Nico Müller war nach dem Sonntagsrennen der DTM in Zolder mächtig geladen. Der Spitzenreiter in der Meisterschaft ärgerte sich über die entscheidende Situation im Rennen mit der Safety-Car-Phase, ausgelöst durch den Boxengassen-Unfall seines Abt-Teamkollegen Robin Frijns. Müller fühlte sich durch die Abläufe um ein besseres Ergebnis gebracht als den neunten Platz und bewertete sie als unverständlich und inakzeptabel.

Der Schweizer sah sich der Möglichkeit beraubt, seinen Pflicht-Boxenstopp zu absolvieren, bevor das Safety Car das Feld in Runde 12 zusammenführte. Während die späteren Top-7 - darunter Rennsieger Rene Rast und die Podestfahrer Mike Rockenfeller und Lucas Auer - allesamt ihre Reifenwechsel vor dem Beginn der Safety-Car-Phase eingelegt hatten, musste Müller auf der Strecke bleiben.

Dabei habe er laut eigener Aussage rechtzeitig geplant, in die Boxengasse abzubiegen, als sich in Folge des nach der Ausfahrt der Boxengasse gestrandeten Frijns ein Safety Car anbahnte. "Als ich sah, dass gelbe Flaggen kommen, habe ich mein Team direkt informiert, zum Boxenstopp reinzukommen, um das Risiko eines Safety Car zu vermeiden", erklärte Müller.

Und weiter: "Es gibt ein ungeschriebenes Gesetz, nachdem dem ganzen Feld die Chance gegeben werden muss, in die Box zu kommen, wenn das Risiko eines Safety Car besteht, um Slow Zones zu vermeiden. Dadurch bleibt es fair und niemand hat einen riesigen Vorteil."

So habe es die Rennleitung laut Müller zuletzt bei einem der DTM-Rennen auf dem Nürburgring gehalten, als Audi-Fahrer loic Duval verunfallt war: "Da hat der Renndirektor gewartet, bis jeder einmal an der Boxengasse vorbeigefahren war und die Chance hatte, vor dem Safety Car reinzukommen. Heute war das nicht so."

In Zolder sei Müller bereits auf dem Weg in Richtung der Boxengasse gewesen, als die Safety-Car-Phase ausgerufen wurde und ein Reifenwechsel unter diesen Umständen nicht als Pflicht-Stopp gezählt hätte. "Für mich ist das inakzeptabel und unverständlich", so Müller. "Das war beide Male die gleiche Situation, aber sie wurde unterschiedlich gehandhabt. Damit beeinflusst man die Meisterschaft in dieser Phase der Saison. Dadurch wurden uns mindestens 13 Punkte geraubt."

Ein DMSB-Sprecher argumentierte, dass die Rennleitung sich entschlossen habe, in dieser Situation die Boxengasse zu schließen, denn: Frijns' Auto qualmte stark, die Rettungsstaffel musste ausrücken. Um das arbeitende Personal an der Ausfahrt der Boxengasse nicht in potenzielle Gefahr zu bringen, handelte die Rennleitung entsprechend.

Müller bewertete die Situation anders, als er erstmalig an der Stelle vorbeifuhr. Das Auto des Niederländers habe sich in einer sicheren Position befunden. "Nichts, worüber man sich Sorgen machen musste." Tatsächlich dauerte es eine Weile, bis Frijns' Audi anfing stark zu qualmen, nachdem er bei der Boxengassenausfahrt durch einen Fahrfehler in die Leitplanken eingeschlagen war.

Ein Gespräch zwischen Müller und dem Renndirektor kurz nach Rennende brachte offenbar keine Einigung, es ging hitzig zur Sache. "Ich bin jetzt nicht schlauer nach dem kleinen Meeting", so Müller. "Ich bin sehr enttäuscht, wie eine genau gleiche Situation unterschiedlich behandelt wird. Das letzte Mal hatte ich geboxt und alle meine größten Gegner nicht. Da hat der Renndirektor gewartet, bis er das Safety Car auf die Strecke ließ. Das war auch die richtige Entscheidung, es soll ja der Schnellste gewinnen. Heute hätte ich nicht gewonnen, wäre aber mindestens Dritter geworden."

In der Vergangenheit habe die Umsetzung dieser 'ungeschriebenen Regel' oft perfekt funktioniert. Deshalb sah er auch keine Gründe für eine Änderung des Reglements, etwa, dass auch Reifenwechsel während eines Safety Car als Pflicht-Stopp gelten: "Solange man den Fahrern die Chance gibt, in die Box zu fahren, bevor das Safety Car kommt. Wenn die dann zu dumm sind, das nicht zu machen, ist es ihr eigener Fehler. Aber wenn du jemandem nicht die Chance gibst, ist das schlecht. Oft hat es perfekt funktioniert, diesmal nicht. Es gibt Leute, die aus dieser Situation lernen müssen."

Müller büßte beim drittletzten Rennwochenende in Zolder zahlreiche Punkte auf Titelverteidiger Rast ein. Mit 47 Zählern Vorsprung war er nach Belgien gereist - zwei Qualifyings und zwei Rennen später ist der Vorsprung auf zehn Punkte geschrumpft. Rast überholte zudem Frijns in der Gesamtwertung, der durch den Unfall am Sonntag erstmals in dieser Saison komplett leer ausging.

DTM 2020 Zolder: Sonntags-Rennen als Zusammenfassung: (03:03 Min.)