Die Ausgangslage vor dem letzten Rennen der DTM-Saison 2020 in Hockenheim war eindeutig: Rene Rast musste nach seiner Pole Position am Vormittag 'nur' mindestens Fünfter werden, um seine dritte Meisterschaft einzusacken. Der verbliebene Titelrivale, Nico Müller, hätte mindestens auf den zweiten Platz fahren müssen, um bei 16 Punkten Rückstand seine Chancen zu wahren.

Das Ergebnis ist bekannt. Rast gewann das Sonntagsrennen auf dem Hockenheim, feierte seinen 24. DTM-Sieg und geht damit als erfolgreichster Audi-Fahrer in die Geschichtsbücher ein. Stilvoller hätte der 34-Jährige den Titeltriumph nicht gestalten können. Doch rückblickend bleibt die Frage offen: Riskierte Rast in diesem entscheidenden Rennen zu viel?

Dass er sich nicht auf seinem Punktepolster ausruht, bewies Rast schon am Samstag mit seinen harten und spektakulären Duellen mit Müller. Sogar während der Safety-Car-Phase tauschten die beiden Audi-Rivalen Lack untereinander aus. "Das war eine Zurschaustellung der Performance, die die beiden leisten können", jubelte Audi-Motorsportchef Dieter Gass und war insgeheim froh, dass beide die Ziellinie sahen.

Während sich Rast am Samstag dem Schweizer geschlagen geben musste, meldete er sich einen Tag später zurück. Dabei führte der Sieg über Mike Rockenfeller - es war ein steiniger. Nachdem Rast die Führung verloren hatte, kam es auch zwischen diesem Audi-Duo zum Zweikampf, mehrfacher Kontakt inklusive. Statt die Meisterschaft in Ruhe nach Hause zu segeln, preschte Rast in Richtung Sieg und nahm den Lackaustausch samt Risiken offenbar in Kauf.

Rast: Nicht den Sieg, sondern P5 gejagt

Weil er unbedingt einen Sieg mehr haben wollte als Audi-Ikone Mattias Ekström? "Darauf habe ich mich nicht fokussiert", versicherte der ambitionierte Rast. "Ich habe eigentlich nicht den Sieg, sondern den fünften Platz gejagt." Seine Performance auf der Strecke mit seinem "Granaten-Auto, damit hätte ich bis morgen früh weiterfahren können" vermittelte zumindest einen anderen Eindruck.

Dabei war der Kampf mit Rockenfeller durchaus risikoreich. Ein unglücklicher Reifenschaden hätte ausgereicht und Müller hätte sich auf den letzten Metern die Meisterschaft gesichert. Der Abt-Pilot überquerte die Ziellinie letztendlich mit großem Rückstand als Zweiter, aus Sicht der Punktekonstellation hätte das bei einem Rast-Ausfall hätte gereicht.

DTM Highlights: Hockenheim-Finale mit Rast-Titel und Zukunft (01:41 Min.)

Berger: Das macht einen Champion aus

"Ich habe früh gespürt, dass wir ein gutes Auto haben. Deshalb habe ich Mike angegriffen und überholt. Ich habe nicht daran geglaubt, dass wir uns drehen könnten", wirkte Rast nach dem Titel-Meisterwerk entspannt. Gratulation von DTM-Chef Gerhard Berger: "Am meisten beeindruckt mich, wie cool er mit Druck umgeht. Das macht einen Champion aus!"

Rockenfeller machte in seinem 191. DTM-Rennen für Audi noch einmal deutlich, dass es dieses Jahr auch wegen des Teamorder-Verbots weder Freund noch Feind im eigenen Lager gab. Der Champion von 2013 witterte nach dem Blitzstart die Chance auf seinen siebten DTM-Sieg und ging entsprechend zu Werke.

Rocky: "Wenn du führst, willst du den Platz nicht abgeben. Egal, wer dahinter fährt. Rene hat mich beim Anbremsen auf Kurve 8 ziemlich stark berührt und von der Strecke gedrückt. Am Ende der Kurve wollte ich dann nur hallo sagen. Das ist alles."

Rockenfeller: Dann schau was anderes!

Die Rad-an-Rad-Duelle gingen glimpflich aus - Rockenfeller hatte zum Abschied der Class-1-Ära und der DTM in ihrer bisherigen Form noch einmal seinen Spaß: "Wir machen Tourenwagen-Rennen. Wenn du Rennen sehen willst, in denen es keine Berührungen gibt, dann schau was anderes! Für mich war da nicht viel Risiko. Wir hatten es beide unter Kontrolle. Auf dem Level, auf dem wir fahren, können wir das machen."

Während Rockenfeller gegen Rast beherzt reinhielt, konnte man den Eindruck gewinnen, dass er gegen Müller im späteren Rennverlauf etwas weniger robust zur Sache ging. Beim Überholmanöver nutzte der DTM-Veteran seine Zusatzhilfen DRS und Push-to-Pass nicht zur Verteidigung.

Rockenfeller erklärte: "Ich hätte zwei, drei Runden mit ihm kämpfen können mit DRS. Aber meine Reifen waren tot und dadurch habe ich am Ende auch das Podium verloren. Ich musste schon in meinem ersten Stint so viel DRS nutzen, sodass es nichts gebracht hätte, gegen Nico zu kämpfen. Am Anfang wollte ich ja nicht mal mit Rene kämpfen. Aber was soll ich machen, wenn er mich ins Gras drückt? Er nahm da relativ viel Risiko, war schnell und wollte gewinnen. Am End habe ich es ihm ein bisschen zurückgezahlt."