Hochspannend geht es zu in der DTM-Saison 2020. Dass Robin Frijns ausgerechnet beim Heimrennen in Assen seinen ersten Sieg im 45. DTM-Rennen feiern würde, hätte nicht einmal Audi-Motorsportchef Dieter Gass gedacht. Mit nur einer halben Sekunde Vorsprung auf Markenkollege Loic Duval überquerte der Niederländer die Ziellinie im Samstagsrennen als Erster und setzte den Trend der engen Zieleinläufe fort.

Viermal war Frijns zuvor in der laufenden Saison von der Pole Position gestartet, bekam das enorm wichtige Reifen-Management in den Rennen aber nicht so gut hin wie seine Audi-Kollegen. In Assen sorgten ein Regenschauer vor dem Rennstart und kühlere Temperaturen als am Trainings-Freitag dafür, dass das befürchtete Reifen-Chaos - Nico Müller: "Es sind ein bis drei Boxenstopps möglich" - ausblieb. Ein Großteil der Fahrer kam standardmäßig zur Rennmitte an die Box.

Spannend machten es die Audi-Fahrer wieder einmal an der Spitze, Sieger Frijns und den Viertplatzierten Mike Rockenfeller trennten nur 3,188 Sekunden. Nach dem reglementierten Verbot der Teamorder gilt die Devise: 'Feuer frei'. Die Abschaffung des DRS-Fensters und der Regel, dass der Führende ohne Überholhilfen auskommen muss, sorgen für zusätzliche Spannung im Schlussspurt.

Nur Rene Rast haderte mit seinem Reifenumgang auf dem zu Jahresbeginn neu asphaltierten TT Circuit und hatte auf Platz fünf liegend mehr als 13 Sekunden Rückstand auf die Spitze. Diesmal konnte der Titelverteidiger, der zuvor am Lausitzring für den engsten Zieleinlauf der DTM-Geschichte gesorgt hatte, nicht mit seinen Markenkollegen mithalten. Doch der Dreikampf zwischen ihm und dem erstarkten Abt Sportsline-Duo Müller und Frijns bleibt ein Krimi.

DTM 2020 Assen, Rennen 1: Zusammenfassung und Highlights (03:38 Min.)

Der spannendste Markenpokal der Welt

Am Gesamtergebnis änderte das allerdings nichts: Beim siebten Saisonrennen fuhr Audi den bereits dritten Fünffach-Erfolg ein. Sechs Siege und saisonübergreifend 14 Pole Positions in Folge zeichnen ein deutliches Bild: Die DTM hat sich zum spannendsten Markenpokal der Welt entwickelt.

BMW war und bleibt Nebendarsteller unter dem Class-1-Reglement. Der Doppelsieg beim letzten Rennen auf dem Lausitzring dank einer riskanten Strategie durch das Siegerduo Lucas Auer und Timo Glock sowie Audis, die sich taktisch lieber auf den internen Titeldreikampf fokussierten, war bislang der einzige Lichtblick für BMW.

DTM seit 2019: Audi und BMW im Vergleich

StatistikAudiBMW
Siege 202061
Siege seit 2019187
Podestplätze 2020174
Podestplätze seit 20195718
Pole Positions 202070
Pole Positions seit 2019196
Führungsrunden 202022812
Führungsrunden seit 2019677256
Punkte 2020482201
Punkte seit 20191614751

Berger: Schlagabtausch wäre super-wichtig

"Ich hoffe, dass der Schlagabtausch weitergeht", hatte Gerhard Berger am Freitagabend vor dem nächsten BMW-Debakel in Assen gesagt. "Für die Meisterschaft wäre das super-wichtig." Dabei ist eine Vorentscheidung längst gefallen. Audi sammelte 482 Punkte, BMW hat mit 201 Zählern nicht annähernd halb so viele auf dem Konto. Timo Glock fehlen als bestem BMW-Fahrer 95 Punkte zum Spitzenreiter und frisch gebackenen Familienvater Müller.

Über den Winter hatte der Autobauer aus München angekündigt, keinen Stein auf dem anderen zu lassen. Viel Zählbares gebracht hat es bislang nicht außer der Erkenntnis: Der Class-1-BMW ist seinem Audi-Pendant weiter in den meisten Disziplinen unterlegen.

