Das Team Sauber zeigte in dieser Saison zwei Gesichter. Während die Mannschaft von Peter Sauber vor allem in der ersten Saisonhälfte zur Stelle war, wenn die Reifen die Konkurrenz ins Straucheln brachten, so wirkte es in den letzten Rennen so, als könne das Team selbst einen vor leerem Tor liegenden Ball nicht verwandeln. Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: 80 Punkte sammelte Sauber in der ersten Saisonhälfte, gerade 46 in der zweiten. Dabei war die Chance, das schwächelnde Mercedes-Team abzufangen und Platz fünf der Konstrukteurswertung zu erobern, zum Greifen nah.

"Natürlich sind wir im Moment enttäuscht, dass wir den fünften Rang in der Konstrukteurswertung nicht mehr erobern konnten", räumte Teamchefin Monisha Kaltenborn ein. "Aber wenn wir die Saison mit ein wenig Distanz betrachten, dürfen wir stolz sein darauf, was wir in diesem Jahr erreicht haben. Wir haben vier Podiumsplätze erzielt und insgesamt 126 Punkte eingefahren, das sind 82 mehr als im vergangenen Jahr - eine beeindruckende Steigerung." In der Tat konnte sich das Team beeindruckend steigern und nicht nur wie in Malaysia aus einem verrückten Rennverlauf heraus die Rolle des Favoritenschrecks einnehmen. In Monza, dem Highlight der zweiten Saisonhälfte, erzielte Sergio Perez - wie Kaltenborn betonte - aufgrund des Zusammenspiels von Strategie, Boxenmannschaft, Ingenieuren und Fahrer den zweiten Platz. Eine gekonnte Teamleistung also.

Auch beim Rennen in Japan setzte sich das Team aus eigener Kraft gegen die Stars der Szene durch. Gerade angesichts dieses unverkennbaren Potentials entsteht der Eindruck, dass Sauber 2012 trotz vier Podestplätzen unter Wert geschlagen wurde. Denn die vor der Saison geforderte Konstanz wollte sich nicht einstellen, stattdessen glich der Saisonverlauf einer Achterbahnfahrt. In acht von 20 Saisonrennen blieb Sauber punktelos. Vier Mal sprangen nur ein oder zwei Zähler heraus, in Deutschland und Italien dagegen gleich deren 20. "Wir hätten noch deutlich mehr erreichen können, denn unser Auto gehörte zu den schnellsten im Feld", bilanzierte Peter Sauber. "Doch allzu oft fehlte es an der Effizienz und der Konstanz."

Das Team: Die lange angekündigte Wachablösung an der Spitze kam zwei Tage vor Peter Saubers 69. Geburtstag dann doch etwas überraschend. Monisha Kaltenborn übernahm vor dem Korea GP mit der Rolle der Teamchefin das Ruder, betonte jedoch, dass sich an den Abläufen im Team nichts gravierend ändern wird. Für sie bedeutet die neue Aufgabe vor allem eines: mehr Verantwortung. Doch Kaltenborn ist alles andere als unvorbereitet. "Ich bin ja schrittweise in diese Rolle hineingewachsen. Seit 2000 habe ich die Rechtsabteilung des Unternehmens geleitet, 2001 kam ich in die Geschäftsführung, 2010 wurde ich CEO, seit Ende 2011 halte ich ein Drittel der Firmenanteile", erläuterte die Wienerin mit indischen Wurzeln und fügte hinzu: "Ich bin mir sehr wohl darüber bewusst, was es bedeutet, die Verantwortung für dieses Unternehmen zu tragen, das seit über 40 Jahren existiert und seit fast 20 Jahren in der Formel 1 besteht."

Vor dem Korea GP fand die Staffelübergabe statt., Foto: Sutton
Vor dem Korea GP fand die Staffelübergabe statt., Foto: Sutton

Daher plant sie nicht, Sauber in der Winterpause komplett umzukrempeln, sondern will das Team im Sinne seines Gründers weiterführen. "Das ist Peter Saubers Team, es ist von seinen Werten und seiner Art geprägt und das wird auch so bleiben", betonte sie. Sauber wird weiterhin die Verantwortung für die strategische Ausrichtung des Teams tragen und bleibt Präsident des Verwaltungsrats aller Unternehmen der Sauber-Gruppe. "Es ist nicht der Fall, dass ich die Formel 1 nicht mehr mag oder müde bin", stellte er bei seinem Abtritt als Teamchef klar. Gelegentliche Besuche an der Strecke sind damit nicht ausgeschlossen. Die Aufgabe, Sauber weiter an die Top-Teams heranzubringen, obliegt jedoch hauptsächlich Kaltenborn.

Das Auto: Kaum ein Auto wurde in dieser Saison derart mit Lob überhäuft wie der Sauber C31. Peter Sauber pries ihn als das beste Auto, das Sauber seit dem Formel-1-Einstig 1993 baute. "75 Prozent des Erfolgs liegen allein in der Aerodynamik. Darum beneidet uns der größte Teil der Gegner", schwärmte er. "Die Schwächen des letztjährigen Autos wurden fast zu hundert Prozent ausgemerzt, die Weiterentwicklung ist auf einem hohen Niveau und verläuft sehr effizient", erklärte Kaltenborn. Des Weiteren wurde sie nimmermüde zu betonen, dass der C31 mit allen möglichen Streckentypen und Witterungsbedingungen gut klarkommt. "Wir waren bei heißen Bedingungen gut, und es gab auch Regenschlachten, bei denen wir weit vorne waren."

