Gerhard Berger weiß, wie man Schlagzeilen produziert. Fast schon beiläufig ließ der nun alleinige DTM-Chef beim Saisonfinale in Hockenheim einen Satz fallen, der erst einmal für Furore sorgte. "Lass einen Platz offen! Sebastian Vettel hat sich letzte Woche gemeldet." Gerichtet war dieser mit einem verschmitzten Grinsen versehene Appell an Audis Kundensport-Leiter Chris Reinke, der ebenfalls zur großen Präsentation der DTM-Zukunft geladen war.

Sebastian Vettel 2021 in der DTM? Für Berger ein Traum-Szenario, schließlich sorgten schon in der Vergangenheit berühmte Namen wie Mika Häkkinen, Heinz-Harald Frentzen oder Jean Alesi für das Salz in der Suppe der einstigen Hersteller-Meisterschaft. Ob sich Kundenteams, die kommendes Jahr mit GT3-Autos an den Start gehen sollen, derartige Rennsport-Promis überhaupt leisten könnten?

Dass am Vettel-Traum nichts dran ist, räumte Berger wenig später sogar selbst ein. Bei einer Medienrunde, die im Gegensatz zur Hockenheim-Präsentation nicht für die Öffentlichkeit zugängig war, antwortete er auf Nachfrage: "Seb würde sofort ja sagen. Aber seine Partner in der Formel 1 werden seinen 100-prozentigen Fokus brauchen. Daher würde ich sagen, aus heutiger Sicht: nein. Aber in Zukunft kann man immer träumen von Leuten wie Sebastian Vettel."

Unter dem GT3-Reglement nach FIA-Regularien, das ab 2021 die kurze Class-1-Ära ablöst, ist es schwer vorstellbar, dass sich weltberühmte Rennfahrer der DTM anschließen werden. Aktuelle DTM-Piloten dürften das Höchste der Gefühle sein. "Um diese Superstars auf die Plattform zu bekommen, brauchen wir Fahrzeuge, die sie sportlich ans Limit treiben. Und das wollen wir auch in Zukunft wieder hinbekommen", meinte Berger

Paydriver-Modell in DTM möglich

Die kurzfristige Realität sieht etwas anders aus. Um ein Programm in der DTM zu realisieren, benötigen Teams nach aktuellen Einschätzungen gut eine Million Euro pro Auto. Üblicherweise bringen im GT3-Kundensport die Fahrer selbst einen bedeutenden Teil des Budgets auf. "Es müssen Sponsoren da sein und man muss auch über ein Paydriver-Modell für ein Auto überlegen", wollte Rosberg-Teamchef Kimmo Liimatainen erst gar keine Luftschlösser bauen.

Leiter Audi Sport customer racing Chris Reinke, der andere Sorgen haben dürfte, als einen Platz für Vettel freizuhalten: "Im Moment ist es mit Sicherheit ein Traum, dass wir diese tollen und großen Namen etablieren können. Aber das ist die Kür zum Schluss. Jetzt gilt es erst mal die Pflicht zu erledigen und Business Cases aufzustellen: Wie kriegen wir Teams in die Lage versetzt, an der DTM teilzunehmen?"

Zukunfts-Präsentation beim DTM-Finale in Hockenheim, Foto: Audi Communications Motorsport
Zukunfts-Präsentation beim DTM-Finale in Hockenheim, Foto: Audi Communications Motorsport

Berger wäre mit 13 Teams zufrieden

Audi und BMW - wegen des Auslaufmodells M6 GT3 möglicherweise erst ab 2022 am Start - haben Berger, in welcher Form auch immer, Unterstützung zugesagt. Unklar, wie es andere Hersteller halten. Der Österreicher soll zuletzt in Gesprächen mit Herstellern zugesichert haben, dass mindestens je vier Rennwagen von Audi, BMW, Mercedes-AMG, Aston Martin und Ferrari an den Start gehen werden. Das hat Motorsport-Magazin.com aus Herstellerkreisen erfahren.

Rund 40 Teams sollen Interesse an einem Einstieg in die DTM geäußert haben. Hier zeigte sich allerdings auch Berger angesichts der Umstände als Realist. "Wenn von den 40 ein Drittel übrig bliebe, wäre ich zufrieden", sagte der frühere Formel-1-Fahrer in der Süddeutschen. Das wären rund 13 Teams, die ein Starterfeld aus 26 Autos bilden würden.

