Nürburgring, Brands Hatch, Barcelona: Mit nahendem Saisonende setzt sich die Reihe der spannenden DTM-Rennen fort. In Spanien haben wir die Action, aber auch die Brisanz erlebt, die wir uns für den Meisterschaftsendspurt wünschen. Einige Berührungen und eine ungewöhnlich hohe Zahl an Sportstrafen trüben keineswegs den Eindruck von einem sehenswerten und vor allem fairen Meisterschaftskampf, der sich mittlerweile in ein Duell verwandelt hat: So bot sich an der Spitze der Kampf der mittlerweile gewohnten Speerspitzen der beiden Hersteller dar.

Timo Scheider hatte einen tollen Start, Pole-Sitter Bernd Schneider hingegen zu viel Wheelspin. Im Training hatte sich allerdings schon angedeutet, dass Mercedes auf dem Long Run speziell bei wärmeren Temperaturen am Ende einen Vorteil haben könnte. So hat die Strecke hat im Grunde nur eine mittelschnelle bis schnelle Ecke, die dem Audi zu Gute kommt - die übrigen Kurven sind eher langsam und verlangen ein frühes Hochbeschleunigen aus dem zweiten Gang. Hier hat der Mercedes traditionell einen Traktionsvorteil.

Eine Frage der Zeit

Ist - wie bei Audi - der Reifenverschleiß auf der Hinterachse etwas zu hoch, tut man sich in Barcelona doppelt schwer. In dieser Situation konnte Paul di Resta permanent Druck auf Timo ausüben. Es war nur noch eine Frage der Zeit, bis Timo einmal etwas zu viel rutscht und Paul passieren lassen muss. Dass Timos Handlingprobleme auch durch seinen ersten Reifenwechsel nicht gelindert wurden, überraschte zwar, kann aber vielfältige Gründe haben: Möglicherweise hat Audi beim ersten Boxenstopp eine kleine Änderung am Reifendruck vorgenommen, die in die falsche Richtung gegangen ist. Timo hat stark gekämpft, hat dann aber auch Paul nachgegeben - und ist damit gewohnt abgeklärt und clever gefahren. Paul und Timo waren erneut, auch im jeweiligen Lager, eine Klasse für sich.

Die lange Reihe an Strafen hatte bereits am Samstag ihre Wurzeln: Tom Kristensen war der Meinung, dass Gary Paffett ihn am Einzug in die dritte Session gehindert hat. Sein Ärger war zunächst durchaus verständlich: Auf seiner zweiten fliegenden Runde ist er zuerst auf Bruno Spengler aufgelaufen, dann am Ende der Runde auf Gary Paffett. Er wurde von Gary in der Tat leicht behindert, aber nach meinem Eindruck nicht erheblich. In der Inlap hat Tom die Schikane im dritten Sektor abgekürzt, ist Gary bei der Einfahrt in die Boxengasse zwei Mal aufs Heck gefahren und hat ihn dann an einer so ungeeigneten Stele überholt, dass ein Offizieller zurückweichen musste.

An der Boxeneinfahrt ließ Tom Kristensen die gewohnte Professionalität vermissen, Foto: DTM
An der Boxeneinfahrt ließ Tom Kristensen die gewohnte Professionalität vermissen, Foto: DTM

Aus der Sicht des Fahrers im Cockpits sieht eine solche Situation zwar immer anders aus als für den Zuschauer. Generell hat Tom in dieser Situation aber nicht professionell agiert. Wer acht Mal die 24 Stunden von Le Mans gewonnen hat, sollte auch die Entscheidung der Rennleitung für eine Rückversetzung um zehn Startplätze mit mehr Einsicht aufnehmen. Tom scheint mit seiner Situation in der DTM sehr unzufrieden zu sein. Mal ist er vorn, dann dreht er sich, ein anderes Mal missglückt ihm ein Start - während ein Teamkollege gute Chancen hat, die Meisterschaft für sich zu entscheiden. Er wird sich gut überlegen, ob eine weitere Saison in der DTM für ihn sinnvoll ist. So ist es nicht auszuschließen, dass bei Audi ebenso wie bei Mercedes einige Veränderungen bei der Besetzung der Neuwagencockpits zu erwarten sind.

Was den Start von Gary Paffett angeht, so war die Lage eindeutig: Solange das Reglement die Möglichkeit gibt, in dieser Situation Einspruch einzulegen, ist dagegen nichts einzuwenden. Aus Garys Sicht war der Vorfall noch ärgerlicher, weil unverschuldet: Ein Konkurrent fährt ihm aufs Heck, das Auto steht stundenlang zur Untersuchung des Vorfalls im Parc fermé, bevor dann seine Mechaniker um sechs Uhr abends wenige Minuten zu früh mit den Arbeiten an seinem Auto beginnen.

Vor allem aus Sicht von Gary war dieser Einspruch trotz des formellen Fehlers des Teams nachvollziehbar. Die Befürchtungen, er könnte während seines Rennens unter Vorbehalt in kritische Situationen verwickelt sein, hat sich zwar bestätigt, aber nicht mit seinem Zutun: Markus Winkelhock hat in etwas ungestümer Form versucht, Gary zu überholen, bevor es ihm Oliver Jarvis etwas dezenter gleichtat und den Briten ein weiteres Mal umdrehte.

Lücken, die keine sind

Noch unkontrollierter schien in der letzten Runde der Kampf von Mattias Ekström gegen Jamie Green: Mattias ist in der ersten Kurve in ein Loch gefahren, das eigentlich keines war, woraufhin sich Jamie gedreht hat. Verliert der Konkurrent dadurch seine Position, ist eine Strafe grundsätzlich auch gerechtfertigt - speziell im Kampf um die Punkte. Die folgenden Berührungen sind hingegen überbewertet worden:

Offenbar ist an Mattias' Auto ein Defekt aufgetreten. Nur so konnte Jamie nach seinem Dreher überhaupt wieder zu Mattias aufschließen, um dann am Ende zu versuchen, außen an Mattias vorbeifahren. Mattias wollte zwar einlenken - dies war jedoch mit seiner defekten Spurstange nur bedingt möglich. So kam es zu den scherbenreichen Bildern, anhand derer die weiteren für diese Situation vergebenen Strafen zwar zu rechtfertigen sind. Aber da ein Defekt vorlag, hätte man hier durchaus auch salomonischer urteilen können.

So, wie Timo und Paul auch in Barcelona ihr jeweiliges Lager dominiert haben, wird sich die Frage nach der Unterstützung durch die Teamkollegen möglicherweise gar nicht stellen. Mit Blick auf den Meisterschaftsstand wird für Mercedes dennoch die einzige Chance sein, zwischen Paul und Timo von nun an möglichst oft eines bis zwei Fahrzeuge zu schieben. Ob das gelingen kann? 2006 war Le Mans eine Mercedes-Strecke. Das kann sich nach zwei Jahren aber geändert haben. Der Circuit Bugatti hat viele schnelle Kurven, die Audi zu Gute kommen; zudem bringt HWA-Mercedes diesmal mehr Gewicht mit als Abt-Audi - das den Stuttgartern bei ihrer Aufholjagd ganz sicher nicht helfen wird.