Maximilian Götz ist DTM-Meister 2021. Wir meinen: Der richtige Fahrer hat den Titel gewonnen - und das absolut verdient! Der Überraschungs-Champion hat der DTM gleichzeitig womöglich eine öffentliche Kontroverse erspart, wenn stattdessen der eigentlich haushohe Favorit Liam Lawson mit seinem Ferrari den Titel geholt hätte.

Der Eine oder Andere im Fahrerlager hätte vielleicht aus der Emotion heraus dem angestauten Frust freien Lauf gelassen und offen ausgesprochen, was inzwischen nicht wenige Szene-Kenner denken: Der Ferrari war im Vergleich zur Konkurrenz während der Saison oftmals deutlich zu stark.

Aber: Woran genau das lag, darüber rätselt die Fachwelt bis heute. "Wir haben alle Daten bis ins letzte Detail ausgewertet, kriegen es aber einfach nicht raus", bestätigte uns noch am Sonntag kurz vor dem Start zum alles entscheidenden Rennen eine Hersteller-Führungskraft mit jahrelanger GT3-Expertise, die nicht genannt werden wollte.

Dass Lawson ein Top-Talent ist und mit seinen erst 19 Jahren - mit Ausnahmen - dem enormen Druck standgehalten hat, bezweifelt niemand. Dass der Neuseeländer bei seinem GT3-Debüt aber stellenweise Qualifyings gefühlt nach Belieben dominierte, zehnmal aufs Podium fuhr - darunter fünf Mal wie beim Doppelsieg in Spielberg mit eigentlich einbremsenden Erfolgsgewichten - und bei seinem Streckendebüt auf dem Norisring eine Doppel-Pole erzielte, lässt sich nach Meinung vieler Experten aber nicht allein auf sein fahrerisches Können zurückführen.

"Wie würde er in einem BMW, Audi oder Mercedes performen?", fragte sich während der Saison unter anderem der dreifache DTM-Champion und 2022-Rückkehrer Rene Rast.

Hätte es Lawson besser lösen können?

Ebenso wird zu Recht diskutiert, ob Lawsons Herangehensweise im Sonntagsrennen mit Blick auf die Meisterschaft geschickt war. Mit einem Auto, das nachweislich aus eigener Kraft Top-Positionen erreichen konnte, hätte er nach dem Start den wüst heranstürmenden Kelvin van der Linde einfach vorbeiwinken können, um mit Teamkollege Nick Cassidy als Absicherung die letzten Punkte für den Titelgewinn einzusacken.

Dass sein Abt-Rivale die erste Kurve nach dem Start als einzige Gelegenheit sah, zu überholen, das Rennen angesichts des Rückstandes von 19 Punkten zwingend gewinnen zu müssen und Lawson damit womöglich die Meisterschaft abzujagen, hatte der Südafrikaner nicht nur im Samstagsrennen bewiesen, sondern für den Sonntag sogar angekündigt.

Van der Linde: Kein Abschuss geplant, Kollision in Kauf genommen

Das darf van der Lindes rüde Aktion allerdings nicht entschuldigen. Sicherlich wollte er Lawson nicht mit Absicht aus dem Rennen schießen, eine Kollision nahm der Audi-Pilot aber durchaus in Kauf. Angesichts der Ferrari-Übermacht fühlten sich van der Linde und sein Abt-Team offenbar in einer alternativlosen Situation. Wohl nicht zuletzt auch wegen kontroverser Strafen und der schwelenden Boxenstopp-Thematik, die Ferrari und auch Mercedes einen Zeitvorteil beim Räderwechsel brachte.

Aber: Schon am Samstag ging van der Lindes mehr oder weniger ungebremster Sturm auf die erste Kurve komplett schief. Die 5-Sekunden-Zeitstrafe am Sonntag war absolut nachvollziehbar und hätte auch höher ausfallen können. Nur die Aktion darf bewertet werden, nicht der Tabellenstand. Dass dadurch neben Lawsons auch Cassidys Ferrari zurückgeworfen wurde, sorgte aber zumindest für ein höchst unglückliches Bild in der öffentlichen Wahrnehmung.

Kein Ferrari-Foulspiel beim DTM-Titelkampf

Ferrari spielte trotz großen Frusts fair und verzichtete auf die durchaus vorhandene Möglichkeit, sich mit schmutzigen Mitteln zur Meisterschaft zu crashen. Kein vorsätzlicher Abschuss von Götz oder van der Linde und auch keine provozierte Safety-Car-Phase kurz vor dem Rennende als Lucas Auer noch führte, die Lawson automatisch zum Meister gemacht hätte - Hut ab vor Ferrari-Werksteam AF Corse, die sich zumindest über einen deutlichen Sieg in der Team-Wertung freuen können.

Mercedes-Hilfe: Nicht schön, aber verständlich

All das brauchte Götz nicht zu interessieren, er konzentrierte sich nur auf sein eigenes Rennen, auch in dem Bewusstsein, im kaum noch für möglich gehaltenen Titelkampf auf die Unterstützung seiner Mercedes-Markenkollegen zählen zu können. Bei 22 Punkten Rückstand auf Lawson musste er zwingend zu seinem zweiten Sieg beim Heimspiel-Wochenende fahren.

"Nicht schön, aber verständlich", brachte es Gerhard Berger auf den Punkt. Diese Unterstützung gibt es in unterschiedlichen Konstellationen seit Anbeginn des Motorsports. Wer sich darüber empörte, dass der eigentliche Sieger Lucas Auer seine 15 Sekunden Vorsprung für Götz herschenkte, hat offenbar wenig Ahnung vom Geschäft und den Machtspielen im Hintergrund. Ein am Samstag eingelegter, dann abgewiesener Protest samt angekündigter und am Sonntagmorgen zurückgezogener Berufungsankündigung lässt grüßen...

Anders - und das gab es früher mehrfach in der DTM - wäre es gewesen, wenn Götz intern schon nach dem zweiten oder dritten Rennwochenende auf Anweisung 'von oben' in die Rolle des Titel-Anwärters gehievt worden wäre. Das war aber ganz offensichtlich nicht der Fall.

Maximilian Götz: Verdienter DTM-Meister 2021

Mercedes-AMG mischte zwar sicherlich ordentlich mit bei den Strategien der eigenen Kundenteams auf und neben der Strecke, allerdings erst beim Showdown um den Titelkampf. Sieben Mercedes-AMG GT3 und damit die Hoheit im Starterfeld machten das überhaupt erst möglich. Wären dieses Jahr mehr als nur zwei Ferraris aus einem einzigen Team angetreten, wäre es auf der Gegenseite wohl kaum anders abgelaufen.

Ein gutes, aber nicht das stärkste Auto im Feld, eine tadellose Team-Leistung mit den schnellsten Boxenstopps, Fehler bei der Konkurrenz und ausreichend interne Unterstützung waren entscheidende Faktoren bei der Titel-Entscheidung am Norisring. Und vor allem war es der erfahrene Götz mit seiner beeindruckenden Konstanz (15 Mal in den Top-10), der sich ganz aus eigener Kraft während der Saison in die Lage brachte, um die Meisterschaft kämpfen zu können.

Wer könnte da noch behaupten, dass Maximilian Götz nicht als verdienter Sieger hervorgegangen ist?

DTM Norisring-Highlights: Götz Meister nach Titel-Krimi (04:51 Min.)