In der Realität lässt sich dieses Bild jedoch nicht ganz aufrechterhalten. Sergio Perez meinte sowohl in Ungarn als auch beim Saisonfinale in Brasilien, dass hohe Temperaturen Probleme hervorrufen. "Wir können nicht unsere maximale Leistung abrufen", konstatierte er. Ebenso zeigte sich, dass der C31 (noch) nicht auf allen Strecken zu Hause ist. Die Kurse in Ungarn und Singapur erwiesen sich nicht als erfolgreiches Pflaster. In punkto Zuverlässigkeit fielen vor allem die Bremsen negativ ins Licht, da sie den Fahrern bisweilen Schwierigkeiten bereiteten. Jedoch führten weniger technische Defekte, als Kollisionen zu Ausfällen der Sauber-Piloten.

Die große Stärke des C31 war der schonende Umgang mit den Reifen. Doch auch dieser entscheidende Erfolgsfaktor hat seine Kehrseite. Im Qualifying kämpfte vor allem Kamui Kobayashi damit, seine Reifen für eine schnelle Runde in das optimale Temperaturfenster zu bekommen. Unter anderem deshalb verpasster er ganze 14 Mal den Einzug in Q3, Perez scheiterte einmal weniger.

Die Fahrer: Bei beiden Sauber-Piloten zeigte sich, dass Genie und Wahnsinn nah beieinander liegen. Beiden gelang durch souveräne Fahrten in einem eng umkämpften Feld der Sprung aufs Podest, doch oftmals machten sie durch übereifrige Aktionen auf sich aufmerksam. "Es hat den Anschein, als würden die Sauber-Fahrer denken, das Rennen hat nur eine Runde", wetterte Jenson Button nach dem Korea-GP. Nicht ohne Grund wird Kamui Kobayashi daher auch "Kamikaze" oder "Kobacrashy" genannt.

Die Sternstunde des Kamui Kobayashi: der Japan GP., Foto: Sutton
Die Sternstunde des Kamui Kobayashi: der Japan GP., Foto: Sutton

Doch der Japaner zeigte auch, dass er ohne ein Karbonschlachtfeld zu hinterlassen nach vorne preschen kann. Vor allem bei seinem Heimrennen legte Kobayashi einen glänzenden Auftritt hin, hielt McLaren-Pilot Jenson Button trotz abbauender Reifen hinter sich und stieg so als erst dritter Japaner in der Geschichte der Formel 1 aufs Podest. "Ich habe immer gedacht: Wenn man sich rückblickend als Formel-1-Fahrer betrachten will, muss man mindestens ein Mal auf dem Podium gestanden haben", erklärte Kobayashi. "Ohne dieses Bild ist es irgendwie, als wäre man nie dabei gewesen." Trotz dieser Leistung gelang es ihm nicht, sich im Sauber-Cockpit zu halten. Neben knapp bemessenem Sponsorengeld spielte sicher auch eine Rolle, dass er nur selten aus Sergio Perez' Schatten heraustrat. Immerhin beendete er die Saison nur sechs Punkte hinter seinem Teamkollegen auf Rang 12 der Meisterschaft, den er bereits 2011 und 2012 bekleidet hatte.

Während Kobayashi seit dieser Saison einen Podestplatz in seiner Vita führt, kann Perez bereits deren drei vorweisen. Auch ein Platz ganz oben auf dem Podium war für den ebenso talentierten wie ungestümen Mexikaner greifbar. Doch aufgrund eines Fahrfehlers sowie einer nicht ganz optimalen Strategie musste er sich in Malaysia dem späteren Vize-Champion Fernando Alonso geschlagen geben.

Noch beeindruckender waren jedoch seine Fahrten in Kanada und Italien, als er Fabelzeiten aus seinen Reifen holte und Routiniers wie Alonso, Button, Kimi Räikkönen und Felipe Massa zeigte, dass sie sich warm anziehen müssen, wenn er im Rückspiegel auftaucht. "Sergio hat in Monza etwas Magisches geschafft. Er fuhr wie ein Gott", schwärmte Teamkollege Kobayashi. Nach dieser Glanztat folgte jedoch bis zum Ende der Saison eine Dürreperiode, in der nur noch einen einzigen Punkt ergatterte. Insgesamt blieb Perez in dieser Saison ganze 13 Mal punktelos und ließ damit in punkto Konstanz noch reichlich Luft nach oben.

Pro: Die Basis für Erfolg ist absolut vorhanden, das hat das Team mit vier Podestplätzen bewiesen. Das Auto ist schnell und zuverlässig, auch wenn es in diesem Bereich sicher noch Luft nach oben gibt. Mit Monisha Kaltenborn als neuer Teamchefin fand ein Wechsel an der Spitze statt, der aufgrund der langen Vorbereitung jedoch für Konstanz sorgt. Das Team ist also gut aufgestellt, doch an einigen Rennwochenden hakte es, sei es in der Abstimmung oder der Strategie. Wenn das Team jedoch aus seinen Fehlentscheidungen lernt, wird es sich noch näher an die Top-Teams heranschieben und auf lange Sicht vielleicht sogar dem Mittelfeld entwachsen.Annika Kläsener

Contra: Saubers Saison war fraglos gut, doch es reichte nicht zur Krönung. Diese wäre der fünfte Rang in der Konstrukteurs-Weltmeisterschaft gewesen, womit man vor dem großen Werksteam von Mercedes gestanden hätte. Der schweizerische Privatrennstall verspielte diese vermutlich nicht mehr so schnell wiederkehrende Chance aber in den letzten fünf Saisonrennen, denn obwohl Mercedes einen äußerst schwachen Herbst absolvierte, konnten die Stuttgarter ihre Position behaupten. Damit bestätigte sich, dass Sauber wohl doch nicht reif ist, um die allererste Geige in der Formel 1 zu spielen - ähnliches zeigte sich in Malaysia, wo Sergio Perez den Sieg vor Augen die Nerven wegwarf. Philipp Schajer