Hans-Joachim Stuck ist in über 50 Jahren Motorsport-Karriere schon so ziemlich alles gefahren, was vier Räder und viel Leistung hat. Ein von vier Formel-E-Motoren angetriebener und durch Sensorik gelenkter Bolide mit einer Leistung von 1.200 PS und ähnlichen Drehmoment-Werten gehörte bislang nicht dazu.

Beim DTM-Saisonfinale in Hockenheim war es dann soweit, als Stuck den innerhalb von wenigen Monaten durch Schaeffler aufgebauten Silhouetten-Prototypen mit der enormen Leistung bei Demo-Runden über die Strecke pilotierte. "Ich war mega-beeindruckt, was du mit so einem Auto machen kannst, auch mit der Technik", zeigte sich der 69-Jährige im Anschluss durchaus offen für Neuheiten im Motorsport.

Angetan hatte es Stuck neben der Leistung auch die besondere Lenkung mit dem Namen Space Drive, bei der eine mechanische Verbindung zwischen Lenkgetriebe und Lenkrad nicht mehr vorhanden ist. Die Übertragung der Lenkbefehle erfolgt stattdessen innerhalb von Millisekunden über Kabel - also 'by-Wire' - durch elektrische Impulse.

Der frühere Formel-1-Fahrer, DTM-Champion und zuletzt DMSB-Präsident Stuck: "Das Steer-by-Wire ist wirklich sensationell! Das Feedback der Lenkung und wie sie reagiert. Ein mega Erlebnis und ein ganz wichtiger Schritt für den Weg in die Zukunft."

Daumen rauf von Strietzel Stuck für die DTM Electric in Hockenheim, Foto: Toni Alex
Daumen rauf von Strietzel Stuck für die DTM Electric in Hockenheim, Foto: Toni Alex

DTM Electric: Rennen bis zu 45 Minuten

Ab 2023 könnte die sogenannte DTM Electric die ITR-Plattform als eine von mehreren Säulen ergänzen. In den kommenden Monaten soll der Prototyp auch mit den in Hockenheim gewonnenen Erkenntnissen durch das Feedback unterschiedlicher Fahrer weiterentwickelt werden. Dabei dürfte der Rennwagen unter anderem noch einige Kilo abspecken im Vergleich zur Demo-Version am Wochenende.

Beim 1.200-Monster in Hockenheim handelte es sich noch längst nicht um die finale Rennversion, mit der die DTM ab 2023 Rennen mit einer Dauer von bis zu 45 Minuten samt automatisiertem Batteriewechsel anstrebt, wie Motorsport-Magazin.com erfahren hat. Während Schaeffler bei der technologischen Entwicklung die Regie führt, könnten Hersteller eigene Silhouetten verwenden, die ihrem Marken-Image entsprechen.

"Erste Frage: Wie viel PS hat das Auto?"

Beim Finale auf dem Hockenheimring war auch das Interesse der DTM-Fahrer groß. Jeder wollte zumindest einen Blick auf den Tourenwagen-ähnlichen Prototypen werfen, der das Feld in die Startaufstellung führte und anschließend mit einem Kavaliersstart das Grid mächtig einnebelte. "Für uns Fahrer lautet immer die erste Frage: Wie viel PS hat das Auto? Das hier hat genug! Die Zukunft sieht vielversprechend aus", meinte Audi-Pilot Robin Frijns.

Markenkollege und Vize-Meister Nico Müller sprach von einer positiven Botschaft der DTM mit diesem schon greifbaren Projekt, und fügte an: "Es gab im Vorfeld nur wenige Gerüchte, und dann holt einer so etwas aus dem Sack! Ein durchdachtes Projekt. Ich denke, dass die pure Performance die Motorsport-Fans begeistern wird. Ich kann es gar nicht erwarten, selbst zu probieren, wie es ist, diese 1.200 PS unter dem Hintern zu haben."

Bevor eine Elektro-DTM tatsächlich Rennen austragen könnte, gilt es noch zahlreiche Fragen zu klären: Wie lange halten die Batterien angesichts der enormen Power durch? Wie oft und wie überhaupt müssen sie gewechselt werden? Welche Kosten würden Rennen mit diesen Fahrzeugen verursachen? "Wenn die Zeit gekommen ist, wird sich BMW sicherlich damit beschäftigen und schauen, was das Alleinstellungsmerkmal für einen Hersteller sein kann", sagte der scheidende BMW-Motorsportdirektor Jens Marquardt.

Burnout auf elektrisch: Das Demo-Auto beim DTM-Finale in Hockenheim, Foto: Toni Alex
Burnout auf elektrisch: Das Demo-Auto beim DTM-Finale in Hockenheim, Foto: Toni Alex

Neue E-DTM mit bekannter Technologie

Unter der Silhouette des Demo-Autos auf dem Hockenheimring steckt Technologie, die schon vor einiger Zeit für reichlich Furore sorgte. Der Antrieb basiert auf der Technologie des sogenannten 'Schaeffler 4e Performance', einem Konzeptfahrzeug auf Basis eines Audi A3. Daniel Abt, der auch in Hockenheim am Steuer saß, machte das Auto 2018 zum YouTube-Star und stellte mit einem Topspeed von 209,7 km/h einen neuen Weltrekord auf - im Rückwärtsfahren!

Die Motorentechnologie stammt aus der Formel E, wo Schaeffler seit 2014 die elektrischen Antriebsstränge für Audi entwickelt. Auch im Demo-Fahrzeug kommt ein Einzelradantrieb mit variabler Antriebsmomentverteilung und Schlupfregelung zum Einsatz.

Matthias Zink, Vorstand Automotive Technologies bei Schaeffler: "Wir wollen die DTM technisch in die Zukunft bringen, elektrisches Fahren mitgestalten und innovativ sein. Wir wollen Formate finden, wie wir den Motorsport emotional, aber auch elektrisch darstellen können. Das ist eine Pionierrolle. Wir machen das bewusst, um auch Ergebnisse sowohl beim Antrieb wie bei bei der Lenkung zu erzielen."

Rast: Spannende Jahre vor uns

Dass die künftige DTM Electric nicht mehr auf einen Verbrennungsmotor setzte, störte die DTM-Piloten nicht, wie herauszuhören war. Credo: Hauptsache, genug Leistung! "Wir haben spannende Jahre vor uns", meinte der nun dreifache DTM-Champion Rene Rast. "Wir haben in der Formel E gesehen, dass auch Elektro-Racing spannend sein kann. Warum nicht auch in der DTM?

BMW-Aushängeschild Marco Wittmann, der als Partner von Schaeffler schon etwas früher von dem Projekt wusste: "Ich bin weiter ein Petrol-Head. Aber die Zeiten ändern sich auf der Welt. Und hier reden wir über 1.200 PS, das ist wirklich beeindruckend. Was die Jungs in so einer kurzen Zeit aufgebaut haben, ist toll. Es zeigt, dass die DTM eine leuchtende Zukunft haben kann, nicht nur als GT3-Plattform."

DTM Electric: So sieht das 1.200-PS-Rennauto aus: (01:03 Min.)