Audi steigt Ende 2020 aus der DTM aus. Damit dürfte auch die viel zu kurze Karriere von Senkrechtstarter Rene Rast in der Tourenwagenserie ein Ende nehmen. Zwei Meisterschaften innerhalb der ersten drei DTM-Jahre - der 33-Jährige hat in Rekordzeit neue Maßstäbe gesetzt. Mit Motorsport-Magazin.com sprach Rast genau 24 Stunden nach dem Audi-Beben über seine Emotionen und Gefühle.

René, wann und wie hast du von Audis angekündigten DTM-Ausstieg zum Saisonende 2020 erfahren?
Rene Rast: Wir hatten am Montag eine Telefonkonferenz mit den Verantwortlichen und haben auch erst dann von der Entscheidung erfahren. Man hat schon länger ein Rauschen im Hintergrund gehört und es gab diese Gerüchte. Doch ich hatte natürlich immer eine kleine Hoffnung. Wenn es dann aber wirklich offiziell ist, ist das schon ein Schock.

Wie ist dein Tag nach der offiziellen Entscheidung verlaufen?
Rene Rast: Eigentlich war es ein ganz schöner Tag, bis dann das Telefon geklingelt hat... In der Telefonkonferenz wurde kurz und knapp gesagt, wie es ist. Da musste man nicht lange drumherum reden. Ich bin aus allen Wolken gefallen, weil ich ja keine Ahnung hatte, dass so etwas kommen würde. Danach war der Tag ziemlich busy. Ich habe mein Handy wegen all der Anrufe und Nachrichten dreimal aufladen müssen. Ich hatte das Gefühl, dass es sogar mehr war als nach einer DTM-Meisterschaft. Ich habe mich sehr über den Zuspruch gefreut, aber bei mir überwiegte die Traurigkeit.

Wie hat denn deine Familie reagiert?
Rene Rast: Die waren natürlich auch geschockt, keine Frage. Es hat uns alle getroffen, wir sitzen ja im selben Boot. Meine Familie, mein Manager, wir sind alle betroffen. Alle haben die DTM gelebt und mich unterstützt. Wir tun alles dafür, dass es diese Saison weitergeht.

Timo Scheider: So einen Abschied hat die DTM nicht verdient: (19:04 Min.)

Trotzdem hast du wenige Stunden nach der Bekanntgabe auf deinem Twitch-Kanal den Fans Rede und Antwort gestanden. Damit hätte wohl kaum jemand gerechnet...
Rene Rast: Ja, ich habe auch lange überlegt, ob ich das tun soll oder nicht. Ich hatte den Stream ja vor dem Telefonat angekündigt, zu dem Zeitpunkt wusste ich von nichts. Im Endeffekt habe ich mich durchgerungen, weil ich nicht der Typ bin, der sagt: 'Jetzt ist alles vorbei und ich stecke den Kopf in den Sand'. Ich muss aber sagen, dass mir das verdammt schwergefallen ist. Ich denke, dass die Community zu schätzen wusste, dass ich da war. Wir gewinnen und wir verlieren zusammen.

Die Audi-Entscheidung ist nicht der erste Rückschlag in deiner sehr erfolgreichen, aber auch ähnlich turbulenten Karriere.
Rene Rast: Das beschreibt meine Karriere ganz gut. Mir wurden viele Steine in den Weg gelegt und viele Türen vor der Nase zugeschlagen. Und wenn sich mal eine geöffnet hat, dann meist nur kurz. Es bringt aber nichts, jetzt Trübsal zu blasen. Die DTM war immer mein Traum und ich bin froh, dass ich diese Erfolge feiern durfte. Natürlich hätte ich mir gewünscht, noch viele Titel dranzuhängen und noch mehr ein Teil der DTM-Geschichte zu werden. Es hat mir immer unglaublich viel Spaß gemacht, diese Detailverliebtheit, den anderen immer eine Spur voraus zu sein durch harte Arbeit, da bin ich drin aufgegangen. Man muss schauen, ob es andere Rennserien gibt, in denen ich mich genauso ausleben kann und die mich genauso erfüllen können.

