Die DTM-Saison 2021 hat mit einem denkwürdigen Finale auf dem Norisring ihren Abschluss gefunden. Auch an den restlichen sieben Rennwochenenden im ersten Jahr mit den GT3-Autos war einiges los - auf und neben der Rennstrecke. Motorsport-Magazin.com macht die große 'Bilanz of Performance' mit allen Tops und Flops zur Saison.

TOP: Die DTM lebt weiter

Nach den Hersteller-Ausstiegen von Audi und BMW stand die DTM vor ihrem zweiten Tod und auch nach Ankündigung der Fortsetzung lief es zunächst schleppend. Man denke nur an den unwürdigen Gartenzaun-Streit mit dem ADAC. Mercedes-AMG mit einem großen Engagement und die Strahlkraft der Kombo aus Red Bull und Ferrari brachten den Stein schließlich ins Rollen. Der ebenfalls nicht ruckelfreie Wechsel auf GT3-Autos erwies sich nicht nur als alternativlos, sondern als goldrichtig. Unter der alleinigen Führung von Gerhard Berger ist die DTM ihrem Ruf als Überlebenskünstler einmal mehr gerecht geworden.

FLOP: Der Norisring-Eklat

Die DTM-Saison 2021 bot zahlreiche Highlights auf und abseits der Strecke, die im Zuge des Norisring-Eklats aber erst einmal völlig untergingen. Selten war ein Finale derart umstritten, wie sich an zahllosen, größtenteils negativen Kommentaren in den sozialen Medien zeigte. DTM-Boss Berger musste im Nachgang in der Bild-Zeitung noch mal ran, um die Wogen zu glätten und zu versuchen, einen nachhaltigen Schaden von der Serie abzuwenden, die sich den Fans verschrieben hat.

TOP: Verdienter Meister

Trotz aller Kontroversen rund um das Saisonfinale hat sich Maximilian Götz nichts vorzuwerfen und kann sich als verdienter DTM-Champion 2021 feiern lassen. Sicherlich profitierte er vom Van der Linde/Lawson-Crash sowie der internen Mercedes-AMG-Teamunterstützung, doch aus eigener Kraft hatte er sich aus dem AMG-Septett überhaupt erst in die Lage gebracht, nach dem Titel greifen zu können. Götz punktete in 15 von 16 Rennen, fuhr dabei achtmal aufs Podest mit einem Auto, das zwar gut, aber nicht das stärkste im Feld war. Und die DTM kann sich zumindest über einen Meister freuen, der seit vielen Jahren zu den beliebtesten im deutschen Motorsport zählt.

FLOP: Erwartbare Mercedes-Stallregie

Die teamübergreifende Mercedes-Stallregie am Norisring muss zu den Flops 2021 zählen, weil sich die Fans betrogen fühlten. Verkauft wurde die DTM als eine Team-Meisterschaft, doch am Ende lenkte einmal mehr die Marke das Geschehen. Dafür Mercedes-AMG an den Pranger zu stellen, ist aber nur ein Teil der Wahrheit. Tatsächlich war Stallorder im Reglement nämlich nicht verboten und daher aus wettbewerblicher Sicht absolut legitim. Ein Versäumnis vielmehr der DTM-Verantwortlichen im Irrglauben, dass sich ein Hersteller mit sieben eingeschriebenen Autos schon raushalten würde. Ein Blick in die Historie hätte gereicht, um eines Besseren belehrt zu werden. Das wird eine harte Nuss für Gerhard Berger, der schon Änderungen angekündigt hat.

TOP: Buntes GT3-Starterfeld

Bis zu sieben unterschiedliche Marken gingen in der DTM 2021 an den Start. Neben den permanent eingeschriebenen Audi, BMW, Mercedes, Ferrari und Lamborghini hatten auch McLaren und Porsche (!) Gastauftritte. Teams und Fahrer gehörten zur Creme de la Creme des internationalen GT-Sports, da brauchte sich die DTM nicht zu verstecken. 19 permanente Starter waren die Pflicht, ein Starterfeld wie am Nürburgring mit 23 Autos sowohl Kür als auch Wunsch für die Zukunft.

