Am Freitagabend vor dem Auftakt zum zweiten Rennwochenende der DTM auf dem Lausitzring hat sich Gerhard Berger gegenüber ausgewählten Journalisten ausführlich zum aktuellen Stand der Gespräche über die Zukunft der Serie, Fortführungsszenarien, die Möglichkeit einer GT3-Plattform und Unterschiede zum ADAC GT Masters geäußert.

Einige dieser Aussagen haben große Diskussionen in der deutschen Motorsportwelt ausgelöst. Aus Gründen der Transparenz hat sich Motorsport-Magazin.com dazu entschieden, Bergers Aussagen bezüglich der oben angesprochenen Themen gesammelt zu veröffentlichen. Die Fragen an Berger wurden von unterschiedlichen Journalisten gestellt.

Gerhard Berger über...

...aktuelle Gespräche zur Zukunft: "Ich muss immer ein bisschen schmunzeln, wenn ich in Interviews von Herstellern etwas über die ITR lese. Die ITR, das sind Audi, BMW und ich. Aus meinem anderen Wirtschaftsleben bin ich es gewohnt, dass man Verantwortung einnimmt, wenn man gefordert ist. Diese Verantwortung ist mir manchmal ein bisschen zu weit weg. Wenn man erfolgreich ist, zu sagen: 'Ja, wir haben das gut gemacht', ist eine Sache. Wenn es dann mal knistert, zu sagen: 'Ihr müsst etwas machen', das ist die andere Sache. Deshalb möchte ich da klar sein: es sind beide Hersteller heuer das letzte Mal auf der Plattform in dieser Art und Weise als Mitglieder. Sie sind aber schon noch auch mitverantwortlich, dieses Thema sauber zu lösen."

...ein Konzept für die Saison 2021: "Es gibt einige Vorschläge von uns zu Fortführungsszenarien. Aber am Ende des Tages liegt der Ball bei den beiden Herstellern als Mitgliedern des Vereins, diese Fortführungsszenarien mitzutragen, zu unterstützen oder zu bewilligen. Die Alternative ist ganz klar ein Abwicklungsszenario. Dazu muss man sich dann auch sauber äußern. Ich persönlich glaube, dass die DTM nach so langer und erfolgreicher Zeit bis zum heutigen Tage es wert ist, sich dafür einzusetzen. Für die Fans, die Mitarbeiter, die vielen Jahre harter Arbeit. Aber wenn die beiden Hersteller der Meinung sind, dass diese Plattform nicht mehr daher gehört, dann sind sie als Mitglieder auch in der Lage zu sagen: 'Okay, die Plattform muss weg'. Aber das liegt in den Händen von Audi und BMW."

...die Dringlichkeit einer Entscheidung: "Vorgestern. Ich glaube aber nicht, dass das so entscheidend ist, um das Thema aufzustellen. Die DTM Trophy haben wir irgendwann im November begonnen, und sie steht. Entscheidend ist, dass wir eine Mannschaft haben bei der ITR, dass wir Partner haben, mit denen wir sauber umgehen und sagen müssen, was die Klarheit für die Zukunft ist. Die haben Familien, Arbeitsplätze und Existenzen, die berücksichtigt werden müssen. Deshalb kämpfe ich auch dafür, dass Klarheit kommt. Da ist für mich der viel größere Zeitdruck als das Thema neu aufzustellen."

Foto: DTM
Foto: DTM

...Details zu einer neuen Plattform: "Wir haben zwei Reglements, das Class 1 und das andere Reglement, das für ein Format des Anspruches einer DTM ausreichend ist, ist GT3. Es bleibt sonst nichts übrig. Ich glaube, dass das ein tolles Produkt werden kann, wenn man es richtig gestaltet und aufbaut im richtigen Format und Umfeld, dann kann man aus der Mischung von den beiden oder so etwas Brauchbares machen. Aber wir können nicht den zweiten vor dem ersten Schritt machen. Ich sage immer wieder: Die DTM besitzt drei Mitglieder, und da sind Audi und BMW entscheidend zu sagen: Wollen wir die Plattform weiter existieren sehen oder nicht? Diese Klarheit muss man zuerst einmal hinbekommen."

