Jetzt steht es auch offiziell fest: Das im Motorsport neuartige Lenksystem namens Space Drive kommt in der bevorstehenden DTM-Saison 2021 zum Renneinsatz. Das Mercedes-Team Mücke Motorsport bestätigte an diesem Mittwoch, dass der zweifache DTM-Champion Gary Paffett die Technologie an Bord seines Mercedes-AMG GT3 haben wird.

Nach Informationen von Motorsport-Magazin.com sollen auch Audi-Abt-Debütantin Sophia Flörsch sowie BMW-ROWE-Pilot Timo Glock das System, das ganz ohne mechanische Verbindung zwischen Lenkeinheit und Lenkgetriebe agiert, in den Rennen fahren.

Flörsch nutzte das Space Drive bereits bei den offiziellen DTM-Testfahrten in Hockenheim in einem Testauto von Lieferant Schaeffler Paravan. Ihr eigentlicher Audi R8 LMS GT3 für den Renneinsatz wurde bereits mit dem Lenksystem ausgestattet und soll erstmals bei den nächsten Testfahrten auf dem Lausitzring (04.-06. Mai 2021) zum Einsatz kommen.

Während sich Paffett bei seinem eintägigen Testeinsatz in Hockenheim bereits mit der im Rennsport ungewöhnlichen Lenkung vertraut machen konnte, war der BMW M6 GT3 von ROWE Racing mit den Fahrern Glock und Sheldon van der Linde zunächst ohne Space Drive unterwegs. Der Rennwagen aus München wird derzeit bei Schaeffler Paravan in Pfronstetten-Aichelau umgebaut und soll ebenfalls pünktlich zum Lausitz-Test bereitstehen.

Mücke Motorsport kehrt mit Gary Paffett in die DTM zurück, Foto: DTM
Mücke Motorsport kehrt mit Gary Paffett in die DTM zurück, Foto: DTM

Space Drive: Lenkung über elektrische Impulse

In der DTM will Schaeffler Paravan unter dem Motorsport-affinen Gründer Roland Arnold das ursprünglich für den Einsatz im Straßenverkehr ausgetüftelte System weiterentwickeln. Space Drive erlaubt es seit rund 20 Jahren Menschen mit einer Behinderung, am Straßenverkehr teilzunehmen. Der Clou dahinter: Die Übertragung der Lenkbefehle erfolgt innerhalb von Millisekunden über Kabel - also 'by-Wire' - durch elektrische Impulse.

Um Space Drive in der DTM einsetzen zu können, mussten der Deutsche Motor Sport Bund DMSB sowie die FIA grünes Licht geben. Das ist bereits vor einer Weile geschehen, letztendlich lag es an der DTM-Dachorganisation ITR, ein Bulletin an die Teams herauszugeben und damit quasi den Einsatz in der Saison 2021 offiziell zu bestätigen.

Aufgrund der Sicherheitsthematik muss jeder Fahrzeugtyp für die DTM freigegeben werden. Seit 2019 fuhren GT3- und GT4-Rennwagen mit Space Drive und DMSB-Zulassung unter anderem in der Rennserie GTC Race sowie beim 24-Stunden-Rennen 2020 auf dem Nürburgring.

Space Drive! Technologie-Revolution unter der Lupe: (12:19 Min.)

Paffett: Space Drive etwas völlig Neues für mich

DTM-Urgestein Paffett nach seinen ersten Eindrücken: "Mit einer Steer-by-Wire Lenkung zu fahren, war für mich etwas völlig Neues. Es fühlte sich sehr ähnlich an, im Vergleich zu einer konventionellen Lenkung. Natürlich gibt es kleine Unterschiede, aber mit dem Ansprechverhalten und der Rückmeldung war ich sehr zufrieden. Das Projekt hat sehr viel Potential für die Entwicklung zukunftsweisender Technologien."

Während Fahrer üblicherweise auf mechanische Art und Weise Feedback von den äußeren Bedingungen direkt am Lenkrad erhalten, erfolgt die Übertragung mit dem Space-Drive-System mittels Technologie. Die Force-Feedback-Lenkeinheit ist mehrfach redundant aufgebaut, um für größtmögliche Sicherheit zu sorgen. Über ein speziell entwickeltes Strommodell werden Kräfte an das Lenkrad übertragen, um es nach Belieben leicht- oder schwergängiger zu gestalten und Einwirkungen wie Untersteuern oder das Überfahren von Kerbs direkt an den Fahrer weiterzuleiten.

Gary Paffett verabschiedete sich 2018 mit seinem zweiten Titelgewinn aus der DTM, Foto: DTM
Gary Paffett verabschiedete sich 2018 mit seinem zweiten Titelgewinn aus der DTM, Foto: DTM

Erfinder: System funktioniert unter Extrembedingungen

"In den letzten zwei Jahren haben wir bereits bewiesen, dass Space Drive unter den Extrembedingungen des Rennsports verlässlich funktioniert und wir wichtige Impulse für die Weiterentwicklung erhalten", wird Schaeffler-Paravan-CEO Roland Arnold in einer Pressemitteilung zitiert. "Über den Winter haben wir das umfangreiche Datenmaterial analysiert und weitere Optimierungen vorgenommen. Jetzt gilt es, diese Erkenntnisse zu vertiefen und wichtige Impulse für die zukünftige Space Drive 3 Entwicklung zu erhalten."

Das Mercedes-Team Mücke Motorsport führt die Renneinsätze mit dem umgebauten Mercedes-AMG GT3 durch. Der Rennstall aus Berlin fuhr bereits zwischen 2005 und 2016 für die Marke mit dem Stern in der Tourenwagenserie. Berühmt wurde die Mannschaft um Peter Mücke vor allem durch ihre Ausbildung von Nachwuchspiloten in unterschiedlichen Formelrennserien. Zwölf Mücke-Piloten gelang später der Schritt in die Formel 1, darunter Sebastian Vettel, Sergio Perez, Pascal Wehrlein, Robert Kubica, Sebastien Buemi und Lando Norris.

"Wir freuen uns sehr, mit Schaeffler Paravan die Space Drive Technologie im Rahmen der DTM weiterentwickeln zu können", sagt Mücke, der eines von insgesamt fünf Mercedes-Teams in der DTM leitet. "Motorsport hat schon immer die Technologieentwicklung beschleunigt, und in diesem Bereich möchten wir mit unserer Expertise einen Beitrag für die zukünftige Entwicklung leisten."