Das Schaulaufen von Audi und Mercedes samt Reifen-Schleichfahrten setzt sich zum Beginn des DTM-Rennwochenendes auf dem Hockenheimring fort. Fahrer der beiden Marken belegten im 2. Freien Training am Freitagnachmittag die vorderen zehn von 21 Positionen in der Zeitenliste. Am Vormittag machten Mercedes und Audi die Top-9 unter sich aus.

Wie wenig Aussagekraft die Rundenzeiten aus den Trainings während der DTM-Wochenenden haben, zeigte sich einmal mehr an diesem Nachmittag im badischen Motodrom. So landete der Meisterschaftsführende Liam Lawson mit 1,4 Sekunden Rückstand auf dem 14. Platz, während der Gesamtzweite Marco Wittmann das 45-minütige Training auf Platz 21 beendete. Die beiden Titelfavoriten belegten bereits im 1. Training die hinteren Plätze.

Verantwortlich für die 'Schleichfahrten' ist das restriktive Reifen-Kontingent in der DTM, durch das den Teams und Fahrern an den Freitagen kaum frische Michelin-Slicks zur Verfügung stehen. Das Reifensparen zeigte sich diesmal besonders in Form von Kelvin van der Linde, der in 1:37.841 Minuten die Tagesbestzeit (FP1-Bestzeit Arjun Maini: 1:38.356 Minuten) fuhr - und seinen Abt-Audi nach gut 20 Minuten und nur sechs Runden vorzeitig und absichtlich in der Box parkte.

Van der Linde: Müssen in Rennen mehr riskieren

"Das Auto fühlt sich wieder so gut an wie beim Test", sagte van der Linde nach dem frühzeitigen Feierabend mit Blick auf einen privaten Testeinsatz, den unter anderem Abt Sportsline in der vergangenen Woche auf dem Hockenheimring eingelegt hatte.

"Hockenheim passt eigentlich für alle Autos ganz gut, hier werden alle eng beisammen sein", meinte van der Linde noch am Freitagmittag. "Für den Audi sollte es okay sein, wir haben eine gute Traktion." Einen Nachteil gegenüber Ferrari und Mercedes sieht der 25-Jährige weiter bei den Boxenstopp-Abläufen, die nach anhaltenden Diskussionen und trotz zahlreicher Kritik nicht geändert werden: "Uns fehlt immer noch etwas in der Boxengasse, deshalb müssen wir in den Rennen immer viel riskieren, um dieses Defizit zu überwinden."

Van der Linde: Riesen-Vorsprung trotz weniger Runden

Van der Linde hatte im 2. Training trotz seiner wenigen Runden ganze 0,397 Sekunden Vorsprung auf den Zweitplatzierten Daniel Juncadella (GruppeM-Mercedes), der ein AMG-Trio bestehend aus ihm, Titelanwärter Maximilian Götz (HRT-Mercedes) und dessen Teamkollege Vincent Abril anführte. Mike Rockenfeller (Abt-Audi) und Nico Müller (Rosberg-Audi) folgten auf den Plätzen fünf und sechs.

Götz, der den vierten Platz in der Meisterschaft belegt: "Der Mercedes war über die gesamte Saison hinweg sehr konstant. Wir hatten nirgendwo eine absolute Rakete, waren in den Qualifyings und Rennen aber immer bei der Pace. Andere Marken hatten es allerdings leichter in den Qualifyings, wo ich aus dem Kreis der Titelanwärter die wenigsten Punkte erzielt habe. Wir pushen für bessere Ergebnisse in den Qualis, das ist die Basis für jedes Rennen."

Götz, Wittmann und van der Linde: Alle greifen nach DTM-Spitzenreiter Liam Lawson, Foto: DTM
Götz, Wittmann und van der Linde: Alle greifen nach DTM-Spitzenreiter Liam Lawson, Foto: DTM

Bester BMW-Fahrer auf Platz elf

Bestplatzierter Fahrer einer anderen Marke als Audi oder Mercedes war Sheldon van der Linde, der seinen ROWE-BMW hinter den Gaststartern Lucas di Grassi (Abt-Audi) und Hubert Haupt (HRT-Mercedes) auf den elften Platz führte - bei einem Rückstand von 1,2 Sekunden auf Spitzenreiter und Bruder Kelvin. Im schnellsten Lamborghini auf P12 saß Esteban Muth (T3 Motorsport), den 'schnellsten' der beiden AF-Corse-Ferrari steuerte Albon direkt vor Teamkollege Lawson zu Platz 16.

Lawson, der die DTM nach zuletzt vier Podestplätzen in Folge anführt: "Hinter uns liegen einige gute Strecken. In den schnellen und mittleren Kurven ist der Ferrari ziemlich ausbalanciert. Hier gibt es auch langsame Kurven, das könnte ein Problem werden. In Hockenheim sollte es, auch mit den BoP-Änderungen, härter für uns werden."

Di Grassi: DTM-Auto ist ganz anders

"Das Fahren hat Spaß gemacht", sagte di Grassi, der als Gaststarter auf fünf neue Reifensätze zurückgreifen kann, während die permanenten Starter nur drei Reifensätze erhalten. "Es ist aber schwierig, weil die DTM-Autos ganz anders sind als das, was ich sonst gewohnt bin. Und natürlich muss ich auch Hockenheim lernen, weil ich zum ersten Mal seit zehn Jahren wieder hier bin."

Der Brasilianer erhält die Gaststarts in Hockenheim sowie beim Finale auf dem Norisring als ein Abschiedsgeschenk von Abt Sportsline. Für den Rennstall aus Kempten startete di Grassi sieben Jahre lang in der Formel E und gewann 2016/17 den Titel. In den Farben seines damaligen Meisterautos tritt er nun erstmals in der DTM an, bevor er zur Saison 2022 innerhalb der Formel E von Audi zu Venturi wechselt.

Wittmann Schlusslicht im Training

Wittmann belegte nach P19 am Vormittag diesmal sogar nur den letzten Platz, wobei die angesprochene Reifen-Thematik eine große Rolle gespielt haben dürfte. Nach seinen 16 absolvierten Runden im 2. Training fehlten dem zweifachen DTM-Champion enorme 2,4 Sekunden zur Spitze.

"Unsere Schwäche sind die Haarnadeln, das gilt sowohl für Hockenheim als auch für den Norisring", erklärte Wittmann, der mit zwei Siegen den zweiten Platz in der Meisterschaft belegt, am Mittag auf der DTM-Pressekonferenz. "Der BMW ist ziemlich stark auf den Geraden, da haben wir einen Vorteil. In den Hairpin-Kurven und teilweise in den Bremsphasen liegen die größten Unterschiede zu unseren Wettbewerbern. Hier und da ist es knifflig, aber wir versuchen das so gut wie möglich zu kompensieren. Es hängt auch von der Tagesform ab und wenn du jetzt in einem Rennen ausfällst, bedeutet das Game over."

DTM Hockenheim im Livestream

Zum ersten Mal ernst wird es am Samstag mit dem Qualifying, das über die Startaufstellung für das 13. Saisonrennen entscheidet. Das 20-minütige Zeittraining am Samstagmorgen um 10:20 Uhr zeigt Motorsport-Magazin.com im kostenlosen Livestream.