Das Jahr 2005 verdient seinen Platz in der deutschen Geschichte - nicht nur auf Grund deutscher Päpste oder deutscher Bundeskanzlerinnen: Auch in der Deutschen Tourenwagen Masters wird das Jahr 2005, während dessen wir Sie erstmals journalistisch durch Europas populärste Tourenwagenserie begleiteten, nicht als ein Jahr unter vielen in die Geschichte eingehen. Überzeugen Sie sich selbst...

(1) Von Pleiten, Geiern & Triumphen

Das Jahr 2005 begann mit einem Paukenschlag; der lang gehegte Traum der DTM-Verantwortlichen schien in Erfüllung zu gehen: Ein vierter Hersteller schickte sich an, die DTM zu bereichern. Zwar gebot es das britische Understatement, dass sich MG-Rover mit offiziellen Ankündigungen zunächst bedeckt hielt. Die Vorbereitungen auf die Saison 2006 gemeinsam mit der Motorsportschmiede Zytek zeigten sich als ein Geheimnis, das schlecht gehütet so manchem Fan die Freudentränen in die Augen trieb.

Die Beute des Pleitegeiers, Foto: ITR
Die Beute des Pleitegeiers, Foto: ITR

Britisches Understatement? Freudentränen? Es sollte anders kommen. Obgleich man sich bei MG mittlerweile unter einiger Anstrengung zu einer offiziellen Bejahung des DTM-Engagements durchringen konnte, schien das lange Schweigen plötzlich Sinn zu ergeben: Längst hatte der Pleitegeier - wie schon so oft in den vergangenen Jahren - die MG-Rover-Firmenzentrale ins Visir genommen; diesmal jedoch zum Leidwesen der Freudentränen entschlossener denn je: Kurz nach Saisonbeginn schloss MG-Rover seine Werkstore. Selbst im Land des Lächelns, beim bis dahin so engagierten chinesischen Investor SAIC, hatten die MG-Rover-Geschäftszahlen jeglichen lächelnden Optimismus vertrieben.

Beflügelt vom jüngsten Erfolg begab sich der Pleitegeier flügelschlagend von England nach Süddeutschland, um die nächsten Opfer ausfindig zu machen. Jene waren rasch gefunden: Diesmal sollten es Audi und Opel sein. Wenngleich die Geschäftszahlen in Ingolstadt und Rüsselsheim für die eigenen Maßstäbe trotz des gefiederten Bösewichts durchaus zufrieden stellend blieben, hagelte es für Audi und Opel zur Freude des Geiers während der ersten drei Saisonläufe Pleite um Pleite:

Schieben statt Siegen bei Audi und Opel, Foto: Sutton
Schieben statt Siegen bei Audi und Opel, Foto: Sutton

Während Opel in Hockenheim, Klettwitz und Spa-Francorchamps eine katastrophale, zumeist nicht existente Punkteausbeute zu verzeichnen hatte, befreite sich Audi nur allmählich aus den Klauen des Pleitegeiers - und bescherte Mercedes beim vierten Saisonlauf in Brünn die erste Niederlage: Mattias Ekström und Tom Kristensen fuhren die Ingolstädter zu einem viel umjubelten Doppelsieg. Den bisherigen Erwartungen zum Trotz sollte die Saison 2005 für Mercedes keine sonntägliche Spazierfahrt in der von der oftmals im Straßenverkehr eher gemächlich bewegten C-Klasse werden.

Im Kampf gegen den nach wie vor schadenfroh lauernden Pleitegeier war Opel derweil ein bleierner Helfer zur Hilfe geeilt: Die neue erfolgsabhängige Gewichtsregelung erlaubte es den Rüsselsheimern, um 20 Kilogramm erleichtert gegen die zumeist eine ebensolche Summe erschwerte Konkurrenz anzutreten. Begünstigt von der so genannten "Lex Opel" sowie eines beim Anbremsen nicht mehr ganz so enthusiastisch nickenden Vorderwagens gelang Heinz-Harald Frentzen mit seinem Opel Vectra GTS in Brünn sogleich der erste Podestplatz der Saison.

Ein Audi A4 auf dem Norisring. Hätten Sie's erkannt?, Foto: Sutton
Ein Audi A4 auf dem Norisring. Hätten Sie's erkannt?, Foto: Sutton

Zwei Monate später auf dem Norisring schien der Vectra mit Corsa-Gewicht bereits um den lang ersehnten Sieg mitzufahren - Marcel Fässler sowie einer Safety-Car-Phase sei Dank. Doch durchaus nicht ganz unberechtigt verstrickte sich motorsport-magazin.com-Kolumnist Klaus Ludwig in Banalitäten: "Warum fahren die eigentlich alle gegen die Mauer? Ich weiß es nicht, eigentlich sollte man nicht dagegen fahren." Kaum jemand schien den Worten des dreifachen DTM-Meisters Folge zu leisten: Nachdem Fässler seinen Vectra am Boxeneingang in die Leitplanke gesteuert hatte, Jamie Green sich weiterhin im "Friendly Fire" gegen die Teamkollegen übte und Rinaldo Capello die Heckpartie seines schwarzen Audi A4 stark verunzierte, standen nur die Hartnäckigsten auf dem Podest:

Während Mattias Ekström und Gary Paffett in dieser Rolle keine ganz neue Besetzung darstellten, verwunderte ihre Begleitung umso mehr - sie stammte aus dem Allgäu und hatte insbesondere in der vergangenen Saison eher mit motorsportlichen Rangeleien auf sich aufmerksam gemacht: Christian Abt erlebte im Audi-A4-Jahreswagen mit Platz zwei den eindrucksvollen Höhepunkt seines persönlichen zweiten Frühlings, zu dem wiederum die bleiernen Helferlein einen Teil beitrugen:

So zeigte sich die neue Gewichtsregelung insbesondere bei den Jahreswagen von ihrer besten, wirkungsvollen Seite: Anders als noch in den Vorjahren stellten die Vorjahreswagen endlich keine rollenden Schikane für die Neuwagen mehr dar. Stattdessen entpuppten sie sich - fahrerisches Talent vorausgesetzt - als zuverlässiger Begleiter auf dem Weg in die Punkteränge. Erst in der zweiten Saisonhälfte offenbarten sie erste Ermüdungserscheinungen...