Hast du dich schon mit deinem Audi Sport Team Rosberg ausgetauscht?
Rene Rast: Die sind alle in Schockstarre, für die Jungs bricht auch eine Welt zusammen. Die haben die DTM genauso gelebt wie ich. Meine Mechaniker haben jeden Staubkrümel vom Auto entfernt, die haben für dieses Auto gelebt und hatten Tag und Nacht nichts anderes im Kopf. Das tut mir unheimlich leid. Da sind so viele Leute mit Leidenschaft, die erst einmal nicht wissen, was sie nächstes Jahr tun sollen. Diese Woche wird schwierig für alle Beteiligen. Aber Zeit heilt alle Wunden, wie ich immer sage. Es gibt auch eine Zeit danach und dann müssen alle versuchen, neue Motivation und Kraft zu sammeln.

Hat man in dieser Situation überhaupt noch Lust, Rennen zu fahren?
Rene Rast: Ich will auf jeden Fall fahren! Da glaube ich auch fest dran. Und wenn es nur ein Rennen ist, einfach, um Audi Sport den DTM-Abschied und die Ehre zu erweisen. Ich weiß, dass im Hintergrund hart dafür gearbeitet wird und ich bin sicher, dass wir dieses Jahr noch Rennen fahren werden.

Möglicherweise vor leeren Zuschauertribünen wegen des Verbots von Großveranstaltungen...
Rene Rast: Das wäre wirklich traurig. Es macht ja eigentlich nur Sinn, wenn man sich vor den Zuschauern verabschieden kann. Trotzdem will ich auf jeden Fall fahren, wenn es irgendwie möglich ist. Ich fahre auch fünf Rennen an einem Wochenende, das ist mir alles egal! Und wenn es erst am 31. Dezember möglich wäre, vor Publikum zu fahren, dann würden wir alles dafür tun, um das zu realisieren.

Es müssten einige Rennen stattfinden, um ein weiteres deiner Ziele zu erreichen: Du hast dir nach dem zweiten DTM-Titel vorgenommen, Audi-Ikone Mattias Ekström nach Siegen zu überholen. Dazu müsstest du noch sieben Rennen gewinnen.
Rene Rast: Stimmt, das könnte jetzt wirklich schwierig werden. Dann müssen wir vielleicht eher auf die prozentuale Sieg-Quote schauen, da liege ich immerhin vorne.

Audi-Ausstieg: Das Ende der DTM?: (23:15 Min.)

Hast du den Gewinn einer dritten Meisterschaft überhaupt im Kopf?
Rene Rast: Ich würde mich einfach freuen, wenn wir dieses Jahr so viele Rennen wie möglich fahren. Natürlich will ich wieder die Meisterschaft gewinnen. Aber vor dem Hintergrund, dass es das letzte Jahr von Audi Sport in der DTM ist, werden wir alles versuchen, das zu genießen. Wenn Siege rausspringen, umso besser. Das oberste Ziel sollte aber nicht sein, mit allem Zwang die Meisterschaft zu gewinnen.

Hast du das Gefühl, dass deine erst 2016 begonnene DTM-Zeit unvollendet ist?
Rene Rast: Nein. Sie wäre unvollendet gewesen, wenn ich in den gut drei Jahren keinen Meistertitel geholt hätte. So kann ich mit Recht sagen, dass ich die DTM zweimal gewonnen habe und das verdammt geile Jahre waren. Ich habe mir gerade erst auf YouTube ein paar Video-Highlights aus den letzten drei Jahren reingezogen. Das werde ich bis an mein Lebensende nicht vergessen.

Ich persönlich hatte mich für die nächsten drei bis fünf Jahre in der DTM gesehen. Ich hatte geplant, in der DTM meine Karriere zu beenden. Jetzt ist es dafür natürlich noch zu früh.

Du hast schon einige Rückschläge in deiner Karriere erleben müssen. Kannst du mit diesen Erfahrungen leichter mit der aktuellen Situation umgehen?
Rene Rast: Ja, so etwas habe ich öfter erlebt. Trotzdem ist es jedes Mal wieder, als ob dir jemand den Boden unter den Füßen wegreißt. Man ist ein bisschen abgehärteter, aber schwer ist es immer noch. Ich habe mein ganzes Leben lang auf die DTM hingearbeitet. Das war immer die Serie, in der ich fahren wollte. Das muss man sich mal vorstellen: vormittags ist noch alles 'Friede, Freude, Eierkuchen' - und zwei Stunden später bricht deine Welt zusammen, auf die du immer hingearbeitet hast. Auf einmal ist das alles weg.