Foto: DTM
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FLOP: Unrühmliche Boxenstopp-Affäre

Das Gute: Nie zuvor wurde derart viel über Boxenstopps samt Technik und Choreographie in der GT3-Welt gefachsimpelt. AF Corse zeigte beim Auftakt in Monza eindrucksvoll, dass Teams den Unterschied ausmachen können. Das Schlechte: Die Performance-Stopps blieben ein Thema, das für großen Unmut aufgrund baubedingter Unterschiede sorgte. Beim halbgaren Versuch, nach langer Wartezeit eine Lösung (unterschiedliche Höchstgeschwindigkeiten in der Boxengasse, wer denkt sich sowas aus...) zu finden, gab die ITR kein souveränes Bild in der Öffentlichkeit ab. Ein nötiger Antrag wurde - wie nicht anders zu erwarten war - vom Deutschen Motor Sport Bund (DMSB) aus Sicherheitsgründen abgelehnt.

TOP: BoP-Debüt in der DTM

Die vor allem auf Daten basierende Balance of Performance war die größte Sorge vor der Saison. Nach 16 Rennen lässt sich feststellen: größtenteils unbegründet. Viele Qualifyings waren eng wie zu besten DTM-Zeiten. An den meisten Rennwochenenden der Saison war das Feld größtenteils ausgeglichen, wenngleich der Ferrari tendenziell häufiger konkurrenzfähig war als die anderen Marken. Nur bei BMW lag Dienstleister AVL an den letzten beiden Events deutlich daneben, auch eine kurzfristige Änderung half nicht.

FLOP: BoP-Geheimniskrämerei

Geheimniskrämerei wie zu schlimmsten DTM-Zeiten gab es rund um die Balance of Performance. Im Gegensatz zu allen anderen relevanten GT3-Serien auf der Welt wurden die DTM-Einstufungen von allen Verantwortlichen streng vor Medien und Fans unter Verschluss gehalten. Selbst Teams und Fahrer hielten in der Regel dicht. Dabei hätte jeder wissen müssen, dass die BoP nun mal Teil des GT3-Sports ist und Verheimlichung niemals gut ankommt. Mit der von der DTM stets gepriesenen Transparenz hatte dieses Versteckspiel wenig zu tun.

TOP: TV-Vertrag verlängert

Ein enorm wichtiger Baustein für die Zukunft der DTM: Der Vertrag mit der ProSiebenSat.1-Gruppe wurde über 2021 hinaus verlängert. Der interne Senderwechsel von Sat.1 zu ProSieben (inklusive der Formel E) soll jüngere Zuschauer erreichen, das ist nachvollziehbar bei der eingeschlagenen DTM-Strategie. Die TV-Zahlen waren 2021 sicherlich auch wegen zahlreicher, Corona-bedingter Überschneidungen mit Formel 1, MotoGP, Fußball und Sport-Großveranstaltungen mittelmäßig, aber immer noch deutlich besser als bei vielen anderen Rennserien und Sportarten im Fernsehen.

FLOP: Immer Ärger mit den Regelhütern

Dass nach dem Wechsel des Technischen Reglements sowie des Dienstleisters (vom DMSB zum AvD) bei der Organisation, der Rennleitung und den Sportkommissaren nicht auf Anhieb alles glattlaufen würde, war absehbar und verzeihbar. Über Strafen und Entscheidungen wurde 2021 aber häufiger diskutiert, als es der DTM in der öffentlichen Wahrnehmung recht sein konnte. Öfter ließ sich keine Konstanz in der Strafenverteilung erkennen und die schiere Flut der 5-Sekunden-Zeitstrafen machte es unübersichtlich. Ein 82 Tage andauernder Protest samt Berufung in der Sprit-Affäre von Monza und nicht zuletzt über 300 Track-Limit-Verstöße in Assen sorgten vielerorts für Kopfschütteln.

TOP: Gaststarter mischen die DTM auf

In der DTM 2021 traten als Gaststarter an: Michael Ammermüller (SSR-Porsche), Mirko Bortolotti und Maximilian Paul (beide T3-Lamborghini), Hubert Haupt (HRT-Mercedes), Christian Klien (JP-McLaren), Luca Stolz (Toksport-Mercedes) und Lucas di Grassi (Abt-Audi). Sie waren im Gegensatz zu den Ersatzfahrern Nick Cassidy, Markus Winkelhock, Christopher Haase und Marvin Dienst übrigens nicht punktberechtigt, weil sie nicht in permanent eingeschriebenen Autos fuhren. Gaststarter sind stets ein zweischneidiges Schwert im professionellen Motorsport, doch die DTM-Kandidaten punkteten mit Qualität und griffen nicht merklich in die Meisterschaft ein. Geht das so weiter, ist die DTM um eine Attraktion reicher.