228 zu 12 Führungsrunden

Das lässt sich durch unterschiedliche Statistiken trotz aller Schönrederei belegen: Audi-Fahrer sammelten in der laufenden Saison 228 Führungsrunden. Auf BMW-Seite waren es insgesamt 12 durch Auer und Glock in der Lausitz.

17 der bisherigen 21 Podestplätze gingen auf das Konto von Audi-Fahrern. Seit Einführung der Turbo-Autos Anfang 2019 wanderten 57 Podiumsplätze nach Ingolstadt, nur 18 Pokale nach München.

DTM 2020: Vergleich in der Breite

Statistik 2020AudiBMW
Fahrer in den Qualifying-Top-63111
Fahrer in den Top-6 der Rennen2814

Halbe Sekunde Rückstand

Schaut man rein auf die Abstände, liegen Audi und BMW in den Qualifyings gar nicht so weit auseinander. "Die Zahlen sehen nicht so schrecklich aus", meinte etwa Audi-Pilot Mike Rockenfeller. Am Samstag in Assen bei trockenen Bedingungen hatte Lucas Auer als bestplatzierter BMW-Pilot einen Rückstand von 0,512 Sekunden auf die Streckenrekord-Zeit von Duval.

Es ist nicht so lange her, da galt eine halbe Sekunde Rückstand in der DTM als eine Welt. In fünf der bisherigen sieben Qualifyings fehlte dem jeweils besten BMW-Piloten mindestens so viel Zeit auf den schnellsten Audi. In der Masse sieht BMW bei der Zeitenjagd kein Land: 31 Mal starteten Audi-Fahrer aus den Top-6 der Startaufstellung, nur elf Mal schaffte es ein BMW auf einen der aussichtsreichen Plätze.

"Ich erinnere mich an kein Rennen, in dem das Qualifying so unwichtig war wie heute", hatte Audi-Motorsportchef Dieter Gass nach der zweiten Sechsfach-Pole in dieser Saison das Ergebnis heruntergespielt. Ob die erwarteten Bedingungen mit enorm hohem Reifenverschleiß etwas am Rennausgang geändert hätten? 2019 in Assen war Marco Wittmann der einzige BMW-Fahrer, der sich gegen die Audi-Armada wehren konnte und das Ergebnis aufhübschte.

DTM 2020: Qualifying-Vergleich

Qualifying 2020Schnellster AudiSchnellster BMWAbstand
Spa 12:05.625 (Frijns)2:06.242 (van der Linde)0,617 Sekunden
Spa 22:04.199 (Rast)2:04.987 (van der Linde)0,788 Sekunden
Lausitz 11:15.486 (Frijns) 1:15.685 (van der Linde)0,199 Sekunden
Lausitz 21:15.787 (Frijns) 1:16.316 (Wittmann) 0,529 Sekunden
Lausitz 31:57.822 (Müller) 1:58.414 (Wittmann) 0,592 Sekunden
Lausitz 41:36.344 (Frijns)1:36.615 (van der Linde)0,271 Sekunden
Assen 11:23.341 (Duval)1:23.853 (Auer) 0,512 Sekunden

Wenn der Zweite der erste Verlierer ist

Von streckenspezifischen Problemen kann nach den bisherigen Rennen in Spa-Francorchamps, auf dem Lausitzring und in Assen kaum noch die Rede sein. Der BMW hat Nachteile bei der Beschleunigung, muss die Reifen wegen fehlender Power auf normalem Rennasphalt härter rannehmen als der Audi und hatte bislang eigentlich nur aus langsamen Kurven heraus einen Traktionsvorteil.

Aus vollständig eigener Kraft siegfähig war das BMW-Paket zuletzt am 10. August 2019 in Brands Hatch, als Wittmann den bislang vorletzten Sieg von der Pole Position einfuhr. Die Zwischenbilanz der zweiten und letzten Saison mit den Turbo-Autos: Audi holte seit 2019 mit 1.614 Punkten mehr als doppelt so viele wie BMW (751 Punkte).

In einer Meisterschaft mit nur noch zwei Marken ist der Zweite gleichzeitig der erste Verlierer. Aktuell einziger Hoffnungsschimmer aus BMW-Sicht scheinen Wetterkapriolen zu sein. Am Sonntag in Assen ist Regen vorhergesagt.