Um Titelfavorit Nico Müller entwickelte sich beim Sonntagsrennen der DTM auf dem Nürburgring ein echtes Drama. Auf dem Weg zum zweiten Sieg in der Eifel wurde der Schweizer immer langsamer und rettete sich letztendlich auf dem fünften Platz ins Ziel. Verantwortlich waren ansteigende Ladeluft-Temperaturen, vermutlich ausgelöst durch einen defekten Sensor. Eine genaue Analyse war am Sonntagabend aufgrund der Parc-Fermé-Bestimmungen noch nicht möglich.

Die Schwierigkeiten traten nicht erst nach Müllers Boxenstopp in der elften der 31 Rennrunden auf, sondern machten sich bereits ab dem fünften Umlauf bemerkbar. "Wir können glücklich sein, dass er das Rennen beendet hat", sagte Abt-Teamchef Thomas Biermaier. "In manchen Runden fehlten ihm 70 PS und in ein paar Runden hat er zwei Sekunden verloren. Das war ein riesiges Problem."

Nach dem Reifenwechsel, den Müller als virtuell Führender absolvierte, machte er das Audi-Team via Funk auf die steigenden Probleme aufmerksam. Eine Antwort vom Kommandostand blieb aufgrund des Funkverbotes in der DTM aus. Audi-Motorsportchef Dieter Gass: "Wir hätten eh nicht eingreifen können, auch nicht mit Telemetrie. Er musste kühlen Kopf bewahren und versuchen, das Auto bis ins Ziel zu bringen."

Bis zur 16. Runde blieb Müller vor Abt-Teamkollege Robin Frijns und Verfolger Rene Rast. Der Niederländer konnte schließlich ohne größere Gegenwehr überholen und zehn Runden später setzte sich Rast ebenfalls durch. Im Verlauf der letzten drei Runden nahm Müller dann noch mehr Gas raus und musste die Markenkollegen Mike Rockenfeller (erster Podestplatz 2020) sowie Loic Duval passieren lassen.

Müller erreichte auf den Geraden des Grand-Prix-Kurses nie mehr als 262 km/h Höchstgeschwindigkeit, während die Konkurrenz mit bis zu 272 km/h vorbeirauschte. "Ich habe versucht, das Problem in den Griff zu bekommen, indem ich Push-to-Pass und das DRS nicht in jeder Runde benutzte", erklärte Müller. "Und wenn du mit 12 bis 15 km/h weniger in einer Kurve ankommst, musst du anders fahren. Ich brauchte ein paar Runden, um zu verstehen, wie man das Meiste aus dem Paket herausholt."

Ein zweiter Sieg auf dem Nürburgring hätte das perfekte Wochenende für Müller bedeutet, der Bestzeiten in beiden Freien Trainings aufstellte und auch beide Pole Positions eroberte. Müller: "Ich hatte in allen Sessions das schnellste Auto. Heute lag es nicht in unseren Händen."

Ohne die technischen Probleme wäre sein fünfter Saisonsieg wohl nur Formsache gewesen. Stattdessen staubte Abt-Teamkollege Frijns ab und feierte nach Assen seinen zweiten Sieg in der DTM. "Im zweiten Stint hatte mein Auto eine sehr gute Balance und ich hätte alles gehabt, um für den Sieg zu kämpfen", war der frischgebackene Vater überzeugt. "Mit den neuen DRS-Regeln wäre ich nicht so weggezogen wie gestern, aber ich hätte Robin das Leben nicht so leicht gemacht."

DTM 2020 Nürburgring: Sonntagsrennen als Video-Zusammenfassung (03:45 Min.)

Frijns nahm die 25 Punkte für den Sieg mit und konnte den Rückstand in der Meisterschaft auf 29 Zähler verringern. Aufgrund der Probleme seines Teamkollegen schmeckte der Sieg aber nicht so gut wie vor einer Woche in Assen. Große Geste: Als Frijns auf dem Corona-Podium jubelte, kam Müller hinzu und applaudierte: "Wenn jemand anders gewinnen soll, dann Robin."

Frijns hatte vor den Boxenstopps rund 2,5 Sekunden Rückstand auf Müller, beim Zieleinlauf 19 Runden später waren es dann genau 13 Sekunden Vorsprung. "Ich habe gesehen, dass er keinen Topspeed mehr hatte", schilderte Frijns. "Mit Nicos Problem war es ein ziemlich einfaches Rennen. Ich habe nur sichergestellt, dass die Abstände passen und meine Reifen verwaltet. Das war leichter als bei meinem Sieg in Assen."