Am Mittwoch dieser Woche wird auch die Sportwelt gebannt auf den Fernseher schauen, wenn Bundeskanzlerin Angela Merkel voraussichtlich die Resultate der nächsten Konferenz mit den Ministerpräsidenten der Bundesländer vorstellt. Dabei soll es unter anderem um eine mögliche Wiederaufnahme der Fußball-Bundesliga gehen - dem sportlichen Zugpferd zu Zeiten der Corona-Krise.

Sollte 'König Fußball' grünes Licht erhalten, vor leeren Tribünen spielen zu dürfen, könnte das auch dem hiesigen Motorsport weitere Türen öffnen. Nationale Rennserien wie die DTM, das ADAC GT Masters oder die Breitensportserie VLN können ihre Planungen entsprechend der Länderbeschlüsse anpassen und potenziell die Austragung von Geisterrennen ins Auge fassen.

In dieser aktuellen Ausnahme-Situation könnte sich die eine oder andere Motorsport-Allianz bilden, die zuvor undenkbar gewesen wäre. Diese Option ließ nun der Gründer der Formel E, Alejandro Agag, durchblicken. Bei Autosport berichtete der spanische Geschäftsmann von einem Gespräch mit DTM-Boss Gerhard Berger über die Möglichkeit, gemeinsame Veranstaltungen abzuhalten.

"Vielleicht machen wir etwas zusammen", erklärte Agag. "Es sind außerordentliche Zeiten. Wir müssen auf die Kosten achten und Dinge zusammenlegen, um diese zu reduzieren. Wir sind offen für alle Optionen."

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Das hübscheste Mädchen auf der Party

Außerdem fügte Agag, laut dem Berger seit vielen Jahren ein guter Freund ist, an: "Du musst praktisch und demütig sein und nicht so tun, als seiest du das hübscheste Mädchen auf der Party. Wir sitzen alle im gleichen Boot und müssen schauen, welche Lösungen es gibt."

Die Formel E, die durch die Corona-Krise bislang sechs Rennausfälle zu verzeichnen hat, ist seit längerer Zeit aufgeschlossen für unübliche Ansätze, die laufende Saison zu einem Ende zu bringen. Das beinhaltet auch die Austragung von Veranstaltungen auf permanenten Rennstrecken.

Formel E: Rennen ab August

Agag sagte vergangene Woche zu Motorsport-Magazin.com: "Wir hoffen, dass wir im August und vielleicht im September Rennen austragen können. Wahrscheinlich dann ohne Zuschauer. Aber selbst dahinter steht ein Fragezeichen. Wir befinden uns vor allem mit den Behörden in Deutschland und Großbritannien im Austausch, um zu sehen, was möglich ist."

Das schließt ein noch ausstehendes Formel-E-Rennen in Deutschland ein. Der für den 21. Juni geplante Lauf auf dem stillgelegten Flughafen Tempelhof in Berlin musste zuletzt auf unbestimmte Zeit verlegt werden. Das gilt inzwischen auch für die beiden weiteren Saisonveranstaltungen in New York und London.

Laut Agag sei es angesichts des Verbots von Großveranstaltungen möglich, ein Rennen mit weniger als 1.000 Menschen vor Ort abzuhalten. In Berlin dürfen Sportveranstaltungen sogar bis zum 24. Oktober nur unter Ausschluss der Öffentlichkeit ausgetragen werden.

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DTM: Harter Kern mit 500-600 Leuten

Auch in der DTM dürfte es theoretisch möglich sein, Rennen hinter verschlossenen Türen zu fahren. Der harte Kern der Tourenwagenserie vor Ort umfasst 500 bis 600 Leute. Der geplante Saisonstart am 11. Juli auf dem Norisring wurde offiziell noch nicht abgesagt. Allerdings ist die DTM-Dachorganisation ITR wesentlich von Ticketeinnahmen abhängig, während die Formula E Holding ähnlich der Formel 1 auf Antritts- und TV-Gelder setzt.

Berger wandte sich zuletzt mit einer Video-Botschaft aus der Heimat in Österreich direkt an die DTM-Fans, sagte unter anderem: "Mein ganzes Engagement gilt momentan der Saison 2020. Ich hoffe, dass wir im zweiten Halbjahr noch tolle Rennen zeigen können. Klar, es wird Einschränkungen geben. Vermutlich dürft ihr aufgrund der Corona-Krise nicht vor Ort sein. Ich bin mir trotzdem sicher, dass die Teams nichts lieber wollen, als so schnell wie möglich in der Saison 2020 spannende Rennen abzuliefern."

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Berger und Tomczyk: Wenig ergiebiger Austausch

Vermutlich eher mit der jungen Elektro-Rennserie als mit dem ADAC, der mit dem ADAC GT Masters die zweite große Motorsportplattform in Deutschland stellt. Nach Informationen von Motorsport-Magazin.com tauschten sich vor wenigen Wochen DTM-Chef Gerhard Berger und ADAC-Sportpräsident Hermann Tomczyk aus. Das Gespräch soll laut unterschiedlichen Quellen wenig ergiebig verlaufen sein.

Dabei hatten sich zuletzt mehrere bekannte Motorsport-Akteure für einen stärkeren Austausch zwischen ITR und ADAC eingesetzt. "Mit der ITR und dem ADAC GT Masters verfügt Deutschland über zwei Plattformen, die es in keinem anderen Land auf der Welt gibt", sagte Manuel Reuter, der beide Seiten gut kennt, zu Motorsport-Magazin.com. "Ich würde mir wünschen, dass man daraus Synergien zieht und das Persönliche endlich hintanstellt. Es geht hier schließlich um die Zukunft des Sports und darum, tausende Arbeitsplätze zu erhalten."

Allerdings scheint das Tischtuch spätestens mit der Gründung der heiß diskutierten DTM Trophy - einem Konkurrenzprodukt zur ADAC GT4 Germany - vollends zerschnitten. An ein Revival des in der Vergangenheit höchst erfolgreichen Motorsport Festivals mit DTM und ADAC ist - auch ohne Zuschauer - kaum zu denken...