Unter der Ägide von Gerhard Berger hat die DTM eine Wiedergeburt der sogenannten Gaststarter erlebt. Dem Österreicher, 1985 in Zolder selbst als DTM-Gastfahrer auf einem BMW 635 CSi am Start, gelang es zusammen mit den Herstellern immer wieder, prominente Rennfahrer für das Abenteuer DTM zu begeistern. So traten Rallye-Superstar Sebastien Ogier, Fan-Liebling Alex Zanardi oder auch MotoGP-Crack Andrea Dovizioso bei ausgewählten Rennen an.

Die einst liebgewonnene Tradition setzt sich unter dem neuen GT3-Reglement fort. Christian Klien (JP-McLaren), Michael Ammermüller (SSR-Porsche), Luca Stolz (Toksport-Mercedes), Teambesitzer Hubert Haupt (HRT-Mercedes) oder zuletzt in Spielberg Youngster Maximilian Paul (T3-Lamborghini) schnupperten bei ausgewählten Rennen in die deutsche Traditionsserie rein.

Mit Mirko Bortolotti und erneut Klien bereichern auch beim kommenden Rennwochenende im niederländischen Assen (17.-19. September 2021) zwei Gaststarter das Teilnehmerfeld. Vor allem auf Lamborghini-Experte Bortolotti werden auf dem TT Circuit Assen einige Augen gerichtet sein. Der zweifache Daytona-Klassensieger tritt mit einem durchaus konkurrenzfähigen GT3-Huracan des jungen Dresdner Teams T3-Motorsport an.

Sorge vor Gaststartern - Michael Schumacher als Beispiel

Wo immer Gastfahrer antreten, schwebt bei permanent eingeschriebenen Piloten eine gewisse Sorge mit - vor allem unter den Titelanwärtern. Das prominenteste Beispiel bleibt Michael Schumacher, der als Teil des legendären Mercedes-Junior-Teams 1990 beim DTM-Finale in Hockenheim startete. Der Auftakt seiner kurzen Tourenwagenkarriere im Mercedes 190E Evo II ging mächtig schief. Schumacher kollidierte beim Start mit Titelfavorit und BMW-Star Johnny Cecotto, die Meisterschaft ging an Hans-Joachim Stuck im V8-Audi.

DTM-Gastfahrer können umso mehr unter dem aktuellen Reglement einen bedeutsamen Einfluss nehmen: Neue Fahrzeuge erhalten fünf frische Reifensätze fürs Rennwochenende, während die permanenten Starter nur drei neue Sätze der Michelins bekommen und oftmals mit an- oder abgefahrenen Reifen aus den vorangegangenen Veranstaltungen antreten.

DTM 2021: Die bisherigen Gaststarter

FahrerTeamRennenAnmerkung
Christian KlienJP-McLarenZolder, Nürburgring, Assen-
Luca StolzToksport-MercedesNürburgring-
Markus WinkelhockAbt-AudiNürburgringErsatz für Sophia Flörsch
Christopher HaaseRosberg-AudiNürburgringErsatz für Dev Gore
Hubert HauptHRT-MercedesNürburgring-
Michael AmmermüllerSSR-PorscheNürburgring-
Mirko BortolottiT3-LamborghiniAssen-

Götz: Gastfahrer könnten uns ein bisschen blöd aussehen lassen

"Gastfahrer haben einen kleinen Vorteil", merkte HRT-Mercedes-Fahrer Maximilian Götz bei einer Gesprächsrunde mit ausgewählten Medienvertretern an. "Sie haben mehr frische Reifen als Fahrer, die schon in der Saison sind, und dadurch einen Vorteil. Das werden wir auch am Wochenende sehen bei Mirko Bortolotti, den ich sehr stark einschätze. Man muss in Zukunft darüber nachdenken, wie man generell mit Gaststartern umgeht, weil sie eventuell einen Einfluss auf die Meisterschaft haben oder Fahrer, die mitten in der Saison sind, ein bisschen blöd aussehen lassen können."

Zumindest an den Freitagen hat sich solch ein Bild tatsächlich abgezeichnet. In Spielberg fuhr der junge Lamborghini-Gastfahrer Maximilian Paul in den Trainings auf die Plätze eins und zwei und schrammte im Sonntagsrennen als Elfter knapp an den Top-10 vorbei. Zuvor auf dem Nürburgring belegten die Gastfahrer Luca Stolz, Christopher Haase, Michael Ammermüller und Christian Klien im 1. Training die Plätze zwei bis fünf, in der zweiten Session führte Stolz vor Ammermüller.

