"Man wird nicht Weltmeister, wenn man sich hinter ein Steuer setzt und auf das Gaspedal tritt. Man muss mit Autos groß geworden sein, sich selbst seine Wagen bauen - wenn es sein muss, in einer Scheune", lautete die Maxime von Juan Manuel Fangio. Kein Anderer verkörpert den F1-Mythos der 50-Jahre so sehr wie der in Argentinien geborene Sohn eines Italieners. Jene legendäre Ära, in der geniale Schwerstverrückte ihr Leben in rasenden Benzinbomben für wenig Geld, dafür aber für umso mehr Ruhm riskierten.

Mit seinen fünf Weltmeistertiteln setzte Fangio eine Rekordmarke, die erst 2003 von Michael Schumacher übertroffen werden konnte. In neun Jahren Formel 1 holte der Argentinier 23 Pole Positions, stand 25 Mal auf dem Podest und lag 1.313 Runden in Führung. Seine Erfolgsquote von 24 Siegen in 51 Rennen ist bis heute ungeschlagen.

Mit 39 Jahren galt der Argentinier aus heutiger Sicht als "Renn-Opa", als er sein erstes F1-Rennen für Alfa Romeo 1950 bestritt. Doch mit drei Siegen und dem Vizeweltmeistertitel hinter Guiseppe Farina in der ersten Saison stellte Fangio - von seinen Fans liebevoll "El Chueco" (der Krummbeinige) genannt - klar, dass er an fahrerischem Können und taktischem Geschick der Konkurrenz überlegen war. Für Stirling Moss war der kleine, korpulente Mann aus der argentinischen Pampa der beste Fahrer aller Zeiten.

Zwischen 1951 und 1957 holte Fangio fünf WM-Titel, wechselte dabei immer wieder das Team, wenn er glaubte, andernorts bessere Perspektiven auf Siege zu haben. So saß der ruhige Argentinier mit den tiefblauen Augen und der hohen Stimme immer wieder im besten F1-Auto - von Alfa Romeo über Mercedes bis hin zu Ferrari und Maserati. Für Fangio war sein Auto nie ein Ding aus Metall, sondern ein lebendes Wesen. Fangio reizte im Rennen das Limit zu 100 Prozent aus, überschritt aber niemals die Grenze. "Viele Fahrer hätten mich schlagen können, wenn sie hinter mir hergefahren wären. Sie verloren, weil sie mich überholt haben", machte Fangio keinen Hehl aus seinem Erfolgsgeheimnis.

Das Erfolgsgeheimnis

Juan Manuel Fangio wäre mittlerweile 100 Jahre alt, Foto: Sutton
Juan Manuel Fangio wäre mittlerweile 100 Jahre alt, Foto: Sutton

Hans Herrmann erinnert sich noch gut an die Zeit: "Wie oft hörte ich von den Mercedes-Mechanikern: 'Eine Runde mehr, dann wäre auch das Fangio-Auto kaputt gewesen.' Er hatte im Gegensatz zu einem Beißer wie Moss eben die Geduld, seinen Wagen zu schonen und auf seine große Chance zu warten." Hinzu kam eine unglaubliche körperliche Belastbarkeit. Während die Gegner erschöpft ihre höllenheißen Autos den Ersatzfahrern überließen, harrte Fangio auch nach drei Stunden noch im Cockpit aus wie bei der Hitzeschlacht in Buenos Aires 1955.

Drei Stunden und zwei Minuten dauerte das Rennen, 36 Grad Celsius zeigte das Thermometer im Schatten an - eine Tortur, die nur zwei Fahrer aushielten, ohne sich während der 96 Runden mit ihren Teamkameraden abzuwechseln: Fangio, der das Rennen gewann und sein Landsmann Roberto Mières, der Fünfter wurde. Mercedes-Rennleiter Alfred Neubauer nannte Fangios Sieg später "eine der größten Leistungen seiner Laufbahn".

Denn abgesehen von der Hitze machte Fangio auch der Auspuff seines Silberpfeils vom Typ W196R zu schaffen. Der Auspuff übertrug seine Glut auf eines der Rohre des leichten Rahmens, welches wiederum an Fangios Bein drückte und dessen Haut verbrannte. Um die Schmerzen zu vergessen, stellte sich der Argentinier eine bitterkalte Schneelandschaft vor und fuhr weiter. "Es schien, als hätte er immer noch ein bisschen Reserve", erinnerte sich Moss.

Heute wäre ein F1-Fahrer von Fangios Kaliber von einem Heer an Team-Betreuern und PR-Leuten umgeben, doch Fangio blieb trotz seiner Erfolge ein Champion zum Anfassen. "Er war einfach ein Menschenfreund. Selbst eine Klofrau hat Juan nicht achtlos übersehen", verriet Herrmann. Unvergessen blieb dem Deutschen auch das Abschlusstraining beim Argentinien GP 1955. "Es waren nur mehr zehn Minuten Zeit, und die Reifen meines Silberpfeils waren am Ende. Fangio bekam das - wie alles eben - in der Box mit und ging zu unserem Rennleiter und bat: 'Herr Neubauer, geben Sie doch meinen letzten frischen Satz dem Kleinen!' Ich, 'der Kleine' wie sie mich nannten, war dem großen Fangio wichtig. So war er halt."

Ein geschichtsträchtiges Rennen

Fangio war ein echter Sportsmann, der im Cockpit allerdings nicht nur cool und unbeeindruckt, sondern vor allem auch ein harter Gegner mit dem notwendigen "Killinstinkt" eines geborenen Siegers war. Der Große Preis von Deutschland auf dem Nürburgring 1957 war wie Fangio selbst immer wieder betonte, das beste Rennen seiner Karriere. Um den Titel zu holen, musste der Argentinier auf der Nordschleife gewinnen. Ein verpatzter Boxenstopp ließ ihn auf eine scheinbar aussichtslose Position zurückfallen, doch anstatt aufzugeben, explodierte Fangio förmlich.

Juan Manuel Fangio gewann fünf WM-Titel, Foto: Mercedes-Benz
Juan Manuel Fangio gewann fünf WM-Titel, Foto: Mercedes-Benz

Runde für Runde stellte er einen neuen Rekord auf und schaffte somit das Undenkbare: er gewann das Rennen und holte seinen fünften Titel. Sein Rundenrekord auf dem längsten und gefährlichsten Motodrom der Welt betrug stolze 147 km/h, womit er den bestehenden Rekord um 20 Sekunde nach unten drückte. "Ich glaubte fest daran, dass ich an diesem Tag im Jahr 1957 den Nürburgring bezwingen konnte, dass ich diese Kurven meistern konnte wie niemals zuvor und dass ich die Courage besaß, bis an die Grenze zu gehen", erzählte Fangio in einem späteren Interview.

Ein Jahr später brach Fangio die Saison abrupt ab und entschloss, seine Karriere zu beenden. Mit fünf Titeln brauchte er niemandem mehr etwas zu beweisen und so verließ er die Boxengasse mit den Worten: "Ich bin fertig." Am 17. Juli 1995 verstarb Juan Manuel Fangio im Alter von 84 Jahren an einem Nierenleiden in Buenos Aires. Am 24. Juni 2011 wäre der hinter Michael Schumacher zweiterfolgreichste F1-Pilot aller Zeiten 100 Jahre alt geworden.

Der History-Artikel über Juan Manuel Fangio stammt aus unserem Printmagazin Motorsport-Magazin. Mehr Technikhintergründe, Interviews und Reportagen lesen Sie im Motorsport-Magazin - im gut sortierten Zeitschriftenhandel oder am besten direkt online zum Vorzugspreis bestellen: