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am vergangenen Rennwochenende auf dem Lausitzring lief es richtig gut für mich: Ich stand in allen drei Rennen auf dem Podium und konnte das letzte am Sonntag gewinnen - mein siebter Erfolg nach den ersten 15 Saisonrennen. Den Weg dorthin konnte ich meist schon im Qualifying ebnen. Bislang startete ich acht Mal von der Pole ins Rennen und da das Überholen im Formel 3 Cup selbst mit dem Push-to-Pass-System ziemlich knifflig ist, ist Startplatz 1 umso wertvoller. Deshalb möchte ich euch heute einmal etwas über die Besonderheiten des Qualifyings berichten.

Die Jagd nach der Bestzeit ist jedes Mal aufs Neue eine spannende und meist extrem knappe Angelegenheit. Für die Pole muss so ziemlich alles ineinander greifen. Grundvoraussetzung ist, all die wichtigen Daten - also Brems- Referenz- und Schaltpunkte - im Kopf zu haben. Natürlich spielen auch die äußeren Bedingungen eine wichtige Rolle. Wenn ich beispielsweise Gegenwind habe, kann ich am Ende einer Geraden etwas später bremsen und dadurch Zeit gewinnen. Herrscht in Kurven stärkerer Gegenwind, weiß ich, dass das Auto besser auf der Strecke liegt und ich noch ein bisschen mehr pushen kann.

Foto: F3V
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Eine ganz wichtige Rolle spielt auch das Reifen-Management. Ein guter Qualifying-Fahrer weiß, wann die Reifen ihren Peak - also die Stelle, an der sie am besten funktionieren - erreichen. Dann gilt es, auf dieser schnellen Runde einfach alles richtig hinzubekommen. Mit dieser Situation kommt der eine Pilot besser zurecht, der andere hat vielleicht etwas größere Probleme und pusht zu hart oder überfährt das Auto. Ich denke also schon, dass es so genannte Qualifying-Spezialisten im Rennsport gibt.

Jedes Qualifying ist auch immer eine Kopfsache. Ich bereite mich so darauf vor: Bevor ich auf die Strecke fahre, gehe ich im Cockpit noch einmal voll in mich und fahre die Runde vor meinem inneren Auge ab. Dabei spiele ich die verschiedenen Abläufe ab, also wann und wo ich bremse, schalte und einlenke. Dann geht es raus zur ersten Runde, auf der ich erst einmal meine Referenzpunkte setze. Meist pushe ich ab der dritten Runde voll und versuche, alles zu 105 Prozent möglichst gut hinzubekommen. Das ist meine allgemeine Strategie, aber alles ist natürlich immer streckenabhängig.

ISpa-Francorchamps ist mit etwa sieben Kilometern eine extrem lange Strecke. Dort konnte ich meine Reifen schon in der ersten Runde aufwärmen und ab der zweiten attackieren. Im Gegensatz dazu war der Sachsenring recht kurz. Dort benötigte ich zwei Runden, bevor ich auf Zeitenjagd gehen konnte. Es kommt also auf die Streckenverhältnisse und das Wetter an. Wenn es etwa regnet, zählt jede einzelne Runde.

Foto: F3V
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Häufig werde ich gefragt, ob ich nach einer schnellen Runde direkt weiß, ob es für die Pole reicht: Ich kann sagen: Ich bin mir meist sicher, ob es für die erste Startreihe ausreichend war. Wir Fahrer haben - trotz der Hundertstelsekunden, die oft entscheidend sind - ein sehr gutes Gespür für den Speed. Die Zeiten aus dem Training sind ein guter Anhaltspunkt und vor dem Qualifying rechne ich mir aus, welche Rundenzeit zur Pole reichen könnte. Am Nürburgring - dem einzigen Rennwochenende dieses Jahr, wo ich nicht zur Doppel-Pole fuhr - merkte ich schnell, dass es nicht für ganz vorn reichen würde. Statt mich auf die Einlenk- und Bremspunkte zu konzentrieren, habe ich mich von Problemen an meinem Auto irritieren lassen.

Da wären wir wieder beim Thema 'Kopfsache': Im vergangenen Jahr im ADAC Formel Masters steckte ich während des Qualifyings manchmal im Verkehr fest, konnte deshalb keine wirklich schnelle Runde fahren und regte mich darüber jedes Mal auf. Daraus habe ich gelernt, denn es bringt überhaupt nichts, sich zu ärgern. Es ist viel wichtiger, immer cool zu bleiben und es beim nächsten Run erneut zu versuchen. In meinen bislang zwei Saisons im Formel-Boliden klappt das bislang ziemlich gut: Insgesamt startete ich 15 Mal von der Pole.

Im Formel 3 Cup ist nach den ersten fünf Rennwochenenden des Jahres nun erst einmal Halbzeit. Ich freue mich darauf, ein bisschen zu entspannen, aber genauso sehr, wenn es wieder losgeht. Aktuell führe ich die Gesamtwertung mit 85 Zählern Vorsprung auf meinen Lotus-Teamkollegen Artem Markelov ein. Das ist ein super Ergebnis in meiner F3-Rookie-Saison, aber ich weiß, dass es noch ein langer Weg ist. Drückt mir weiterhin die Daumen und bis zum nächsten Mal, wenn ich vom Rennwochenende am Nürburgring berichte!