Maximilian Götz' DTM-Bilanz: 1 Sieg, 5 Podestplätze, Gesamtplatz 3, Foto: Haupt Racing Team
Maximilian Götz' DTM-Bilanz: 1 Sieg, 5 Podestplätze, Gesamtplatz 3, Foto: Haupt Racing Team

Auch in den Rennen spielten Gastfahrer bereits eine prominente Rolle. Luca Stolz fuhr am Nürburgring mit einem von Toksport WRT eingesetzten Mercedes auf den zweiten Platz, bevor er wegen eines Vorfalls in der Boxengasse nachträglich eine Strafe kassierte und auf P9 zurückfiel. Im folgenden Sonntagsrennen erzielte Haase im Rosberg-Audi als Ersatz für Dev Gore den zehnten Platz, während Ammermüller und Stolz nach Kollisionen mit permanenten Startern vorzeitig ausfielen.

Ähnlich erging es in der Eifel auch Titelanwärter Liam Lawson nach einer unverschuldeten Kollision mit Markus Winkelhock, der bei Abt Sportsline für die wegen der 24 Stunden von Le Mans verhinderte Sophia Flörsch einsprang. Im Anschluss lieferten sich Lawson und Winkelhock obendrein ein deftiges Wortgefecht.

DTM-Reglement: Gaststarter nicht punkteberechtigt

Bezüglich der Gaststarter lohnt sich ein Blick ins Reglement, denn: Fahrer wie Stolz, Klien oder Ammermüller sind nicht punkteberechtigt und fahren außerhalb des Wettbewerbs. Wenn sie in den Top-10 landen, werden ihre theoretisch erzielten Punkte an den nächstbestplatzierten Piloten automatisch weitergereicht. Eine Besonderheit trat nur bei den Audi-Profis Winkelhock und Haase auf, die als Ersatz in permanent eingeschriebene Fahrzeuge stiegen und deshalb Meisterschaftspunkte für sich selbst erzielen konnten.

Da Bortolotti in einem dritten, nicht permanent eingeschriebenen T3-Lamborghini antritt, darf er in Assen ebenfalls keine Punkte sammeln. Kaum jemand zweifelt allerdings daran, dass der Lamborghini-Werksfahrer in den Qualifyings und Rennen weit vorne mitmischen kann.

Bortolotti: Gewinnen ist immer das Ziel

"Ich will gut mit dem Team zusammenarbeiten und so wettbewerbsfähig wie möglich sein", sagte der 31-Jährige, der in der GT World Challenge Endurance sowie im ADAC GT Masters mit seinen jeweiligen Teamkollegen den dritten Gesamtplatz belegt. "Gewinnen ist immer das Ziel. Wir wissen aber, wie schwierig das wird und wie viel Qualität in der Startaufstellung steht. Es wird nicht einfach, aber so erwarten wir es und so wollen wir es auch."

Nachdem der letzte T3-Gastfahrer, Paul, in Spielberg in einem Training die Zeitenliste anführte, gilt auch Bortolotti samt den zusätzlichen Michelin-Reifen, die er nur von Langstreckenrennen kennt, als Kandidat für einen unbedeutenden 'Trainings-Sieg' - wenngleich sich einige Fahrer Reifen aufgespart haben dürften, um auf dem größtenteils unbekannten TT Circuit Assen schnell in den nötigen Rhythmus zu gelangen. Der deutschsprachige Italiener: "Um ehrlich zu sein, ist es mir egal, ob ich am Freitag Erster bin. Das Ziel lautet, vorne zu sein, wenn es zählt."

DTM 2021: Weitere Gaststarter stehen parat

Bortolotti dürfte nicht der letzte Gaststarter in der DTM-Saison 2021 gewesen sein. Ein weiterer Einsatz von HRT-Besitzer und DTM-Veteran Hubert Haupt auf dem Hockenheimring gilt als möglich, bei T3-Motorsport sind weitere Fahrer im Gespräch. Auch eine zusätzliche Marke im Starterfeld ist bei den nach Assen zwei verbleibenden Veranstaltungen nicht ausgeschlossen.

"Für den Norisring haben wir viele Anmeldungen", verriet zuletzt DTM-Boss Gerhard Berger. "Wir sortieren aber die aus, die nicht den Anspruch des Starterfeldes erfüllen. Wir schauen, dass wir weiter diesen Premiumanspruch unter Fahrern und Teams halten."