Dass Diskussionen über die Balance of Performance die DTM 2021 auf Schritt und Tritt begleiten, war den meisten Szene-Kennern seit vielen Monaten bewusst. Was sich bei den Testfahrten angedeutet hatte, setzt sich beim Saisonauftakt im italienischen Monza fort.

Serienchef Gerhard Berger weiß, wieso er liebend gern grundsätzlich auf eine BoP in 'seiner' Serie verzichten würde, doch die unterschiedlichen Konzepte der GT3-Autos verlangen seit jeher nach einer Einstufung, um auf einem vergleichbaren Niveau gegeneinander antreten zu können.

Beim Ferrari-Sieg von Liam Lawson (AF Corse) und dem doppelten Mercedes-Podesterfolg durch Vincent Abril und Maximilian Götz (beide HRT-Mercedes), schauten vor allem Audi und BMW in die Röhre. Kelvin van der Linde als bestplatzierter Audi-Pilot überquerte die Ziellinie als Sechster mit 16 Sekunden Rückstand auf GT3-Anfänger Lawson. Der zweifache DTM-Meister Marco Wittmann errang als einziger von drei BMW-Fahrern im Feld als Neunter Meisterschaftspunkte.

Berger räumt ein: Wir müssen nachbessern

Kritik an der BoP, für die DTM-Partner AVL verantwortlich ist, ließ erwartungsgemäß nicht lange auf sich warten. "Das Mehrgewicht, das wir vor dem Rennen erhalten haben, hat gezeigt, dass wir keine Chance auf vordere Plätze hatten", sagt Chris Reinke, Leiter Audi Sport customer Racing, in Monza zu Motorsport-Magazin.com. "Wenn die AVL diese Tatsache richtig analysiert, denke ich, dass für das zweite Rennen noch etwa geändert werden muss. Sonst brauchen wir hier nicht mehr zu fahren."

"Wir müssen beim Feintuning nachbessern, um es perfekt für alle hinzubekommen", betonte DTM-Chef Gerhard Berger im Gespräch mit Motorsport-Magazin.com und gab offen und ehrlich zu, "dass Audi und BMW nicht auf dem Level derjenigen war, die letztendlich um die Podiumsplätze kämpften."

Das Rennergebnis spiegelt sich in den Zahlen wider. Sieger Lawson erzielte in den 29 Runden eine theoretische Bestzeit (persönliche Bestzeiten in allen Sektoren kombiniert) von 1:47.583 Minuten. Der Drittplatzierte Max Götz hätte als schnellster Mercedes-Vertreter theoretisch eine 1:47.763 geschafft. Die schnellste theoretische Bestzeit im Audi-Lager ging auf das Konto von DTM-Vizemeister Nico Müller: 1:48.330 und damit in Summe 0,747 Sekunden langsamer als der Ferrari 488 GT3.

Audi lädt zu - dann wieder aus

"Wir waren vor dem ersten Event mit unseren Analysen AVL gegenüber sehr transparent und offen", versicherte Audi-Leiter Reinke. Nach privaten Testfahrten mehrerer DTM-Teams Anfang Juni in Monza entschied AVL nach Informationen von Motorsport-Magazin.com unter anderem, dem Audi R8 LMS GT3 in der Einstufung ein Zusatzgewicht von 20 Kilogramm aufzuerlegen. Nach dem Qualifying an diesem Samstagvormittag (Bester Audi auf P8) und vor dem Rennstart durfte der Audi wieder 15 Kilo ausladen.

Deutliche Worte gab es auch von Audi-Rosberg-Teamchef Kimmo Liimatainen, der zwar anmerkte, dass alle DTM-Beteiligten weiter in einem Lernprozess steckten, aber auch AVL noch Hausaufgaben zu erledigen habe: "Ich empfinde es als positives Zeichen, dass sie nach dem Qualifying schon leichte Anpassungen vorgenommen haben, aber es war aus unserer Sicht leider zu wenig."

DTM 2021 Monza: Samstagsrennen als Zusammenfassung (02:56 Min.)