... den DTM-Ausstieg von BMW und die Mitgliedschaft in der ITR: "Wir sind alle noch Mitglieder. In der Folge des Audi-Ausstiegs hat BMW gesagt: 'In der Form, wie es jetzt stattfindet, kann ich nicht gegen mich selbst fahren'. Somit hat BMW am Ende des Tages die gleiche Entscheidung getroffen wie Audi."

... Jens Marquardts (BMW Motorsport-Direktor) Aussage, dass GT4 und GT3 Kategorien seien, die man schützen und aufpassen müsse, dass der Kundensport nicht unter Druck gerate: "Zuerst habe ich auch nicht richtig verstanden, was er eigentlich sagen will. Ich bin mir gar nicht sicher, ob er dann noch eine Motorsportabteilung braucht. Wenn er nur noch Kundensport macht, dann muss man sagen - was ist eigentlich Kundensport? Für mein Verständnis ist Kundensport Sport, wo Leute, die begeisterte Motorsportler sind, aber einen anderen Beruf haben und wohlhabend sind, in der Lage sind, in ein Geschäft zu gehen und sich ein Auto zu bestellen, mit dem man hobbymäßig am Wochenende Rennen fahren kann. Und der Bäckermeister oder Metzger oder jemand, der ein gutes Geschäftsjahr hatte und Motorsport-begeistert ist, geht dann auf die Rennstrecke und fährt dort hobbymäßig Autorennen. Das ist für mich Kundensport und ein Geschäftsmodell, das sich trägt, weil Hersteller so ihre Autos verkaufen und Geld verdienen. Hobbyrennfahrer haben die Möglichkeit, mit tollen Autos Rennsport zu betreiben. Und das ist eigentlich das Geschäftsmodell vom ADAC und die machen das auch in Ordnung. Das ist eine absolut gerechtfertigte Plattform und die machen das wirklich okay, kann man überhaupt nichts sagen, und hat seine Berechtigung. Das hat aber mit Profi-Rennsport nichts zu tun. Profi-Rennsport ist einfach etwas anderes und die DTM steht nicht für Kundenrennsport, wie da (in redaktionellen Berichten; d. Red) geschrieben worden ist. Das weiß der Jens Marquardt ganz genau so, das haben wir sehr oft besprochen. Und für diesen Kundenrennsport brauche ich auch keine Rennsportabteilung mehr, weil das dann die Kundenbetreuungsabteilungen machen. Da ist das ja auch gar nicht gewollt. In dem Moment, wo ich als Rennsportabteilung wieder dorthin gehe und die Autos ausstatte, beginnt dort sofort ein professioneller Kampf und es wird dann die Mischung geben zwischen Profis und Nicht-Profis. Daher ist das auch kein gesunder Zugang, wenn man überlegt, dass man vielleicht in Zukunft mit einer großen Entwicklungsabteilung Rennsport im Kundensport betreibt. Das ist für mich ein No-Go und verfälscht dort komplett das Bild. Das Zweite ist, dass bei diesem Kundensport - und das ist für den einen oder anderen ganz angenehm - über die BoP es auch gar nicht mehr notwendig ist, riesige Entwicklungsabteilungen zu haben. Es wird an einem Tisch geregelt, wo man sich über Daten auseinandersetzt, wie Autos eingestuft werden müssen. Beim Kundensport geht man sogar noch einen Schritt weiter und stuft die Fahrer ein. Diese Einstufungen führen dazu, dass Hobbyrennfahrer ein tolles Erlebnis haben mit diesen GT3-Autos. Alles total okay. Aber ich kann mir jetzt nicht vorstellen, dass der Jens wirklich ernsthaft glaubt, dass er mit einer Rennsportabteilung in Zukunft Kundensport betreibt. Würde die DTM in Richtung Kundensport zielen? Überhaupt nicht. Es kann sein, dass das Technische Reglement ähnlich ist, weil die Autos dafür geeignet sind. Aber das Format und die DNA sind komplett anders."

