Den Singapur-GP kann man aufgrund der beiden Safetycar-Phasen, die ein aufregendes und unvorhersehbares Rennende verhinderten, definitiv als ein "Was wäre wenn"-Rennen bezeichnen. Was wäre gewesen, wenn Lewis Hamilton nicht ausgefallen wäre? Was wäre passiert, wenn Pastor Maldonado das Rennen zu Ende gefahren hätte? Zumindest letzterer hätte wohl den zweiten Saisonsieg von Sebastian Vettel nicht verhindert. Trotz des eher wenig spannenden Rennausgangs, sind die strategischen Entscheidungen hinter den Kulissen und die Rennbedingungen durchaus einer genaueren Betrachtung wert.

Reifenabbau ein Schlüsselfaktor

Auch in der Nacht von Singapur spielte das schwarze Gold eine entscheidende Rolle, Foto: Sutton
Auch in der Nacht von Singapur spielte das schwarze Gold eine entscheidende Rolle, Foto: Sutton

Ein Schlüsselfaktor an diesem Wochenende war der große Performance-Unterschied der beiden Pirelli-Reifenmischungen. Im Qualifying betrug der Unterschied bis zu 1,6 Sekunden. Im Rennen bereitete den Teams die Tatsache Kopfzerbrechen, dass die weichen Reifen nicht im optimalen Betriebsfenster arbeiteten. Aufgrund der rutschigen Asphaltoberfläche des Marina Bay Street Circuit konnten die weichen Reifen einfach nicht genug Grip generieren.

Der Reifenabbau war in Singapur bereits in der Vergangenheit ein rennentscheidender, speziell bei den Hinterreifen, weshalb der erste Stint für die Teams entscheidend war. Teams, die nicht bis Runde 13 oder 14 mit dem ersten Satz superweicher Reifen aus dem Qualifying durchfahren konnten, mussten drei Mal die Box ansteuern. Doch wegen der langen Boxendurchfahrt - sie dauert 29 Sekunden - war es für die Fahrer wichtig, die Reifen am Leben zu erhalten und mit zwei Stopps durchzukommen.

Unter den Strategen gab es den Verdacht, dass Red Bull bei Mark Webber, der nur als Siebter ins Rennen ging, auf drei Stopps setzten könnte. In diesem Fall hätte er Informationen über die superweichen Reifen im ersten Stint und nach dem Wechsel über die weichen Reifen liefern können, was Sebastians Vettel in die Hände gespielt hätte. Tatsächlich waren Webbers Reifen zwei Runden älter als Vettels, wodurch Red Bull den Reifenabbau überwachen konnte. Allerdings tauchten bei Webber Anzeichen für ein übersteuerndes Auto auf, wodurch seine Hinterreifen stärker abbauten und er so oder so drei Mal stoppen musste.

Zweite Safetycar-Phase zerstörte Rennen

In Singapur gab es bislang jedes Jahr eine Safetycar-Phase, dieses Jahr rückte Bernd Mayländer sogar zwei Mal aus. Das erste Safetycar in der 33. Runde fiel genau in die Phase der zweiten Boxenstopps und dauerte sechs Runden. Die meisten der Führungsgruppe versuchten daraus Kapital zu schlagen und kamen zu ihrem zweiten Reifenwechsel an die Box. Fernando Alonso, der schon fünf Runden zuvor reingekommen war, profitierte von dieser SC-Phase am meisten.

Wie in den vergangenen Jahren spielte das Safetycar eine zentrale Rolle bei der Strategie, Foto: Sutton
Wie in den vergangenen Jahren spielte das Safetycar eine zentrale Rolle bei der Strategie, Foto: Sutton

Die zweite SC-Phase in Runde 40 hatte allerdings den größten Einfluss auf das Renngeschehen. Sie führte dazu, dass die Autos weitere drei Runden mit verringerter Geschwindigkeit den Kurs umrundeten, also insgesamt neun Runden hinter dem Safetycar verbrachten. Wenn man dazu noch die zwei Runden zählt, die nicht mehr gefahren wurden, weil das Rennen die zwei Stunden Grenze erreichte, wurde das Rennen um 18% der Renndistanz verkürzt - ein großer Vorteil für jene Piloten, die zockten und versuchten das Rennen ohne weiteren Stopp zu beenden. Ohne Safetycar-Phase hätten die Fans vermutlich wie in Valencia eine aufregende Schlussphase erlebt, in der Fahrer mit alten Pneus von denen mit neueren unter Druck gesetzt wurden.

Des einen Freud, des anderen Leid

Vettel und Alonso gehörten in Singapur zu jenen Fahrern mit alten Reifen. Vettel kam in Runde 10 mit stark abbauenden Reifen zum ersten Mal an die Box, Alonso eine Runde später. Red Bull war mit Webber auf drei Stopps unterwegs und hätte ohne die neun Runden im Schleichtempo vielleicht auch bei Vettel auf diese Strategie gehen müssen. Ferrari hatte Probleme mit Überhitzen der Hinterreifen auf dem Marina Bay Circuit, also kamen die beiden Safetycar-Phasen auch diesem Team gerade recht.

Neben Nico Hülkenberg zählt auch Jenson Button zu den Verlierern der Safetycar-Phasen, Foto: Sutton
Neben Nico Hülkenberg zählt auch Jenson Button zu den Verlierern der Safetycar-Phasen, Foto: Sutton

Im Gegensatz zu Jenson Button, der seine Reifen im ersten Stint schonte und mit ihnen bis Runde 14 kam. Er hatte sich die Reifen aufgespart, um am Ende des zweiten und dritten Stints Vettel mit vier Runden neueren Reifen angreifen zu können. McLaren sah in Singapur sehr stark aus und vielleicht hätte Button es geschafft, Vettel zu schnappen. Zum zweiten Mal in Folge konnte Force India-Pilot Paul di Resta ein starkes Resultat in Singapur einfahren, in diesem Fall mit Platz vier sogar sein bestes Karriereresultat. Di Resta ist ein weiterer Fahrer, der auf einer zwei Stopp-Strategie unterwegs war.

Er kam das erste Mal in Runde 12 an die Box und nutzte die erste Safetycar-Phase für seinen zweiten Stopp, bei dem er nur eine Position an Alonso verlor. Ohne die zweite Safetycar-Phase hätte di Resta auf seinen 28 Runden alten Reifen sicherlich Probleme bekommen. Glücklicherweise waren keine schnellen Dreistopper hinter ihm. Außerdem profitierte er davon, dass Rosberg vor dem zweiten Stopp die Gegner aufhielt und dadurch eine Lücke aufriss, in die sich di Resta wieder einsortieren konnte.

Teamkollege Nico Hülkenberg versuchte es mit einem Stopp mehr, hatte aber durch die erneute Fahrt hinter Bernd Mayländer keine Chance mehr weiter nach vorne zu kommen. Der Deutsche startete von Platz elf auf den weichen Reifen. Seine Strategie sah einen langen ersten Stint vor, doch Hülkenberg steckte im zweiten Stint hinter Kimi Räikkönen und Michael Schumacher fest. Als das Safetycar zum zweiten mal auf die Strecke kam, steuerte er sofort die Box an, um sich neue superweiche Pneus abzuholen und dann zehn Runden lang voll attackieren zu können. Die Strategie ging nicht auf. Im Gegenteil: er verlor bei seinem letzten Stopp in Runde 50 weitere Positionen.