Gerhard Berger hat am Montagabend erstmals in der Öffentlichkeit eine mögliche "Abwicklung der DTM" sowie eine potenzielle Weiterführung der Serie mit GT3-Rennwagen ins Spiel gebracht. "Wenn wir als ITR es weiterführen wollen, dann müssen wir GT3 machen, weil es das einzige Technische Reglement ist, bei dem viele Hersteller involviert sind", sagte der Österreicher bei Servus TV.

Eine Idee, die in Teilen von Deutschland auf große Verwunderung stößt, denn: Mit dem ADAC GT Masters gibt es seit 2007 bereits eine Rennserie, in der Autos der Kategorie GT3 zum Einsatz kommen. In der Saison 2020 gehen hier 20 Teams mit 33 Rennwagen an den Start, mit dem Gaststart von Nico Hülkenberg beim zweiten Rennwochenenden auf dem Nürburgring (14.-16. August) ist an diesem Dienstag ein weiterer Coup gelungen.

In unterschiedlichen Motorsport-Bereichen herrscht die Sorge, dass es mit der Schaffung einer weiteren GT3-Plattform in Deutschland am Ende keinen Gewinner, sondern stattdessen zwei Verlierer geben würde - ganz besonders in wirtschaftlich kritischen Zeiten für die Automobilbranche in Folge der Corona-Krise.

Reuter: DTM mit GT3-Autos wäre tödlich

"Wir müssen schauen, dass wir für alle Beteiligten die bestmögliche Plattform finden", sagt der frühere DTM/ITC-Champion Manuel Reuter zu Motorsport-Magazin.com. "Die DTM mit GT3-Autos fortführen zu wollen und damit diese Plattform aufzuteilen, wäre tödlich für den Motorsport im deutschsprachigen Raum. Davon hätte niemand etwas. Die aktuell einzige Plattform dafür in Deutschland ist das ADAC GT Masters."

Reuter kennt beide Seiten bestens: Von 1985 bis 2005 trat er zu 200 Rennen in der DTM an, später begleitete er die Tourenwagenserie als TV-Experte und Vorsitzender der Fahrervereinigung. Im ADAC GT Masters ist er aktuell als Sporting Director bei HCB-Rutronik Racing tätig, das 2019 die Team- und Fahrermeisterschaft im ADAC GT Masters gewann.

Manuel Reuter mit ADAC GT Masters-Champion Kelvin van der Linde, Foto: Dirk Pommert
Manuel Reuter mit ADAC GT Masters-Champion Kelvin van der Linde, Foto: Dirk Pommert

Corona und Motorsport: Es wird noch viel schlimmer

Die mögliche Schaffung einer 'GT3-DTM' betrachtet Reuter mit großer Sorge: "Dann müsste man den Kuchen aus Medienpräsenz und Sponsoring-Engagements aufteilen und das wäre für den deutschen Motorsport ein Fehler, den wir nicht begehen dürfen. Die Corona-Krise hat jetzt schon Auswirkungen auf Partner und Sponsoren. Und man muss kein Hellseher sein, um sagen zu können, dass es nächstes Jahr noch viel schlimmer wird."

Audi hatte Ende April auch vor dem Hintergrund der wirtschaftlichen Herausforderungen infolge der Corona-Pandemie beschlossen, sein DTM-Engagement nicht über 2020 hinaus zu verlängern. Gerüchte über einen Werksausstieg nach 24 Jahren hatte es schon im vergangenen Jahr gegeben. Welche Konsequenzen BMW nach den Ausstiegen von Mercedes, Aston-Martin-Team R-Motorsport und nun Audi zieht, ist noch nicht bekannt.

Wie soll es mit der DTM nach 2020 weitergehen?, Foto: DTM
Wie soll es mit der DTM nach 2020 weitergehen?, Foto: DTM

Reuter: DTM in letzten Jahren bereits scheintot

Eine Fortführung der DTM in ihrer jetzigen Form mit dem lange ausgearbeiteten Class-1-Reglement und den 2019 eingeführten Turbo-Autos ist kaum denkbar, das Projekt der angestrebten Internationalisierung scheint - wie schon 1996 zu ITC-Zeiten - gescheitert. Was aktuell bleibt, ist die große und über 30-jährige Geschichte der DTM, die in Deutschland zeitweise höhere Beliebtheitswerte erzielte als die Formel 1.

Reuter schonungslos: "Toll war die DTM in den Zeiten, die ich als Fahrer miterlebt habe, mit top Quoten, vollen Tribünen und einem klasse Rahmenprogramm. Aber in den letzten Jahren war die DTM bereits scheintot, wenn man es realistisch betrachtet. Die DTM lebt noch, aber nur wegen ihrer Historie."

Manuel Reuter gewann elf DTM-Rennen und zweimal die 24 Stunden von Le Mans, Foto: Sutton
Manuel Reuter gewann elf DTM-Rennen und zweimal die 24 Stunden von Le Mans, Foto: Sutton

Die Sache mit den Hobby-Fahrern...

Laut Gerüchten könnte die DTM-Dachorganisation ITR eine GT3-Serie anstreben, die Sprintrennen ohne Fahrerwechsel und ausschließlich mit Profi-Werksfahrern austrägt. In der Theorie sollten hier keine - wie Berger sie bezeichnete und dadurch großen Wirbel in der Motorsport-Szene ausgelöst hatte - "Hobby-Fahrer" antreten.

Dadurch würde sich die ITR in Teilen vom ADAC GT Masters und dem ohnehin international übersättigten GT3-Markt abheben, die aufgrund der Finanzierung vorrangig auf Kundensportprogramme und teilweise auf semi-professionelle Fahrer ('Gentlemen') mit entsprechenden Budgets setzen.

"Im ADAC GT Masters treten mehr Fahrer mit Platinum-Status an als in der DTM in diesem Jahr. Und es sind mehr als 20 Werksfahrer am Start. Es ist deshalb nicht richtig, das ADAC GT Masters als eine Hobby-Meisterschaft zu bezeichnen", sagt Reuter und verweist auf aktuelle Fahrer wie Kelvin van der Linde oder ehemalige DTM-Piloten wie Maximilian Götz, Maro Engel und Joel Eriksson. "Alle Teams arbeiten hier mit größtmöglichem Einsatz und Engagement."

ADAC GT Masters 2020: 20 Teams mit 33 GT3-Autos am Start, Foto: ADAC Motorsport
ADAC GT Masters 2020: 20 Teams mit 33 GT3-Autos am Start, Foto: ADAC Motorsport

Hürden der GT3-Kategorie

Ob Hersteller in der aktuellen Wirtschaftslage Interesse daran hätten, GT3-Werksprogramme umfänglich zu finanzieren, daran bestehen Zweifel. Ebenso, ob aktuelle GT3-Wagen ohne größere Eingriffe eine wesentliche Leistungssteigerung erreichen könnten, um an die knapp 600 PS starken DTM-Prototypen heranzureichen. Ingenieure sprechen hier von zahlreichen und finanziell aufwendigen Änderungen am Fahrzeugkonzept, um rund 100 PS mehr zu erzielen.

Reuter: "Die Idee, dieses Konzept mit Herstellern durchzuführen, ist zwar gut, aber: Wer soll das bezahlen? Alle Hersteller haben Budgetkürzungen und müssen ihre Fahrerkader verkleinern, das ist die Realität. Der GT3-Sport lebt von den Teams. Die Zielrichtung muss sein, eine Plattform zu haben, auf der sie sich finanzieren können."