Markus Winkelhock, der ehemalige Mercedes- und Audi-Werksfahrer in der DTM, hat bei seinem Comeback in der populären Traditions-Rennserie nach zehn Jahren Pause bewiesen, dass er nichts von seinem Können eingebüßt hat. Der Schwabe vertrat am Nürburgring in einem ABT-Audi R8 LMS die Stammpilotin Sophia Flörsch, die zeitgleich beim 24-Stunden-Rennen in Le Mans im Einsatz war. Winkelhock konnte das in ihn gesetzte Vertrauen mit einer guten Leistung zurückzahlen.

Der bei Fans beliebte Schwabe, der von Beginn an in die Entwicklung des Space-Drive-Systems mit 'Steer-by-Wire'-Lenkung von Schaeffler Paravan eingebunden war, hätte dem Partner und Unterstützer der Äbte und der DTM-Dachorganisation ITR um ein Haar das beste DTM-Resultat mit dem innovativen Lenksystem beschert.

"Ich bin abgesehen von der Kollision zufrieden mit meiner Leistung. Die Pace und die Strategie des ABT-Teams haben gestimmt, das Ergebnis leider nicht", meinte Winkelhock im Gespräch mit Motorsport-Magazin.com.

Eine von ihm verursachte Kollision mit Ferrari-Pilot Liam Lawson verhinderte nämlich die von ihm erhoffte Top-Ten-Platzierung in seinem 50. DTM-Rennen. "Darüber ärgere ich mich selbst am allermeisten. Ich war zu ungestüm und habe nicht gewartet, bis sich eine bessere Überholmöglichkeit geboten hat."

In der Tat wäre die nächste Gelegenheit wohl sehr schnell gekommen, denn Winki war, aus der Boxengasse kommend, mit seinen frisch gewechselten Reifen schneller als Lawson und es war eigentlich nur eine Frage der Zeit, wann er den Neuseeländer kassiert hätte.

Markus Winkelhock als Ersatz für Sophia Flörsch auf dem Nürburgring, Foto: DTM
Markus Winkelhock als Ersatz für Sophia Flörsch auf dem Nürburgring, Foto: DTM

Winkelhock: Lawson hat mich praktisch eingeladen

"Stimmt, aber wenn du eine Chance witterst, muss du sie auch versuchen, zu nutzen. Er (Lawson; d. Red.) hat aus meiner Sicht die Tür relativ weit aufgemacht und mich praktisch eingeladen, in die entstandene Lücke zu stoßen. Zudem muss er erkannt haben, dass ich schneller war", betonte Winkelhock, der zudem auf einen wichtigen Hinweis aus Rennfahrersicht verweist: "Du musst dann im Bruchteil einer Sekunde eine Entscheidung treffen - und die war in diesem Fall leider falsch."

Da sei auch sehr ärgerlich für das Abt-Team und Schaeffler Paravan gewesen, die sich eine Top-Platzierung mit dem neuen Lenksystem sicher genauso gewünscht hätten, beteuerte Winkelhock, dass ihm der Zwischenfall leid tut. Ebenso wie sein Fehler mit dem Frühstart nach einer Safety-Car-Phase im zweiten Rennen, für den er ebenfalls mit einer Durchfahrtstrafe belegt wurde.

Winkelhock: Lawson hat mich aufs Übelste beschimpft

"Im Parc ferme bin ich sofort zu Liam hin, um mich zu entschuldigen. Zu meiner Überraschung hat er die Entschuldigung aber nicht angenommen und mich stattdessen aufs Übelste und mit Schimpfwörtern, die absolut unter der Gürtellinie lagen, verbal attackiert", zeigte sich der Sohn des 1985 tödlich verunglückten Manfred Winkelhock überrascht.

"Ich musste mich wirklich zusammenreißen, denn solch eine üble Reaktion habe ich selten erlebt", erklärte der Abt-Pilot. "Ich habe ihm empfohlen, wenn er noch einmal das grüne Auto von hinten kommen sieht, soll er besser in die Boxengasse abbiegen..."

Liam Lawson besteitet seine erste Saison in der DTM, Foto: DTM
Liam Lawson besteitet seine erste Saison in der DTM, Foto: DTM

Lawson: Der Kerl hat keine Ahnung

Lawson fiel durch den ausgelösten Dreher zurück und überquerte die Ziellinie außerhalb der Punkteränge auf dem 13. Platz. Noch nie, so sagte er bei Sat.1, habe er gesehen, dass ein Auto in Kurve 2 überholt, wo sich der Vorfall abgespielt hatte. Auf unsere späteren Nachfragen zu Winkelhocks Äußerungen reagierte das Team nicht.

Das erste Aufeinandertreffen mit Unfall-Gegner Winkelhock beschrieb Lawson am Sonntagmorgen nach dem Vorfall so: "Als ich aus dem Auto gestiegen bin, hat er sich sofort entschuldigt. Aber das war die halbherzigste Entschuldigung, die ich jemals gesehen habe. Ich wollte mit ihm sprechen und fragen, was er sich dabei gedacht hat. Er hat es rumgedreht, es quasi mir zugeschoben und gesagt, dass ich das Risiko eingegangen sei. Für mich hat der Kerl in diesem Hinblick keine Ahnung."

Übrigens: Im Gegensatz zu den Nürburgring-Gaststartern (Haupt, Ammermüller, Stolz, Klien) hätte Winkelhock Punkte für die Meisterschaft erzielen können und sie Lawson 'weggenommen', wäre er vor ihm ins Ziel gekommen. Punktberechtigt sind permanent eingeschriebene Autos, wie der #99 Audi, in dem Winkelhock für Sophia Flörsch einsprang. Deshalb wird Winkelhock ebenso wie Dev Gores Rosberg-Audi-Ersatzmann Christopher Haase in der Meisterschaftstabelle geführt.

Winkelhock: In anderen Serien gibt es verständlichere Regeln

Nicht nur die Reaktion von Lawson sorgte bei Winkelhock für Unverständnis. Auch die Durchfahrtstrafe ärgerte ihn. "Wenn ich im Nachhinein sehe, wer für angeblich nicht regelkonforme Fahrweise wie bestraft wurde, kann ich den Verantwortlichen nur den gut gemeinten Rat geben, sich an einen Tisch zu setzen und zu überlegen, ob das alles wirklich Sinn macht. In anderen Rennserien, in denen ich aktiv bin, gibt es klarere und vor allem verständlichere Regeln."

Was Winkelhock damit meinte, stört derzeit auch einige andere DTM-Piloten: Fünf-, zehn- und 30 Sekunden-Zeitstrafen sowie Durchfahrtstrafen während oder nach den Rennen sorgen zum Teil für Unverständnis bei Teams und Zuschauern. In der Eifel erwischte es unter anderem Lawson, als er wegen einer Kollision im Sonntagsrennen - ausgerechnet mit Winkelhocks Abt-Teamkollegen - Kelvin van der Linde und Mike Rockenfeller eine Durchfahrtsstrafe kassierte.