Die Zeiten für Privatteams in der Königsklasse sind hart. 'Die Jahrzehnte des Überschusseses' sind vorbei, wie McLaren-Teamchef Martin Whitmarsh unlängst feststellte. Zwar sagt Formel-1-Chefpromoter Bernie Ecclestone, dass sich die Teams zu Unrecht beschweren würden, sie hätten sogar 'mehr Geld als Gott', doch diese Meinung hat der Formel-1-Zampano exklusiv. Immer mehr Teams stecken in finanziellen Schwierigkeiten, für HRT kam jede Rettung zu spät, auch andere Rennställe wanken bereits.

Blickt man genauer auf die Entwicklung der Teams, sticht eines besonders hervor: Williams. Die Briten haben nicht nur eine bewegte Vergangenheit, auch Gegenwart und Zukunft gestalten sich durchaus interessant. Die Formel-1-Historie von Williams geht bis in das Jahr 1978 zurück. Seitdem startete das Team bei 579 Großen Preisen und rangiert damit auf Rang drei der ewigen Rekordliste. Nur Ferrari und McLaren starteten öfter in einen Grand Prix. Das Team von Firmengründer Frank Williams befindet sich jedoch gerade wie kein anderer Rennstall im Umbruch.

Diversifikation lautet das Zauberwort

Der Traditionsrennstall folgte dem Beispiel von McLaren und stellte sich in der jüngeren Vergangenheit breiter auf. Neben dem Formel-1-Team stellten Adam Parr und Toto Wolff die Weichen für eine Ausweitung des Kerngeschäfts - Williams Advanced Engineering war geboren. Diese Sparte der Williams Grand Prix Holdings hat es sich zur Aufgabe gemacht, in der Formel 1 entwickelte Technik außerhalb der Königsklasse zu Geld zu machen. Der Ursprung des Geschäfts liegt in der Einführung des kinetischen Energie-Rückgewinnungssystems. Während sich die Konkurrenz auf eine rein elektrische Speicherung der Energie konzentrierte, entwickelte Williams ein Schwungrand, das die Bremsenergie einspeist.

Wird der Williams FW35 genauso gut wie sein Vorgänger?, Foto: Sutton
Wird der Williams FW35 genauso gut wie sein Vorgänger?, Foto: Sutton

Das System war zwar hocheffizient, aber aus verschiedenen Gründen für die Formel 1 untauglich. Also machte der Traditionsrennstall aus der Not eine Tugend und verkaufte das Schwungrad an Porsche, wo es im GT3 R Hybrid erste Renneinsätze erhielt. Der Siegeszug der Technologie ging weiter, heute fahren Busse und Straßenbahnen mit Formel-1-Technik. Sogar einen Le Mans-Sieg hat das Schwungrad bereits auf dem Konto. Im Audi R18 e-tron quattro steuert das Williams-Produkt über 200 zusätzliche Pferdestärken zum Gesamtsieg bei.

"Ein Formel-1-Team ist wichtig, es ist die DNA und das Zentrum der Attraktivität des Ingenieursunternehmens", so Christian Danner zu Motorsport-Magazin.com, "aber die Schwungrad-Geschichte, die Williams da zusammenbaut, ist weltklasse." Das Schwungrad ist nur der Anfang von Williams Advanced Engineering. In Katar entstand bereits das Williams Technology Center (WTCQ) in dem sowohl das Schwungrad weiterentwickelt wird, als auch andere Geschäfte vorangetrieben werden.

"Auf diese Art und Weise lässt sich das Risiko reduzieren. Mit dem Sponsoring ist es immer ein Auf und Ab. Es handelt sich um eine Einnahmequelle, bei der es manchmal sehr schwierig sein kann, den Geldfluss vorauszusagen. Und je breiter die Einnahmen gefächert sind, desto besser ist es für das Geschäft", erklärt Adam Parr die Strategie seines Ex-Teams. Zwar könnte momentan ein Ausfall der Öl-Millionen wohl noch nicht abgefangen werden, doch Diversifikation, wie die Ausweitung der Geschäftsfelder im Fachjargon genannt wird, ist ein erster guter Schritt in die finanzielle Unabhängigkeit.

Personeller Umbruch

Ein Sinnbild für die Umstrukturierung ist die Person Patrick Head. Der Mitbegründer des Rennstalls, der zuletzt als Chefingenieur tätig war, wechselte 2012 vom Formel-1-Team zu Williams Hybrid Power Limited, einer weiteren Tochtergesellschaft der Williams Grand Prix Holdings. Dass ein so bedeutender Mann der Firmengeschichte das Kerngeschäft in Richtung Hybridsparte verlässt, verdeutlicht den Weg, den der Traditionsrennstall versucht einzuschlagen.

Doch Head ist nicht die einzige personelle Änderung bei den Briten. Die Fluktuationsrate ist überraschend hoch. Mit Sam Michael, Adam Parr, Mark Gillan und zuletzt Toto Wolff haben gleich vier Schlüsselfiguren den Rennstall innerhalb kürzester Zeit verlassen. Mit Wolff verlor Williams nicht nur einen Investor, sondern auch einen Miteigentümer, "der dem Team eine Vision und eine Zukunft gab", so Ex-Formel-1-Pilot Christian Danner.

