Adrian Sutil hat es nicht einfach an diesem Wochenende - die Affäre, die schon vor fünf Wochen beim China GP begann, hat ihn eingeholt. Seit Eric Lux, Partner von Gerard Lopez in der Investmentfirma Genii und damit Mitbesitzer von Renault, am Dienstag über seine Genfer Anwälte erklären ließ, er werde gegen Sutil Anzeige wegen schwerer Körperverletzung erstatten, und darüber auch die FIA und Sutils Team Force India informieren, wollen alle wissen: Was passierte Sonntag Nacht nach dem China GP in der Edeldisco M1nt in Shanghai?

Die Fakten sehen wohl so aus: An einem von Lux für seine Renault-Leute reservierten Tisch, an dem auch Sutil und sein Rennfahrerkumpel Lewis Hamilton saßen, die dort den Sieg des Briten feierten, entwickelten sich - nicht zuletzt durch aggressiv auftretende Security, die der Club Hamilton an die Seite gestellt hatte - Spannungen.

Bei Adrian Sutil geht es neben der Strecke heißer her, Foto: Sutton
Bei Adrian Sutil geht es neben der Strecke heißer her, Foto: Sutton

Alkohol war dabei natürlich auch im Spiel, irgendwann soll dann Flüssigkeit aus einem Glas in der Hand der Freundin von Lux auf Sutils Hose gelandet sein. Der stand nach einem Augenzeugenbericht auf, wollte sich revanchieren und Lux den Inhalt seines Glases ins Gesicht schütten. Aber wie das so ist, in nicht mehr ganz nüchternem Zustand leiden auch Selbsteinschätzung und Koordination.

Die Bewegung geriet ein bisschen zu kräftig, zu schwungvoll und zu ungezielt, das Glas landete am Hals von Eric Lux, zerbrach - und verursachte eine Schnittwunde, die mit mehr als 20 Stichen im Krankenhaus genäht werden musste. Wobei die Ärzte Lux dann auch noch sagten, er habe Glück gehabt, ein Zentimeter weiter und die Halsschlagader wäre getroffen gewesen.

Die Frage, die bleibt: Lux will das ganze offenbar als absichtlichen Angriff sehen, als "Schlag" - was viele in der Formel 1 dann doch sehr verwundern würde. "Ich kenne Adrian absolut nicht als aggressiven Typ, der zuschlagen würde", sagt auch Mercedes-Sportchef Norbert Haug. Ohnehin gilt auch in diesem Fall für Sutil die Unschuldsvermutung.

Sutil mit Manager Zimmermann, Foto: Sutton
Sutil mit Manager Zimmermann, Foto: Sutton

Dass es einen unglücklichen Unfall gegeben habe, bei dem er unabsichtlich jemanden verletzt habe, gab Sutil ja bereits letzte Woche zu, als die Geschichte erstmals - in Italien - öffentlich wurde. Deutschsprachige Medien, die schon seit dem Türkei-Wochenende Bescheid wussten, hatten bis dahin dicht gehalten. Vor allem, um eine da noch scheinbar von allen Seiten angestrebte gütliche Einigung ohne Öffentlichkeit nicht zu gefährden.

Doch die scheiterte - Sutil-Manager Manfred Zimmermann glaubt, dass Lux daran auch gar kein Interesse mehr habe, dass es "der Gegenseite nur noch darum geht, Adrian zu schaden."

Gespräche über eine mögliche Spende an eine wohltätige Organisation, "was wir angeboten haben" - statt eines persönlichen Schmerzensgeldes, an dem der Milliardär Lux, der zusammen mit Partner Lopez etwa beim Verkauf von Skype vor einigen Jahren kolportierte 3,1 Milliarden Euro verdiente, ja gar nicht wirklich Interesse haben kann, kamen zu keinem Ergebnis.

Die Ereignisse gingen an Sutil nicht spurlos vorbei, Foto: Sutton
Die Ereignisse gingen an Sutil nicht spurlos vorbei, Foto: Sutton

Dann ging Lux - über die Anwälte - in die Öffentlichkeit. Merkwürdig dabei: "Bis jetzt liegt noch gar keine Anzeige vor", so Zimmermann. Sie soll allerdings inzwischen sozusagen auf dem Weg sein und erst einmal in vier Sprachen übersetzt werden.

Trotzdem: Diese Vorgehensweise wundert auch andere - die FIA zum Beispiel, wo man erst einmal überhaupt nichts unternimmt. Man beobachte, heißt es da, aber solange überhaupt nichts Konkretes da sei...

Im schlimmsten Fall könnte die FIA natürlich über den Paragraphen 151 im Regelwerk, "sportschädigendes Verhalten," gegen Sutil vorgehen, auch eine Sperre aussprechen - wobei Insider das nur dann für möglich halten, sollte es wirklich zu einer rechtskräftigen Verurteilung kommen.

Auch Bernie Ecclestone steht entgegen anderslautender Pressemeldungen eher auf Sutils Seite, will wohl versuchen, noch einmal zu vermitteln, bevor aus der ganzen Sache ein noch größerer Schneeball wird, der ja im Endeffekt der Formel 1 auch alles andere als dienlich ist.

Damit es niemand falsch versteht: Natürlich ist es - gerade als in der Öffentlichkeit stehender Formel-1-Fahrer - nicht besonders schlau, in einer Disco beim Feiern so viel zu trinken, dass man seine Aktionen nicht mehr so ganz unter Kontrolle hat.

Und natürlich haben beide Beteiligten noch Glück gehabt, dass der Zwischenfall nicht noch schlimmer ausging - auch Sutil, der ja ganz genau weiß, einen Fehler gemacht zu haben, und das ja auch zugibt.

Wie geht es weiter mit Sutil?, Foto: Sutton
Wie geht es weiter mit Sutil?, Foto: Sutton

Aber die Frage, was einen Mann wie Eric Lux umtreibt, so zu agieren, wie er nun agiert, stellt sich schon. Geld kann es bei ihm nicht sein, ein Platz für einen "seiner" Fahrer aus der Genii-Nachwuchstruppe auch nicht - sollte Sutil bei Force India tatsächlich Probleme bekommen, stünde dort bereits Nico Hülkenberg bereit. Spricht also vieles für gekränkten Stolz, den Versuch, dem anderen zu zeigen, wie viel stärker und mächtiger man doch ist.

Aber muss man dafür wirklich versuchen, einem Fahrer die Karriere zu zerstören, nur um so etwas zu beweisen? Ist das nicht ein bisschen viel der Strafe für etwas, das zwar ungeschickt und falsch, aber auch nicht gerade ein Schwerverbrechen war?

Sicher, es hätte viel böser ausgehen können - aber gibt es dafür jetzt schon vorauseilende Strafen? Man könnte doch auch sagen, durch den Imageverlust - es bleibt ja immer etwas hängen - ist Sutil schon genug gestraft. Wie wäre es damit, eine Entschuldigung, und zum Beispiel eine Spende in vernünftiger Höhe, an ein soziales Projekt zu akzeptieren und das Thema dann endgültig abzuschließen?