"Für Audi war das Ergebnis gut, aber bei der Strategie müssen wir uns verbessern. Ich bin nicht zufrieden mit dem, was ich da gesehen habe." Audi-Motorsportchef Dieter Gass kann seit einer ganzen Weile auf höchstem Niveau klagen.

Beim Samstagsrennen der DTM auf dem Lausitzring erzielte Rene Rast saisonübergreifend den zwölften Sieg in Folge für den Autobauer aus Ingolstadt. Beim Dreifach-Sieg durch Rast, Pole-Setter Nico Müller und Robin Frijns präsentierte sich der einzig verbliebene Gegner BMW einmal mehr nicht siegfähig - und das bei unterschiedlichen Witterungsbedingungen.

Möchte man ein Haar in der Suppe der anhaltenden Audi-Festspiele suchen, dann in Runde 14 des bis zuletzt spannenden, fünften Rennens der Corona-Saison 2020. In jenem Umlauf absolvierte Müller seinen Boxenstopp - als einer der letzten Fahrer im Feld und mindestens eine Runde zu spät. Der Strategie-Fehler beim Wechsel von Regen- auf Slick-Reifen kostete den Abt-Piloten höchstwahrscheinlich den vierten Saisonsieg.

"Ich bin enttäuscht, weil wir nicht gewonnen haben, obwohl wir das schnellste Auto hatten", sagte Müller und stellte sich schützend vor seine Mannschaft nach einem Rennen, das im Nassen begonnen und im Trockenen beendet wurde. "Wir haben nicht die richtige Entscheidung getroffen und mindestens eine Runde zu spät gestoppt."

DTM Lausitzring 2020 Rennen 1: Highlights und Zusammenfassung: (04:10 Min.)

Müllers Ehrenrunde

Während der spätere Sieger Rast und der Drittplatzierte Frijns nach der 13. Runde auf die Hankook-Slicks wechselten, drehte Müller auf abtrocknender Strecke eine weitere Runde. Das kostete ihn nicht nur rund acht Sekunden, sondern auch die zuvor gute Position auf der Strecke. Nach seiner Outlap fielen Frijns, Philipp Eng, Marco Wittmann und in Runde 16 auch Rast über den wehrlosen Müller mit seinen kalten Slicks her und verwiesen ihn bis auf den fünften Platz.

"Ich war nicht sicher, wie viel Zeit man in der Outlap auf der feuchten Strecke verlieren würde, es war definitiv weniger als wir erwartet hatten", meinte Müller. "Das habe ich von meiner Seite falsch beurteilt. Als ich im Verkehr rauskam, fuhren mir die anderen mit ihren warmen Reifen um die Ohren. Ich musste dabei von der Ideallinie abweichen und habe Dreck aufgesammelt."

Gegen die beiden BMW von Eng und Wittmann musste sich Müller strecken und benötigte vier Runden zum Überholen. "Das mögen die Reifen nicht", sagte der Meisterschaftsführende, nachdem er seine Slicks im mittleren Stint härter rannehmen musste als gewünscht, um zum Spitzenduo Frijns und Rast aufzuschließen.

DTM Lausitzring: Stint-Analyse der Top-5

FahrerStint 1Stint 2
Rene Rast13 Rd. (141.695 km/h)19 Rd. (159.366 km/h)
Nico Müller14 Rd. (142.637 km/h)18 Rd. (159.380 km/h)
Robin Frijns13 Rd. (142.156 km/h)19 Rd. (158.572 km/h)
Timo Glock11 Rd. (140.312 km/h)21 Rd. (157.855 km/h)
Marco Wittmann12 Rd. (141.152 km/h)20 Rd. (157.776 km/h)

Frijns und das Reifen-Problem

Mit einem Rückstand von etwas mehr als vier Sekunden hielt sich der Schaden für Müller in der Schlussphase in Grenzen. Vier Runden vor Schluss musste sich Abt-Teamkollege Frijns, dreifacher Pole-Setter in der laufenden Saison, geschlagen geben. Dem Niederländer, der den Lausitzring nicht zu seinen Lieblingsstrecken zählt, gelang es einmal mehr nicht, die Reifen über die Distanz zu managen.

"Das ist immer noch ein Problem", räumte Frijns ein. "Die Strecke bietet wenig Grip und es fehlt das Feeling dafür, was die Reifen machen. Ich dachte eigentlich, dass sie bei feuchten Bedingungen kein Problem darstellen würden, aber es kam anders."

Nachdem er eine Weile seinem ersten DTM-Sieg entgegensteuerte, musste sich Frijns in der 27. Runde Verfolger Rast geschlagen geben. Im Gegensatz zur Vorwoche musste der 33-Jährige diesmal in der ersten Kurve nicht so rabiat vorgehen und leitete souverän seinen zweiten Saisonsieg in Folge sowie den 19. im 63. DTM-Rennen ein.

DTM Lausitzring: Boxenstopp-Vergleich der Top-5

Fahrerin RundeDauer
Rene Rast1341.343 Sekunden
Nico Müller1441.689 Sekunden
Robin Frijns1340.997 Sekunden
Timo Glock1142.202 Sekunden
Marco Wittmann1240.562 Sekunden

Rasts Achterbahn-Saison

Dabei hätte es auch ganz anders laufen können für den von Platz zwei gestarteten Rast. Nach einem schwachen Start fiel er zunächst auf den vierten Platz zurück. Ein Ausflug durchs Kiesbett in der zehnten Runde kostete Rast eine weitere Position.

"Das ganze Jahr ist eine Achterbahn-Fahrt", sagte der amtierende Champion und Zweitplatzierte in der Meisterschaft. "Ich wusste aber, dass es noch nicht vorbei ist, weil alle noch die Reifen wechseln mussten. Meine Pace auf den Slicks war in Ordnung und es gelang mir, vor Nico zu bleiben. Ich bin aber nicht sicher, ob wir die Abt-Jungs mit unserer Pace zum Sieg herausfordern können."

DTM Lausitzring: Schnellste Rundenzeiten (Top-5 Rennen)

Fahrerin RundeRundenzeitDifferenz
Nico Müller221:38.418
Jonathan Aberdein231:38.6440.226
Rene Rast201:38.8130.395
Robin Frijns211:39.0000.582
Harrison Newey281:39.0050.587

Müller: Keine Reifen, kein Sieg

In Sachen Pace hatte Rast Recht, denn Müller war sowohl im Nassen als auch bei trockenen Bedingungen der schnellste Mann im Feld. In 1:38.418 Minuten erzielte er die schnellste Rennrunde und war dabei knapp vier Zehntelsekunden schneller als sein Dauerrivale aus dem Audi Sport Team Rosberg. Beim durchschnittlichen Speed auf Regenreifen war Müller rund 1 km/h schneller, mit Slicks trotz des Verkehrs genau ebenbürtig.

"Am Anfang war die Pace im Nassen gut", bestätigte Müller, der 1,969 Sekunden hinter Rast die Ziellinie überquerte. "Am Ende auch mit den Slicks, aber um Plätze gutzumachen, musste ich so stark pushen, dass ich in den letzten fünf Runden keine Reifen mehr hatte."

Vor dem sechsten Saisonrennen am Sonntag auf dem 5,740 Kilometer langen GP-Layout des Lausitzrings (ab 13:30 Uhr live bei Sat.1 und im Livestream auf der DTM-Webseite) führt Müller die Meisterschaft mit 121 Punkten an. Rast befindet sich auf dem Vormarsch und belegt die zweite Position mit 88 Zählern. Dritter ist der in den Rennen glücklose und in den Qualifyings überragende Frijns (74 Punkte).