Für Sergio Perez ist es dieser Tage nicht leicht, detaillierte Prognosen abzugeben. Läuft es augenscheinlich schlecht und bemängelt er massive Probleme mit den Reifen, leuchtet auf dem Zeitenmonitor am Ende des Tages auf einmal die Bestzeit auf. So ist das eben bei einem Top-Team, wird sich der Mexikaner denken - doch ihm sind noch weitere Widersprüche aufgefallen. Zwar habe er sich hervorragend bei den Chrompfeilen eingelebt, aber ein großer Kulturschock sei der Wechsel von der familiären Atmosphäre bei Sauber hin ins klinische High-Tech-Technologiezentrum von McLaren in Woking schon gewesen. Wie es sich für einen erst 23-Jährigen anfühlen muss, auf einmal bei den richtigen Profis, den WM-Anwärtern, mitzumischen, kann man sich ausmalen...

Wer nun jedoch glaubt: Alles Friede, Freude, Eierkuchen - der irrt. Perez hegt eine Befürchtung, nicht erst seit dem Barcelona-Test: Der McLaren MP4-28 - ist er nach Lewis Hamiltons Abgang und Jenson Buttons endgültiger Übernahme der Führungsrolle im Team ein ganz und gar auf den Briten zugeschnittenes Auto? Wie groß der Einfluss des Weltmeisters von 2009 in Woking tatsächlich ist, davon hat sich Perez in den vergangenen Wochen selbst ein Bild machen können - und der 37-fache GP-Starter zeigte sich letztendlich doch ein klein wenig überrascht. Wie er seinen Einstand bei seinem neuen Team bewerten würde, wurde Perez unlängst gefragt. Die Antwort fiel, trotz aller augenscheinlichen Bekundungen, wie exzellent die Zusammenarbeit laufe, dann doch eher zurückhaltend aus.

Geschichte nicht wegweisend

Nur kein zweiter Montoya: JPMs McLaren-Karriere endete 2006 unrühmlich, Foto: Sutton
Nur kein zweiter Montoya: JPMs McLaren-Karriere endete 2006 unrühmlich, Foto: Sutton

"Auf einer Skala von ein bis zehn, würde ich einmal sagen... sechs, sieben vielleicht." Natürlich befinde er sich auch weiterhin in der Eingewöhnungsphase, so Perez, der einräumte, dass die Philosophie und das Management bei McLaren schon eine sehr spezielle Sache seien und von Grund auf verschieden zu allem, was er bisher gewohnt war. Nun gilt Sergio Perez, in diesem Fall wahrscheinlich zu seinem Glück, im Fahrerlager wahrlich nicht als Heißsporn oder untemperierter Typ, wie es seinen Kollegen aus Mittel- und Südamerika in der Vergangenheit nur zu gerne zugeschrieben wurde. Beispiel: Juan Pablo Montoya - der Kolumbianer wechselte 2005 zu McLaren, ausgestattet mit einem begnadeten Grundspeed. Doch so richtig warm wurde er mit der kühlen Atmosphäre bei den Briten nie - trotz vereinzelten Erfolgen, endete seine Beschäftigung in Woking nach nur anderthalb Jahren.

"Es gibt aber jedes Jahr und bei jedem Rennen so viele unterschiedliche Umstände bei allen verschiedenen Fahrern. Und es gab auch schon andere lateinamerikanische Piloten, die hier Titel gewonnen haben", machte sich Perez Mut. "Die Nationalität sagt doch sehr wenig aus. Das Wichtigste ist, dass man die richtigen Bedingungen erwischt und ein gutes Auto hat." Letzteres sei der Fall. "Alles hier ist sehr anders zu dem, was ich bisher so kannte - ja, selbst das Auto. Aber schnell ist es", konzentrierte sich Perez auf die positiven Aspekte. "Ich bin mir sicher, dass ich in Austalien dann schon bereit sein werde und eigentlich bin ich auch sehr glücklich: Ich habe mein Leben lang davon geträumt, bei diesem Team zu sein." Doch damit ist er nicht allein.

Anpassung notwendig

Dass sein Stallkollege Button als Brite im britischen Nationalteam der Formel 1 nicht nur akzeptiert, sondern auch vollends angekommen und hochgeschätzt ist, überrascht hingegen wenig. "Jenson ist natürlich auch sehr erfahren und hat eine Menge davon in dieses Auto einfließen lassen", dämmerte dem Mexikaner bereits, worauf er sich da eingelassen hat. Mit Blick auf den MP4-28 stellte er zähneknirschend fest: "Das Auto ist schon etwas an Jensons Fahrstil angepasst, nahezu darauf ausgerichtet. Nun muss ich mich eben daran anpassen." Ein Lichtblick für den 23-Jährigen: Er gilt genauso wie Button als taktischer Fahrer, der durchaus dazu in der Lage ist, reifenschonened zu fahren.

2013 wird das durch die neuen Pirelli-Spezifikationen noch wichtiger - McLaren tat also nicht unbedingt schlecht daran, mit Perez einen auch stilistisch passenden Teamkollegen für Button zu verpflichten. Nun kann man das Auto auf lange Sicht mit beiden Fahrern in ein und dieselbe Richtung abstimmen, gemeinsame Nenner sollte es genügend geben. Dass man trotz starkem Grundpaket in den vergangenen Jahren den Titel verpasste, wurde von vielen Kritikern intern auch an der ewigen Suche nach Kompromissen festgemacht - denn Button und Hamilton: Viel unterschiedlicher ging es in Sachen Vorlieben kaum...