Die DTM steuert aufs Finale der Saison 2021 zu, auf dem Norisring (08.-10. Oktober) fällt die Entscheidung um die Meisterschaft. Hinter den Kulissen der Traditionsrennserie laufen die Vorbereitungen auf die Zukunft unterdessen auf Hochtouren. Stichwort: DTM Electric. Eine Rennserie mit rein-elektrischen Tourenwagen samt gigantischer Leistung soll künftig eine der Säulen auf der Plattform der DTM-Dachorganisation ITR bilden.

Am Rande des Saisonabschlusses auf dem Nürnberger Stadtkurs will die ITR zusammen mit Technik-Partner Schaeffler einen realen Vorgeschmack auf das tatsächliche Rennauto liefern, nachdem die Fans bislang mehrfach Show Runs mit einem Demo-Fahrzeug erleben konnten - zuletzt in Spielberg, als das Auto mit der brachialen Leistung von rund 1.000 PS sogar fahrerlose und per Simulator gesteuerte Runden auf dem Red Bull Ring drehte.

Motorsport-Magazin.com hatte die Gelegenheit, mit Matthias Zink, Vorstand Automotive Technologies der Schaeffler AG, ausführlich über das spektakuläre Projekt zu sprechen. Auch beim in der DTM vieldiskutierten Thema 'Space Drive' nahm das rennbegeisterte Vorstandsmitglied des Unternehmens mit fast 84.000 Mitarbeitern weltweit kein Blatt vor den Mund.

DTM Electric: Fahrerloser Show Run in Spielberg mit 1.200 PS! (01:59 Min.)

Herr Zink, wie sieht der aktuelle Stand beim Projekt DTM Electric aus?
Matthias Zink: Wir arbeiten daran, die Schublade ist voller Ideen und Auslegungen. Die technische Definition läuft auf Hochtouren, bei Themen wie der Übersetzung, Geschwindigkeit und Leistung sind wir schon weit vorangeschritten. Das Konzeptfahrzeug sieht optisch super aus und wir versuchen, es den Fans beim DTM-Saisonfinale auf dem Norisring vorzustellen.

Geben Sie uns einen kleinen Hinweis, wie das Electric-Rennauto aussehen wird?
Matthias Zink: Sehr moderne Kontur, schönes Design und es sieht sehr nach Rennwagen aus.

Ist weiterhin geplant, dass der Rennwagen eine Leistung von umgerechnet mehr als 1.000 PS hat?
Matthias Zink: Das gilt weiterhin und unter diese Marke wollen wir auch nicht fallen. Vierstellig soll die Leistung auf jeden Fall bleiben.

Welche offenen Fragen gibt es derzeit?
Matthias Zink: Fragen wie die nach dem genauen Ablauf des Wettbewerbes, dem Reglement und technischen Lösungen wie Fast Charging oder Batteriewechsel. Solche Dinge diskutieren wir aktuell mit der ITR. Die Idee führt eher in Richtung des Schnell-Ladens, weil dieses Thema auch den Endverbraucher interessiert. Es geht ja nicht mehr um die Frage, ob ein Elektro-Auto straßentauglich oder akzeptabel ist, sondern, wie oder wie schnell ich es aufladen kann. Das Thema können wir den Menschen über den sportlichen Wettbewerb näherbringen.

Matthias Zink mit Schaeffler-Botschafterin Sophia Flörsch, Foto: Schaeffler
Matthias Zink mit Schaeffler-Botschafterin Sophia Flörsch, Foto: Schaeffler

Im Motorsport sind die Kosten grundsätzlich ein großes Thema. Wie steht es um die Finanzierung der DTM Electric?
Matthias Zink: Es braucht noch ein paar Partner. Da stellt sich natürlich die Grundsatz-Diskussion, ob wir schon Hersteller an Bord haben oder ob es nur Hersteller-Absichten und ein Partner-Netzwerk gibt. Ich glaube, dass es über ein technisches Partner-Netzwerk funktionieren kann, bei diesem Projekt geht es ja nicht nur um Investoren und Geldgeber. Wir sind vorwegmarschiert, vom Antrieb über By-Wire-Lenkung bis hin zum Steuergerät des Fahrzeuges. Themen, die teilweise auch außerhalb unseres direkten Kompetenzbereiches liegen. Wenn sich neben Schaeffler noch zwei, drei andere technische Partner und ein Finanzierungsmodell finden, dann fliegt das Thema. Ich glaube nicht, dass man warten kann, bis sich alle Hersteller wieder aufgereiht haben. Die haben - wie auch wir - aktuell sehr große Aufgaben zu bewältigen. Der eine Hersteller bringt seine elektrische Plattform 2023, der andere erst 2025. Darauf zu warten, halte ich für zu lange. Wir brauchen jetzt eine Nische mit einem starken Veranstalter wie der ITR und daran arbeiten wir.

Das Demo-Auto der DTM Electric war bei mehreren Show Runs zu sehen, Foto: Schaeffler
Das Demo-Auto der DTM Electric war bei mehreren Show Runs zu sehen, Foto: Schaeffler

Es war ursprünglich geplant, dass die DTM Electric ab 2023 ihre ersten Rennen austrägt. Können Sie diesen Fahrplan halten?
Matthias Zink: Die Uhr tickt. Wir müssen bald Beschlüsse fassen, auch darüber, was wir nächstes Jahr machen wollen. Ende 2020 hatten wir den ersten Show Run beim DTM-Finale auf dem Hockenheimring, dieses Jahr den fahrerlosen Remote-Run in Spielberg. Wir wollen uns auch beim diesjährigen Finale auf dem Norisring zeigen, dem 'Heimspiel' von Schaeffler. Es wäre in der Folge aber auch gut, wenn man ein Stück weit ein Wettbewerbs-Format aufziehen kann. Das muss das Ziel bleiben und die Gespräche laufen an jedem Rennwochenende.

