen Tagen doppelt ins Zeug. An seinem letzten Tag der Spanien-Tests brachte er es auf 126 Runden - die zweitmeisten aller Runden hinter Nico Rosberg. Van der Garde wird nicht der absolute Speed zugeschrieben, dafür kann er mit seiner Motorsport-Erfahrung punkten.
Note: 3