Frank Williams: Schon zu Lebzeiten eine Legende, Foto: Sutton
Frank Williams: Schon zu Lebzeiten eine Legende, Foto: Sutton

Besorgniserregend ist derzeit der Gesundheitszustand von Sir Frank Williams. Die Abstände der Krankenhausaufenthalte des 70-jährigen Firmengründers werden immer kürzer und das gesamte Fahrerlager ist in Sorge um das Urgestein. Aktuell leitet seine Tochter Claire Williams die Geschicke, ob sie jedoch die Richtige für eine solche Mammutaufgabe ist, wird von vielen im PS-Zirkus bezweifelt. Die Frage nach einem möglichen Nachfolger ist schwierig, wie auch Adam Parr weiß: "Frank ist für mich wie Bernie [Ecclestone]. Ich mache mir keine Gedanken darüber, was nach ihnen passiert. Sie sind zu groß, um über sie nachzudenken."

Ein Nachfolger von Frank Williams muss für Danner nicht nur die Fäden im Team ziehen können, sondern auch die richtigen Botschaften nach außen transportieren. "Für die Leute ist es wichtig, zu sehen, dass ein neuer Macher da ist, eine neue Idee, eine neue Strategie, eben eine Vision." Wer dem Team wieder eine solche Vision geben könnte, wusste der 54-Jährige auch. "Sie sollen Alexander Wurz verpflichten, das ist der Beste, der ist eine Vision."

In der Tat wäre der Österreicher keine schlechte Wahl für die Nachfolge von Frank Williams. Wurz startete 2007 für Williams in der Formel 1 und holte sogar einen Podestplatz. Nach einem Intermezzo bei Honda und später Brawn GP kehrte er wieder zu den Briten zurück, um als Fahrercoach Bruno Senna und Pastor Maldonado zu unterstützen. Als aktiver Rennfahrer startet der 39-Jährige aktuell für Toyota in der WEC und beim 24-Stunden Rennen in Le Mans.

Außerdem ist der 69-fache GP-Teilnehmer als Geschäftsmann tätig. Der Niederösterreicher gilt in der Formel 1 als hervorragend vernetzt und hat gute Beziehungen zur FIA. Auch seine Nähe zum Mercedes-Benz Motorsportverantwortlichen Toto Wolff könnte im Hinblick auf die neue Motorengeneration und eine mögliche Partnerschaft nicht ganz irrelevant sein. Perfekte Voraussetzungen also, um den Rennstall zu leiten. Gegenüber Motorsport-Magazin.com wollte sich Alexander Wurz zu diesem Thema nicht äußern.

Kommt die sportliche Wende?

In dieser Saison nimmt neben Pastor Maldonado Valtteri Bottas im Cockpit des FW35 Platz. Die Verpflichtung des Finnen rief im Fahrerlager unterschiedliche Reaktionen hervor. Bruno Senna deutete "politische und persönliche Umstände und Beziehungen" an, die sein Aus in der Formel 1 besiegelt haben. Allerdings ist es nur die halbe Wahrheit, zu behaupten, Bottas habe das Cockpit nur wegen seiner Beziehung zu Toto Wolff erhalten. Danner schätzt die fahrerischen Qualitäten des Finnen sehr: "Bottas ist ein absoluter Glücksfall für das Team. Der Mann ist Weltspitze."

Der 23-Jährige hat in der kommenden Saison mit dem Manko der fehlenden Fahrpraxis zu kämpfen. Zwar testete er 2012 freitags bei fast allen Grands Prix, sein letzter Renneinsatz liegt allerdings schon zwei Jahre zurück - damals noch in der GP3-Serie.

Hat Pastor Maldonado auch 2013 Grund zum Jubeln?, Foto: Sutton
Hat Pastor Maldonado auch 2013 Grund zum Jubeln?, Foto: Sutton

In das vielzitierte Übergangsjahr startete Williams mit einem Interimsfahrzeug. Weil der FW35 erst zum zweiten Test in Barcelona das Licht der Welt erblickt, nahmen Bottas und Maldonado in Jerez noch am Steuer eines modifizierten FW34 Platz. Ob Vor- oder Nachteil, bleibt noch abzuwarten. Sollten sich jedoch Problemstellen am neuen Boliden herauskristallisieren, fehlen den Briten vier wichtige Testtage. Weil das Reglement allerdings weitergehend stabil blieb, sind größere Überraschungen nicht zu erwarten.

Interessanter dürfte werden, wie die Mannschaft den Spagat zwischen Weiterentwicklung und Neuentwicklung für 2014 schafft. Zwar dürften die kleineren Teams nicht vor dem 'Dilemma' stehen, gleichzeitig um die Weltmeisterschaft zu kämpfen und ein gänzlich neues Auto aufzustellen, doch eine gewisse Weiterentwicklung am 2013er Fahrzeug ist zumindest notwendig, um das teaminterne Betriebsklima aufrecht zu erhalten und Sponsoren zu bedienen.

Ebenso spannend ist die Frage nach dem Motorenpartner. Wenn 2014 die V8-Aggregate von den 6-Zylinder-Turbomotoren ersetzt werden, gewinnt die Antriebseinheit wieder an Bedeutung, so der allgemeine Tenor. Hier könnten sich die guten Beziehungen zu Toto Wolff bezahlt machen, um an die begehrten Mercedes-Triebwerke heranzukommen. Je früher an dieser Stelle eine Lösung gefunden wird, desto eher kann mit der Konstruktion des 2014er Boliden begonnen werden. Doch die Motorenfrage gleicht einem Roulettespiel, wird sich wohl erst auf der Rennstrecke zeigen, welcher Hersteller den besten Antrieb liefern kann.