Foto: DTM
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FLOP: Zwei Mechaniker-Unfälle sind zwei zu viel

Im Laufe der Saison wurden zwei Mechaniker bei Boxenstopps verletzt - das sind zwei zu viel. Zunächst erwischte es auf dem Nürburgring einen Mechaniker des Mercedes-Teams GruppeM Racing, später in Hockenheim ein Crew-Mitglied von Abt Sportsline. Unglückliche Zwischenfälle bei zahllosen problemfreien Performance-Boxenstopps, oder eine Folge des enormen Zeitdrucks, den es bei anderen GT3-Serien mit einem zeitlichen Mindestaufenthalt in der Boxengasse nicht gibt? Das muss ein Thema über den Winter sein und Sicherheit an oberster Stelle stehen.

TOP: Rückkehr der Rivalitäten

Lange Jahre wurde die DTM für ihre 'gesichtslosen' Fahrer kritisiert, die von den Herstellern diktiert den Mund halten und Phrasen aus dem PR-Handbuch ablesen mussten. Ohne die ständige Markenpräsenz weht tatsächlich ein frischer und erfrischender Wind durchs Fahrerlager. Man denke nur an die verbalen Geplänkel zwischen den Titel-Rivalen Maxi Götz, Kelvin van der Linde und Liam Lawson. Irre Tattoo-Wetten (Wittmann/Muth) hätte es früher auch nicht so leicht gegeben. Eine Wohltat für Fans, Medien und Fahrer, die auf einer prominenten Plattform ihr Profil schärfen können.

FLOP: Top-Teams hinken hinterher

Mit ROWE Racing (BMW) und Rosberg (Audi) taten sich zwei etablierte Top-Teams unheimlich schwer in der DTM-Saison 2021 - Team-Champion AF Corse erzielte zum Vergleich etwa sechsmal so viele Punkte. Während Experten noch immer rätseln, was beim dreifachen DTM-Meisterteam Rosberg mit dem zweimaligen DTM-Vizechampion Nico Müller (Platz 10) und dessen Rookie-Teamkollege Dev Gore (P22) schieflief, hatte ROWE den Pechvogel des Jahres in seinen Reihen: Sheldon van der Linde (P11) sah an der Seite von Timo Glock (P17) in sechs der letzten neun Saisonrennen nicht die Zielflagge.

TOP: T3 Motorsport - Sieger der Herzen

Zwar holte T3 Motorsport noch weniger Punkte als ROWE und Rosberg, zählt aber doch zu den Gewinnern der DTM-Saison 2021. Als letztes eingeschriebenes Team und ohne Testfahrten, noch dazu mit den absoluten Rookies Esmee Hawkey und Esteban Muth, setzte die junge Mannschaft um Teamchef Jens Feucht immer wieder Highlights. Bei kaum einem anderen Team war eine größere Freude zu verspüren, in der DTM antreten zu können. Als kleinstes Team mit geringstem Personal machten Feucht und Co. nie ein Geheimnis aus ihrer Rolle des 'Aufsteigers' oder spuckten großen Töne. Gaststarter und Lamborghini-Werksfahrer Mirko Bortolotti errang in Assen sogar den zweiten Platz und zeigte damit das Potenzial des Lamborghini Huracan auf. Muth (9x in den Punkten, P5 als bestes Ergebnis) und Hawkey mit einer Punkteausbeute konnten ebenfalls mithalten. T3 Motorsport - Sieger der Herzen und hoffentlich auch 2022 wieder am Start.

T3 Motorsport in der DTM 2021: Sieger der Herzen: (39:56 Min.)

FLOP: Unsäglicher Final-Protest

Beinahe hätte es beim Norisring-Finale keinen offiziell feststehenden DTM-Meister 2021 gegeben! Erst kurz vor dem Sonntagsrennen zog das Mercedes-Kundenteam Winward eine angekündigte Berufung zurück und machte damit den Weg frei. Vorausgegangen war eine Kollision zwischen dem eigenen Fahrer Philip Ellis und Liam Lawson, die zu einem Protest des Teams führte, der am späten Samstagabend wegen auffällig vieler Formfehler abgeschmettert wurde. Im Fahrerlager machte schnell die Runde, dass Mercedes-AMG dabei seine Finger im Spiel hatte und das Winward-Team vorschob, um dem 'eigenen' Titelanwärter Maximilian Götz zu helfen.