Angesichts der schwierigen wirtschaftlichen Situation, dem nationalen Konkurrenzkampf mit dem ADAC GT Masters und dem immer kleiner werdenden Sponsoren-Kuchen würden Szene-Kenner ein Starterfeld mit mindestens 20 Autos bereits als Erfolg bewerten.

Rast: Fahrer, die sonst nicht in die DTM gekommen wären

Dabei dürfte die Anzahl der 'Promi-Fahrer' in den Cockpits überschaubar sein. Voraussetzung ist der Besitz einer FIA-Lizenz A oder B. Darunter fallen faktisch neben den bekannten Werksfahrern auch viele GT-Piloten mit einer gewissen Anzahl an Rennen sowie zahlreiche Nachwuchsfahrer aus dem Formel- und GT-Sport. Alle Fahrer, die im ADAC GT Masters antreten, könnten problemlos eine B-Lizenz erwerben.

Der dreifache Meister Rene Rast kann sich eine Zukunft in der DTM vorstellen, wenngleich sein Werksprogramm in der Formel E nun Priorität genießt. In einer Audi-Pressemitteilung wurde Rast zitiert: "Ich kann mir das generell schon vorstellen, auch wenn die DTM nicht mehr das Gleiche sein wird: Die GT3-Autos sind langsamer, haben ABS, Traktionskontrolle. Es gibt keinen stehenden Start mehr und sicherlich auch einige Fahrer, die sonst nicht in die DTM gekommen wären."

GT3-DTM wirklich so begehrt?

Laut Berger sei die GT3-DTM bei den Fahrern heiß begehrt und es gebe kaum jemanden, der nicht schon Kontakt zu ihm aufgenommen habe. "Auch Kubica", meinte Berger. "Alle sind ganz gespannt darauf, wer reinkommt, wie es weitergeht und wann es losgeht". Beim Hockenheim-Finale wollte Berger noch keine konkreten Namen - weder bei Teams noch Sponsoren - nennen und verwies auf einen späteren Zeitpunkt zu Beginn des kommenden Jahres.

Ob Robert Kubica im Gespräch mit Berger etwas anderes sagte als zuletzt in einer DTM-Pressekonferenz? Der wohl berühmteste DTM-Fahrer machte aus seiner Abneigung gegen GT3-Autos - einst speziell für den Kundensport mit Fahrhilfen und überschaubarer Downforce entwickelt - kein großes Geheimnis: "Statt in der DTM mit GT3 zu fahren, würde ich das lieber in der VLN (NLS; d. Red.) auf der Nordschleife machen."

Sollte Kubicas langjähriger Sponsor aus Polen allerdings eine Fortsetzung in der DTM - das Programm mit dem Kunden-BMW war eigentlich auf zwei Jahre ausgelegt - bevorzugen, könnte der frühere Formel-1-Fahrer auch 2021 wieder zum Starterfeld gehören. So gilt es auch bei sämtlichen Sponsoren abzuwägen: Ist die DTM als eine weitere GT3-Serie, jedoch mit großer Geschichte und attraktivem TV-Partner im Rücken, ein Investment wert?

Vettel-Anruf? Worum es wirklich ging

Auch wenn Berger in Hockenheim nur wenig Neues zur GT3-DTM erzählen konnte, hatte er eines erreicht: die DTM war plötzlich wieder Thema in der Formel-1-Welt, als Sebastian Vettel während einer Pressekonferenz auf einen möglichen Einstieg angesprochen wurde.

In Istanbul sagte der Noch-Ferrari-Fahrer über seinen Austausch mit Berger: "Wir haben über den Fakt gesprochen, dass in der Vergangenheit viele Fahrer Dinge außerhalb der Formel 1 gemacht haben. Aber das ist lange, lange her. Ich glaube nicht, dass man es sich leisten kann, dorthin zurückzukehren. Es wäre schön, unterschiedliche Autos zu fahren und verschiedene Herausforderungen zu meistern. Aber mit 23 Rennen in einer Saison ist das eine schwierige Aufgabe, weil die Hälfte der Wochenenden schon belegt ist."

Die Vettel-Absage war keine Überraschung, aber die DTM wird weiter munter trommeln für die eigene Plattform. Dazu passt auch der Umzug von Stuttgart in die Medienstadt München mit dem verkleinerten ITR-Team, wie Berger den Kurs vorgab: "Wir sind in den letzten Jahren sehr abgedriftet zu einer Plattform, die sich wahnsinnig mit der Technik auseinandergesetzt hat. Wir müssen wieder mehr Marketing-getrieben werden."