Noch vor dem Audi-Ausstieg hast du dir ein zweites Standbein aufgebaut und zusammen mit deinem langjährigen Manager Dennis Rostek ein Unternehmen gegründet. Was hat es damit auf sich?
Rene Rast: Wir haben dieses Jahr die Pole Promotion GmbH gegründet, mit der wir Sheldon und Kelvin van der Linde betreuen. Ich kann hier mein Wissen einbringen und den Jungs in den kommenden Jahren unter die Arme greifen. Bei den beiden soll es in Zukunft auch nicht bleiben. Ich habe in den vergangenen Jahren viele Kontakte im Motorsport gesammelt und die möchte ich nutzen, um ihre Karrieren weiter aufzubauen.

Rene Rast mit seinem langjährigen Berater Dennis Rostek (rechts), Foto: Audi Communications Motorsport
Rene Rast mit seinem langjährigen Berater Dennis Rostek (rechts), Foto: Audi Communications Motorsport

Weißt du schon, wie es für dich künftig weitergehen wird?
Rene Rast: Nein, soweit sind wir noch nicht. In der jetzigen Situation weiß niemand, wie die Jahre 2020 und 2021 im Motorsport verlaufen werden. Alle zucken nur mit den Schultern. Wie will man jetzt konstruktive Gespräche über die Zukunft führen, wenn niemand weiß, wie sie aussieht? Es bringt nichts, sich jetzt verrückt zu machen. Ich will mich bestmöglich vorbereiten und dann alle Chancen nutzen, die sich bieten.

Wäre die Formel E in Zukunft eine Alternative für dich?
Rene Rast: Ich will es nicht ausschließen. Ich bin ja 2016 schon ein Rennen gefahren in Berlin und das hat extrem viel Spaß gemacht. Ich habe von Beginn an gesagt, dass das eines der am härtesten zu fahrenden Autos ist. Vielleicht auch, weil ich nur einen einzigen Tag im Auto saß.

Traditionelle Motorsport-Fans kritisieren die Entscheidung von Audi, künftig auf die Formel E statt auf die DTM zu setzen. Ist der Unmut darüber nachvollziehbar?
Rene Rast: Wir müssen uns immer vor Augen führen, warum Motorsport betrieben wird. Natürlich wollen wir auf der einen Seite tollen Sport sehen, auf der anderen ist es aber ein Marketinginstrument, um die Leute für Autos zu begeistern. Die mittel- und langfristige Ausrichtung der Hersteller ist einfach elektrisch, und da passt die Formel E perfekt ins Bild. Das muss man einfach so sagen. Natürlich kann ich verstehen, dass einige Fans nicht gerade jubeln und frustriert sind. Wenn man sich die Rennen der Formel E aber mal anschaut, gibt es in kaum einer anderen Rennserie so viel Action. Das ist eine Serie, die ihren Reiz hat, wenn auch ohne klassischen Motoren-Sound. Ich kann nicht sagen, dass die Formel E schlecht ist.

Was denkst du, wie es mit der DTM über 2020 hinaus weitergehen könnte?
Rene Rast: Ich bin mir sicher, dass Gerhard Berger und die ITR dran sind, nach einer Lösung zu suchen. Ob und wie es weitergeht, da habe ich keine Ahnung. Mich würde es freuen, wenn es mit der DTM weitergehen würde, in welcher Form auch immer.

Wie wichtig ist die DTM als Plattform für den deutschen Motorsport?
Rene Rast: Da hängt so ein riesiger Rattenschwanz dran, schauen wir uns doch nur einmal den Nachwuchs an. Ich bin damals Formel BMW gefahren, Polo- und Seat-Cups, die Porsche-Markenpokale und GT3-Serien - und das immer mit dem Ziel, es irgendwann in die DTM zu schaffen. Was hätten die jungen Nachwuchsfahrer heute abgesehen von der Formel 1 als Ziel, wenn es die DTM nicht gäbe? Es wäre traurig, wenn das alles wegbrechen würde. Deutscher Motorsport ist wichtig, Nachwuchsförderung ist wichtig. Gerade in dieser Zeit sollten alle Kräfte gebündelt werden, damit das nicht stirbt.