TOP: Oval-Risiko zahlt sich aus

Die DTM rief zahlreiche Kritiker auf den Plan, als sie während der Saison bekanntgab, auf dem Lausitzring die berüchtigte Turn-1-Ovalkurve ins Streckenlayout zu integrieren. Nicht nur scheiterte dieses Vorhaben bereits 2003 in Folge von schweren Reifenschäden, auch konnten die Teams im Vorfeld nicht testen. Das Resultat: spektakuläres und einzigartiges Racing in der überhöhten Kurve, durch die zeitweise bis zu drei Autos nebeneinander fuhren. Selten zuvor wurde ein Rennen auf dem eher drögen Lausitzring mit derartiger Spannung erwartet. Das Oval ist auch 2022 wieder mit an Bord.

FLOP: Idioten-Unfall mit Medical Car

Als "pure Idiotie" beschrieb ein Insider aus dem Umfeld des DTM-Fahrerlagers den Unfall, der sich auf dem Lausitzring am späten Freitagabend und abseits der offiziellen Trainingssitzungen ereignete. Dabei war ein Mitarbeiter des medizinischen Personals auf einem Testareal nahe der Strecke im offiziellen Medical Car der DTM mit einem Streckenfahrzeug kollidiert. Folgen der dümmlichen Spritztour: drei leicht verletzte Personen und über 100.000 Euro Sachschaden.

TOP: Neue Technologie auf dem Podest

Beim kontroversen Norisring-Finale zwar mehr eine Randnotiz, aber das soll die Leistung nicht schmälern: Maxi Buhk fuhr auf den dritten Platz und bescherte zum ersten Mal einem Auto mit Space-Drive-Lenkung einen Podestplatz. Rund um die im Motorsport innovative Technologie, die auf eine traditionelle Lenksäule verzichtet, hatte es zuvor etwas Wirbel gegeben. Ab Spielberg - und möglicherweise schon davor - verzichteten Timo Glock und auch Sophia Flörsch auf das System, mit dem sie die Saison begonnen hatten. Zwar waren sie in der Folge tatsächlich ein wenig schneller unterwegs, aber weit entfernt von einem Podestplatz, wie ihn Buhk mit seinem Mücke-Mercedes erzielte. In aktuellen Krisenzeiten kann der Motorsport wie zu früheren Zeiten vor allem als 'schnellstes Testlabor der Welt' punkten - und im Falle von Space Drive sogar Zählbares einfahren.

FLOP: Vergebliches Warten auf Paffett

Der Brite, der sich 2005 und zuletzt 2018 beim Mercedes-Abschied aus der DTM jeweils den Titel sicherte, fehlte überraschend, obwohl Gary Paffett von Mercedes-AMG und der DTM als großes Zugpferd angekündigt worden war. Schon bei den beiden offiziellen DTM-Tests war der eingeplante Mücke-Fahrer vorzeitig abgereist, um seinem eigentlichen - und tatsächlich relevanten - Job als Mercedes-Berater in der Formel E nachzugehen. Nicht nur DTM-Chef Gerhard Berger (O-Ton: "Wenn er lieber Management macht, hätte ich auch einen Job für ihn") hatte dafür wenig Verständnis, zumal der zweimalige Champion auch bei den ersten DTM-Events in Monza und auf dem Lausitzring wegen Überschneidungen mit der Formel E und dann auch noch in Zolder wegen Reiseproblemen und Quarantäne fehlte - und dann überhaupt nicht zum Einsatz kam. Ob allein die Corona-Einschränkungen für das Fehlen von Paffett, auf dessen Rückkehr sich viele DTM-Fans gefreut hatten, verantwortlich waren, oder es noch andere Gründe gab, darüber kann nur spekuliert werden.

TOP: DTM Electric startet durch

Die DTM ist gerettet und hinter den Kulissen wird bereits eifrig an der Zukunft gewerkelt. Beim Saisonfinale präsentierten die ITR, Technikpartner Schaeffler sowie Mahle als neuer Mitstreiter ein Modell, das einen konkreten Eindruck zur DTM Electric vermittelt, die ab 2023 Rennen austragen soll. Wichtig war es allen Beteiligten, zu erwähnen, dass die Serie mit rein-elektrischen Boliden nicht die aktuelle GT3-DTM ersetzen soll. Die umgerechnet rund 1.000 PS starken E-Renner sollen eine von mehreren Säulen auf der DTM-Plattform bilden, zu denen auch DTM Classic und eSports gehören. Mit spektakulären, sogar fahrerlosen Show Runs mit einem Demoauto haben die Entwickler der DTM Electric gezeigt, dass sie es ernst meinen.