Die DTM sehen Sie weiterhin als richtige Plattform für das Electric-Projekt?
Matthias Zink: Die DTM hat nach wie vor eine hohe Sichtbarkeit und zahlreiche Marken tummeln sich in der Startaufstellung. Wir haben eben erst erlebt, welche Marken die Formel E verlassen (Audi und BMW nach 2021, Mercedes-Benz nach 2022; d. Red.). Die Hersteller müssen sich irgendwann entscheiden, was sie stattdessen machen wollen. Am Ende will man ja Autos verkaufen, keine Formel- oder Prototypen-Fahrzeuge. Und mit 'Autos' wird auf der DTM-Plattform gefahren. Deshalb glaube ich, dass irgendwann die losen Enden wieder zusammenkommen. Jetzt stellt sich nur die Frage, wer ist Pionier und wer nur Beobachter? Eine spannende Phase, bei der Schaeffler als Pionier dabei sein möchte, aber Partner braucht es schon auch.

BMW-Werksfahrer Marco Wittmann erklärt Matthias Zink den BMW M6 GT3, Foto: Schaeffler
BMW-Werksfahrer Marco Wittmann erklärt Matthias Zink den BMW M6 GT3, Foto: Schaeffler

Soll die DTM Electric in Zukunft den Platz als Hauptrennserie auf der DTM-Plattform einnehmen?
Matthias Zink: Wenn wir einmal fünf bis zehn Jahre in die Zukunft blicken wollen und uns heute Autos wie den Audi e-tron GT oder Mercedes EQS anschauen, dann glaube ich, dass es irgendwann neue GT3-Wagen geben wird. Das Thema wird sich aus meiner Sicht ablösen. Wann es soweit ist, lässt sich schwer vorhersagen, aber irgendwann wird es diese neuen Silhouetten geben, die sich auch im Rennsport messen.

Sophia Flörsch und Timo Glock starten offiziell seit dem Rennwochenende auf dem Red Bull Ring nicht mehr mit dem Space-Drive-Lenksystem von Schaeffler Paravan. Wie bewerten Sie diesen Schritt?
Matthias Zink: Als die DTM für die Saison 2021 definiert wurde, war man froh, dass es Interessenten, Sponsoren, Hersteller und prominente Fahrer jeglicher Couleur gab. Unsere Intention ist neben dem reinen Motorsport und dem Marketing auch die Entwicklung. Wir haben uns entschieden, das Space-Drive-System bei drei unterschiedlichen Rennställen mit unterschiedlichen Fahrerinnen und Fahrern sowie verschiedenen Fahrzeugen an den Start zu bringen. Wenn man sich die Daten genau anschaut, sind wir mit dem By-Wire-System jetzt schon sehr nah dran an den Systemen mit konventioneller Lenkung. Ich bin stolz und zufrieden, dass wir mit drei Marken so weit gekommen sind. Dass der Wettbewerb im Laufe der Saison immer schärfer wird und die Fahrer unterschiedlich reagieren, ist für mich ganz normal.

Wir haben für den jetzigen Zeitpunkt ausreichend viele Daten gesammelt und es ist in Ordnung, wenn das System bei Fahrern, die sich noch nicht zu 100 Prozent wohlfühlen, ausgebaut wird. Sicherlich steht auch jeder Fahrer an einem anderen Punkt seiner Karriere, deshalb muss man das Thema vernünftig besprechen. Wir haben die Vergleichsdaten, die wir wollten und werden auf dieser Basis weiterentwickeln. Space Drive ist weiter hochaktuell und ich bin stolz, dass wir in der DTM wettbewerbsfähig sind. Wir fahren nicht eine oder zwei Sekunden hinterher, sondern mit prominenten Fahrern auf ein, zwei Zehntelsekunden Abstand im Wettbewerb. Und wenn wir über den Winter unsere Hausaufgaben sauber erledigen, können sich diese ein, zwei Zehntel auch in die andere Richtung drehen.

Durfte die DTM-Zielflagge schwenken: Matthias Zink in Zolder, Foto: DTM
Durfte die DTM-Zielflagge schwenken: Matthias Zink in Zolder, Foto: DTM

War die DTM eine Nummer zu hoch für den Entwicklungs-Einsatz von Space Drive?
Matthias Zink: Nein. Da würde ich nur zustimmen, wenn wir eine Sekunde langsamer gewesen wären. Dann hätte ich gesagt: Finger verbrannt. Markus Winkelhock hatte bei seinem Einsatz auf dem Nürburgring ein bis zwei Zehntelsekunden Rückstand auf seinen Abt-Teamkollegen Mike Rockenfeller und Maxi Buhk liegt durchweg im Mittelfeld aller Mercedes-Starter. Man kann es auch positiv sehen: Es ist doch toll, dass die DTM den Status erreicht hat, dass im Feld richtig die Arme angespannt werden und ein scharfer Wettbewerb herrscht. Es war genau die richtige Entscheidung, mit Space Drive in der DTM statt im Rahmenprogramm zu starten. Die Zeit dafür war genau richtig und solch ein Feedback können wir auch aufgrund der unterschiedlichen Motorenkonzepte nicht auf der Straße erzielen.