In Le Mans haben wir eines der besten DTM-Rennen überhaupt gesehen - zahllose Kämpfe, eine unbeschreibliche Dramatik um den Titel, der zeitweise schon vergeben schien. Das war DTM at its best. Die Wetterbedingungen waren in Le Mans am Start noch schwieriger vorherzusehen als am Nürburgring, da ein extrem starker Wind herrschte. Die Entscheidung von Mercedes, gerade angesichts des starken Winds mit Regenreifen loszufahren, war zu diesem Zeitpunkt falsch. Ein Fehler, den Norbert Haug eingestanden hat.

Timo Scheider ist am Start extrem gut weggekommen, Mattias Ekström und Tom Kristensen haben mitgespielt und ihn problemlos einfädeln lassen. Dass Timo jedoch überhaupt von seinem fünften Startplatz aus starten durfte, wurde bei Mercedes nicht mit Wohlgefallen aufgenommen: Nach dem Qualifying fehlte bei Timo ein Barcode am Reifen - gemäß Reglement ein Grund, ihn ans Ende der Startaufstellung zu versetzen. Nachdem sich jedoch Dunlop dafür verbürgt hat, hier einen Produktionsfehler gemacht zu haben, durfte Timo von seinem regulären Startplatz aus starten.

Mehr Klarheit gewünscht

Wie immer gibt es bei dieser Entscheidung zwei Sichtweisen. Prinzipiell sollte man aber daran arbeiten, Interpretationsspielraum im Reglement besser auszuschließen als bisher. Die Regeln müssen für den Zuschauer verständlich umgesetzt werden. Wenn man die beim letztjährigen Barcelona-Rennen vergebenen Strafen mit den diesjährigen vergleicht, tun sich Unterschiede auf. Warum wurde Mika Häkkinen nach seinem Manöver gegen Martin Tomczyk beim folgenden Rennen um zehn Startplätze nach hinten versetzt, Mattias in diesem Jahr hingegen nicht? Die fehlende Konsequenz der Entscheidungen provoziert sowohl bei den Beteiligten als auch bei den Zuschauern Unmut.

Schon nach wenigen Runden schien es in Le Mans für Audi ein sehr einfaches Rennen zu werden. Dass Paul di Resta noch vor Öffnung des Boxenstoppfensters auf Trockenreifen wechseln musste, hat ihm auf Timo weitere 30 Sekunden Rückstand eingebracht. Timo war im ersten Renndrittel sehr gut unterwegs; dennoch hat Paul mit um bis zu zwei Sekunden schnelleren Runden als Timo gezeigt, was in ihm steckt. Timo war über das ganze Wochenende hinweg nicht ganz zufrieden mit seinem Auto - und hinterließ auch im Rennen keinen so starken Eindruck wie gewohnt.

Schadensbegrenzung bei Audi

Bei der Entscheidung, Timo bei seinem zweiten Pflichtstopp auf Slicks zu stellen, hat sich Audi voll auf die Wettervorhersage verlassen, die bis zu diesem Zeitpunkt völlig zuverlässig gewesen war. So haben sich schließlich an den Kommandoständen von Audi und Mercedes die Fehlentscheidungen ausgeglichen. Ob man Timo nach seinem zweiten Stopp gleich auf Trockenreifen hätte belassen sollen - wie bei Alexandre Prémat geschehen - ist hypothetisch. Alexandre hatte nicht viel zu verlieren, Timo hingegen alles.

Auch in Le Mans erlebte Tom Kristensen eine Enttäuschung - ebenso wie Martin Tomczyk, Foto: Audi
Auch in Le Mans erlebte Tom Kristensen eine Enttäuschung - ebenso wie Martin Tomczyk, Foto: Audi

So war es verständlich, dass Audi nachträglich noch auf Regenreifen gewechselt ist, denn der zusätzliche Boxenstopp war verglichen mit einer Nullrunde für Timo das kleinere Übel. Für den Meisterschaftskampf war es ein tolles Szenario, die beiden Protagonisten auf den letzten Runden im direkten Duell zu sehen, bevor sie sich beim Saisonfinale mit nur zwei Punkten Unterschied duellieren werden.

Dort bleiben hoffentlich grenzwertige Manöver gegen den Titelkandidaten des gegnerischen Lagers aus. In Le Mans ist Alexandre Paul mittig ins Auto gefahren - ein gerade in dieser frühen Phase zu hartes Manöver. Zu einer weiteren strittigen Situation kam es in der Schikane, wo Paul außen vorbeifahren wollte und Alexandre kompromisslos seine Linie gefahren ist, ohne zurückzustecken. Alexandre ist im Zweikampf mit Paul über die Grenze gegangen - unabhängig von Pauls Meisterschaftsposition. Die ohne nicht sonderlich harte Pitstop-Penalty war somit völlig angemessen.

Vorbild Timo Scheider

Ein weiteres deprimierendes Rennen hat Tom Kristensen erlebt. Tom kam von der Pole aus relativ gut weg, dann hat er jedoch etliche kleine Fehler gemacht, die ihn ein besseres Ergebnis gekostet haben. Wieder hat sich bestätigt, dass Tom und die DTM einfach nicht zusammenpassen wollen. So könnte für 2009 Bewegung bei der Besetzung der Audi-Neuwagencockpits zu erwarten sein - auch nachdem Martin Tomczyk in diesem Jahr nicht an die Leistungen der Vorsaison anknüpfen konnte. Martin ist jahrelang mit Top-Material gefahren. Wenn Timo in diesem Jahr Meister wird, haben zu Martins Zeit bei Abt-Audi drei seiner Teamkollegen mit den gleichen Fahrzeugen den Titel gewonnen.

Vor knapp drei Jahren hat Audi Timo ins Team geholt. Die Entscheidung, einen unverbrauchten Piloten in die Mannschaft aufzunehmen, hat sich für die Ingolstädter ausgezahlt. Für die Audi-Verantwortlichen sollte es ein positives Signal sein, dass sich diese Erfolgsgeschichte auch mit anderen jungen, talentierten Piloten im Neuwagencockpit wiederholen könnte.

Oliver Jarvis hat in Le Mans ein dezentes Wochenende erlebt, jedoch in seiner Debütsaison insgesamt überzeugt. Alexandre hat sich in seiner Performance nach einigen schwächeren Rennen gefangen. Der Titelgewinn im Audi R10 gemeinsam mit Mike Rockenfeller hat ihm ebenso gut getan wie Mike. Aus dieser Dreiergruppe ließe sich durchaus eine gute Besetzung für die möglicherweise frei werdenden Abt-Audi-Cockpits gewinnen.

In Hockenheim muss Audi aufpassen, dass sich die vergebene Chance von Le Mans nicht rächt. Mercedes und Paul sind nun im Aufwärtstrend - der psychologische Vorteil liegt bei ihnen. Doch auch die Ingolstädter wissen mittlerweile, was sie in Hockenheim können. Fahrerisch werden sich Timo und Paul die Waage halten: Timo liegt der der Hockenheimring; hier hat er seinen ersten Podestplatz eingefahren. Paul hat hier zu Saisonbeginn die schnellste Rennrunde gefahren - und schon zu Gebrauchtwagenzeiten mehr als nur Achtungserfolge gefeiert.