DTM hält BoP-Einstufung geheim

Mit welchem Gewicht Audi und alle anderen Markenvertreter unterwegs waren, ist allerdings nicht in Gänze bekannt. Denn: Die BoP-Einstufungen für das DTM-Event in Monza wurden bislang trotz mehrfacher Nachfrage nicht veröffentlicht! Das sei eine Ansage von ganz oben, heißt es im Fahrerlager. Eine höchst unübliche Vorgehensweise, schließlich gehen alle anderen relevanten GT3-Serien auf der Welt auch für fachkundige Fans und Medienvertreter transparent mit den Daten um.

Berger beruhigt Fans und Medien, die verärgert über diese Entscheidung sind und betont: "Was ich bisher dazu gelesen habe, ist nur die halbe Wahrheit! Und genau das ist auch der Grund, warum wir momentan noch darauf verzichten, die BoP zu veröffentlichen."

Geheimsache BoP in Monza

Will die DTM das durchaus heikle Thema BoP etwa totschweigen? Nach Informationen von Motorsport-Magazin.com haben auch die in der DTM involvierten Teams die von der ITR gewünschte Ansage, keine derartigen Daten herausgeben.

Während eines Team-Meetings in Monza sollen sich sogar einzelne Teamvertreter dafür ausgesprochen haben, überhaupt nichts über die Balance of Performance zu kommunizieren und im besten Fall gar nicht erst in der Öffentlichkeit darüber zu sprechen.

Den Grund dafür erklärt Berger so: "Die BoP ist grundsätzlich kein Geheimnis. Wir haben dieses Thema an die AVL übergeben und meine Meinung ist, dass sie bisher einen außergewöhnlichen guten Job machen."

Ein Teamchef, der namentlich nicht genannt werden möchte, meinte am Freitagabend im Fahrerlager zu Motorsport-Magazin.com "Ich halte das ("Geheimnis", d. Red.) für die völlig falsche Herangehensweise." Die genauen Gründe für diese höchst diskutable Vorgehensweise sind so wenig bekannt wie die BoP selbst. Angeblich, so jedenfalls hört man hinter vorgehaltener Hand, will vor allem die AVL ihre BoP-Daten nicht veröffentlichen, damit andere Rennserien mit ähnlichen Modellen sie nicht einsehen und vergleichen können.

Monza: Aufregender Auftakt der DTM in die Saison 2021, Foto: DTM
Monza: Aufregender Auftakt der DTM in die Saison 2021, Foto: DTM

Berger: Mercedes war am ehrlichsten

So weit daneben, wie es manche Szene-Kenner befürchtet hatten, lag das österreichische Unternehmen AVL bei seiner vorrangig per Software erstellten Einstufung fürs erste Rennen nicht - obwohl die Teams bzw. Hersteller wie üblich viel dafür taten, bei der BoP möglichst gut wegzukommen.

So sieht es auch Berger und stellt fest: "Am ehrlichsten war Mercedes-AMG. Das spiegelt sich auch in der BoP wider. Ferrari und Lamborghini können sich auch nicht beschweren. Was Audi und BMW betrifft, habe ich bereits alles gesagt (siehe fünfter Absatz, d. Red.)."

Götz: BoP wird immer Thema sein

"Die BoP ändert sich ständig", sagte Überraschungs-Sieger Lawson während der DTM-Pressekonferenz nach dem Rennen. "Ich denke, dass es weiter viele Änderungen geben wird. Zu Beginn lag das Feld eng zusammen, da zog keiner weg."

Laut dem Sportlichen Reglement sind Änderungen an der BoP während der ersten drei Rennwochenenden auch im Laufe einer Veranstaltung möglich. Ebenso gibt es die Regelung, dass die drei Erstplatzierten eines Rennens - in diesem Fall Lawson, Abril und Götz - Zusatzgewichte für den nächsten Lauf in Höhe von 25, 18 und 15 Kilogramm erhalten.

Der erfahrene GT3-Pilot Götz, bei seiner DTM-Rückkehr erstmals auf dem Podium: "Es ist zu früh, um zu sagen, ob sie (AF Corse Ferrari; d. Red.) wegen der BoP gewonnen haben. In der DTM ist das neu und die BoP ist immer ein Thema. Da werden wir bestimmt nach jedem Rennen drüber sprechen."