Foto: DTM
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... seine Aussage, dass das ADAC GT Masters eine Hobby-Meisterschaft sei und ob Deutschland Platz für zwei GT3-Rennserien hat: "Eigentlich habe ich den ADAC gelobt. Ich habe gesagt, dass sie da eigentlich einen sehr guten Job machen. Es ist aber doch eine Hobby-Rennmeisterschaft. Und ich kann mich sehr gut an Hermann Tomczyks Worte erinnern, der sagte: 'Mein größtes Problem ist, wenn Hersteller vereinzelt kommen und diese Hobby-Rennfahrer technisch unterstützen, weil dann ein Ungleichgewicht reinkommt und die Kosten der Serie so nach oben gehen, dass die Basis der Serie gefährdet ist'. Und das ist auch so. Und jemand, der das nicht verstehen will, der ignoriert das einfach. Du kannst nicht Profi-Rennsport mit Amateuren mischen, ohne mit Ausgleich zu fahren. Wenn du das machst, bist du gezwungen, das über BoP oder verschiedene Lizenzen zu machen. Es ist eigentlich ganz einfach: glaubt man wirklich, dass man den Hobby-Rennsport über große Fernsehsender vermitteln kann? Glaubt man wirklich, dass Hobby-Rennsport hunderttausende von Leuten am Sonntag einschalten und sich das anschauen? Ich glaube es persönlich nicht. Ich glaube auch nicht, dass das für die DTM dann empfehlenswert wäre. Ich möchte noch einmal klar sagen: es gibt unterschiedliche Geschäftsmodelle und es gibt auch unterschiedliche Needs (Bedürfnisse; d. Red.). Da deckt der ADAC mit seiner Plattform einen Teil sehr gut ab."

... die Frage, ob das für 2021 geplante Fortführungsszenario ohne oder mit der Mitgliedschaft von Audi und BMW geplant ist? "Ohne."

... die Frage, ob man GT3-Fahrzeuge ohne eine BoP-Einstufung in einer Rennserie gegeneinander antreten lassen könnte: "Nein, nicht, wenn man in Richtung GT3 geht. Das ist der Vorteil des heutigen DTM-Reglements - davon bin ich ein großer Befürworter - dass man diese Serie ohne BoP beherrschen kann. Bei GT3 geht das nicht, weil es unterschiedliche Fahrzeugkonzepte sind. Dort wird man um eine BoP nicht herumkommen. Die Fahrereinstufungen kann man weglassen. Das ist die Crux an der Geschichte (Fahrzeugeinstufungen; d. Red.). Obwohl ich sagen muss, dass diese Einstufungen erstaunlich gut funktionieren. Es ist aber immer ein Einfluss, den man am Tisch unternimmt, natürlich auf Einfluss von Daten und in das Vertrauen, dass das korrekt gemacht wird. Es ist aber etwas anderes, wenn jeder wirklich seine eigene Entwicklung betreibt und diese Einstufungen nicht vorgenommen werden müssen."

... Vorstellungen zu einem mittelfristigen Szenario: "Ich habe klare Vorstellungen mittel- und langfristig. Es wäre jetzt aber der falsche Zeitpunkt, darüber zu reden. Man kann nicht über den zweiten Schritt reden, wenn der erste nicht klar ist."

... über Interesse von anderen Teams und Herstellern an einem Fortführungsszenario: "Die namhaften Teams haben sich eigentlich alle schon gemeldet, weil sie ein Sprintformat auf Profi-Basis sehr interessant finden würden. Das ist ein gravierender Unterschied zum ADAC (GT Masters; d. Red.), dort reden wir von einem Langstreckenformat mit Fahrerwechseln. Wir würden auf alle Fälle unser Format beibehalten: Sprintrennen mit Profis. Ich habe keine konkreten Gespräche mit Herstellern oder Teams geführt. Das wäre verlorene Zeit, wenn am Ende des Tages Audi und BMW sagen: 'Wir wollen das ganze Thema abwickeln und einstellen'. Ich bin ja von diesen Herstellern engagiert worden, um ihre Interessen zu vertreten. Und das mache ich auch."

... die Wahrscheinlichkeit, ob das besprochene Fortführungsszenario 2021 zustande kommt: "50/50. Ich bin von diesen Herstellern gebeten worden, diese Plattform für sie voranzutreiben beziehungsweise ihre Interessen zu vertreten. Das mache ich. Sie müssen mir und uns allen sagen, linksrum oder rechtsrum. Ich und unsere Mitarbeiter können nur Szenarien vorstellen, die möglich wären, aber am Ende des Tages muss man sich auf eines festlegen. Und das müssen wir gemeinsam machen."