Pro: Ferrari ist jedes Mittel Recht

von Olaf Mehlhose

Lieber einen Titel am grünen Tisch als nur Zweiter: Auf der Strecke hatte Ferrari den Sieg in der Fahrer-WM hauchdünn verpasst, doch der Traditions-Rennstall aus Maranello war gewillt, auch nach dem letzten Strohhalm zu greifen. Nachdem in den spanischen Medien einige Videos aufgetaucht waren, die zeigten, wie Sebastian Vettel Jean-Eric Vergne beim Saisonfinale in Brasilien während einer Gelbphase überholte, wendeten sich die Scuderia mit der Bitte um eine Klarstellung an die FIA. Auch wenn es harmlos klingt: Hätten Aussichten auf Erfolg bestanden, hätte Ferrari mit Sicherheit Einspruch gegen das Ergebnis eingelegt und auf eine 20-Sekunden-Strafe für Vettel gepocht.

Platz zwei in Brasilien war für Fernando Alonso nicht genug, Foto: Sutton
Platz zwei in Brasilien war für Fernando Alonso nicht genug, Foto: Sutton

Den Stein ins Rollen brachte Fernando Alonso mit einer seiner berühmt-berüchtigten Twitter-Botschaften. "Ich brauche keine Wunder. Ich mache meine Wunder mit richtigen Gesetzen", teilte der Spanier seinen rund 1,2 Millionen Anhängern - und damit auch den Medien - zwei Tage nach dem verpassten WM-Erfolg über die Kommunikationsplattform Twitter mit. Die anschließenden Diskussionen hielten Formel-1-Fans rund um den Globus für einige Tage in Atem, bis die FIA und Formel-1-Zampano Bernie Ecclestone den Streitfall mit eindeutigen Aussagen pro Vettel ein für allemal beendeten.

Der Vorstoß des italienischen Teams hinterlässt dennoch einen faden Beigeschmack, zumal es nicht die erste fragwürdige Aktion der Roten war. Ferrari lotete bereits im Titelrennen mit Red Bull alle erdenklichen Mittel - Siegelbruch in Austin, Überprüfung der Red-Bull-Technik, Gerüchte über Vettel-Wechsel zu Ferrari - aus, um siegreich aus dem WM-Kampf hervorzugehen. Und Alonso, fahrerisch über jeden Zweifel erhaben, ließ immer mal wieder durchblicken, dass Adrian Neweys Genie, nicht Vettel, der Grund für den Gipfelsturm des Kontrahenten sei. Ferrari hat in der Formel 1 immer noch eine Ausnahmestellung, keine Frage, den Umgang mit Niederlagen müssen sie in Maranello noch lernen.

Contra: Ferrari handelte nicht unfair

von Robert Seiwert

Ob "Alonso ein schlechter Verlierer" oder "Unfair. Unfairer. Unferrari" - zahlreiche Medien prügelten nach der Flaggen-Affäre von Interlagos wild auf Ferrari ein. Wo genau sich das Team aus Maranello als schlechter, unfairer Verlierer zeigte, bleibt jedoch unbeantwortet. Klar: Solche plakativen Aufmacher verleiten wesentlich mehr Leser dazu, die teilweise fragwürdigen Artikel anzuklicken. Doch wer sich wirklich für die Formel 1 interessiert, klickt auch News namens "Ferrari bittet FIA um Klarstellung" an. Damit wird auch schnell deutlich, dass Ferrari keinesfalls unfair gehandelt hat.

Ferrari: Alles gegeben und doch nur Zweiter, Foto: Sutton
Ferrari: Alles gegeben und doch nur Zweiter, Foto: Sutton

Dass Maranello den Titel am grünen Tisch ergattern würde, war von Beginn an ziemlich aussichtslos und hätte medial sowohl Ferrari als auch dem Sport erheblich geschadet. Aber was spricht gegen die Bitte einer Klarstellung? Ferrari hat ein Recht darauf und davon profitiert langfristig die Formel 1, denn die FIA wird ähnlich nervige Geschichten wie das undurchsichtige Flaggen-Chaos von Brasilien künftig vermeiden wollen.

Es war keine Überraschung, dass viele Fans und Boulevardmedien auf Ferrari eindroschen. Das Team sparte während der Saison nicht mit diskutablen Aktionen, wie Alonsos Twitter-Attacken oder dem Vermerk, dass eigentlich Newey die Rennen gewonnen habe. Aber das Sticheln und die Psychospielchen gehören in jeder Sportart dazu - schauen Sie sich mal die Geplänkel vor einem Boxkampf an...