Wieder einmal ist in der DTM die berüchtigte Bombe geplatzt. Audi kündigte an diesem Montagabend an, nach der Saison 2020 aus der Tourenwagenserie auszusteigen. Die Entscheidung des Autobauers aus Ingolstadt stürzt die DTM in eine schwere Krise. Nicht zum ersten Mal steht die Zukunft auf dem Prüfstand. Motorsport-Magazin.com blickt zurück auf die schwierigsten Phasen in über 30 Jahren DTM-Geschichte.

1992/93: Die große Regel-Krise

Nach der Saison 1992, in der Klaus Ludwig für Mercedes die erste Meisterschaft erobert und Audi während der Saison den Stecker gezogen hatte, stand die DTM vor einem Umbruch, die beinahe zum Aus geführt hätte. Die Einführung des über längere Zeit ausgearbeiteten und kostspieligen Klasse-1-Reglements sorgte für zahlreiche Querelen unter den daran beteiligten Herstellern.

Als die DTM-Dachorganisation ITR den eigentlich geplanten Wegfall von Performance-Einstufungen wieder ins Reglement aufnahm, zog sie damit den Unmut von BMW auf sich - die Münchner stiegen noch vor dem ersten Rennen aus. Audi tat es wenig später gleich und kündigte zumindest an, sich stattdessen auf die Französische Tourenwagenmeisterschaft zu konzentrieren.

Audi-Ausstieg: Das Ende der DTM? (23:15 Min.)

Angesichts der beiden Ausstiege bekam auch Opel kalte Füße und entschied sich gegen einen angestrebten Einstieg mit dem Calibra. Mercedes stand plötzlich alleine da und ohne den unermüdlichen Einsatz von Norbert Haug hätte wohl auch hier der Vorstand den Stecker gezogen. In einem Kraftakt gelang es den Verbliebenen, Alfa Romeo für die DTM und den Bau eines Klasse-1-Rennwagens zu begeistern.

So standen beim Saisonauftakt 1993 neben zehn Werksautos (sechs AMG-Mercedes 190E Klasse 1 sowie vier Alfa Romeo 155 V6 TI) mehr als 20 weitere Privatiers mit unterschiedlichen Modellen von BMW, Opel oder Ford am Start. Alfa gewann mit Nicola Larini auf Anhieb den Titel für den 'Retter' aus Italien.

1996: Der erste Tod der ITC/DTM

1996 erlag die DTM, damals unter dem Namen ITC (International Touring Car Championship), dem berüchtigten Kosten-Tod. In Folge der immer höher steigenden Entwicklungskosten suchte die DTM schon ab 1995 den Weg in die Internationalität, um die enormen Budgets rechtfertigen zu können. Die verbliebenen BMW-Privatteams zogen sich schon Ende 1994 zurück, es blieben Mercedes, Opel und Alfa Romeo.

Die damaligen Tourenwagen der drei Hersteller glichen wahren Technik-Monstern. Opel soll laut unterschiedlichen Berichten mehr als 100 Millionen Mark in den Aufbau des Calibra, mit dem Manuel Reuter 1996 den Titel holte, investiert haben. Verschiebbare Gewichts-Schlitten unter den Autos und verstellbare Heckflügel waren spektakulär, die Entwicklung aber viel zu teuer. Ende 1996 zogen Opel und Alfa den Stecker, um sich fortan in der wenig populären STW zu engagieren. Mercedes wechselte in die FIA-GT-Meisterschaft. Zum Jahr 2000 wurde die DTM durch Mercedes, Opel und das private Abt-Audi wiederbelebt.

Manuel Reuter gewann 1996 für Opel die ITC-Meisterschaft, Foto: Opel Motorsport
Manuel Reuter gewann 1996 für Opel die ITC-Meisterschaft, Foto: Opel Motorsport

2004: Opel kündigt Ausstieg an

Auch im Herbst 2004 stand die Zukunft der DTM auf der Kippe. Opel kündigte seinen werksseitigen Rückzug zum Ende der Saison 2005 an. Vorausgegangen waren Spaßmaßnahmen des Mutterkonzerns General Motors, denen das recht erfolglose DTM-Programm der Rüsselsheimer zum Opfer fiel.

Schon damals wurde gefragt, ob die DTM mit nur zwei Herstellern - Mercedes und Audi - überleben könne. So gab es unter anderem Pläne, das Feld mit GT-Sportwagen aufzufüllen, da Opel für 2006 den Einsatz privater Vectra GTS V8 untersagte. Trotz der Krise hielten Mercedes unter der Leitung von Motorsportchef Norbert Haug und Audi zusammen und trugen von 2006 bis 2011 alleine Rennen gegeneinander aus.

2007: Der Barcelona-Eklat

Zwei Jahre nach dem berüchtigten Reifen-Skandal beim Formel-1-Rennen in Indianapolis zog die DTM mit ihrem eigenen Farce-Rennen nach. Barcelona 2007, das vorletzte Rennen der Saison. Neun Runden vor Schluss mussten alle Audi-Fahrer auf Anweisung von Motorsportchef Dr. Wolfgang Ullrich die Boxengasse ansteuern und das Rennen dadurch vorzeitig beenden. Es war die Antwort auf das aus seiner Sicht überharte Einsteigen von Mercedes-Fahrern gegen die eigenen Titelanwärter Mattias Ekström und Martin Tomczyk.

"Wir wollten verhindern, dass einer unserer Fahrer etwas macht, was nicht unser Stil ist", argumentierte Ullrich damals. Auf der spanischen Strecke feierte Jamie Green seinen ersten DTM-Sieg vor fünf Mercedes-Mitstreitern, der Titel ging beim anschließenden Finale auf dem Hockenheimring an Audi und Ekström.

2015: Der Schieb-ihn-raus-Skandal

Nach den Ereignissen vom 02. August 2015 auf dem Red Bull Ring war die DTM in aller Munde und musste um ihr Ansehen in der Öffentlichkeit fürchten. Vor allem Audi, das einen der größten Skandale in der Geschichte der Tourenwagenserie ausgelöst hatte. Der berüchtigte Funkspruch des damaligen Motorsportchefs Dr. Wolfgang Ullrich an Timo Scheider mit der Ansage, Mercedes-Vordermann Robert Wickens von der Piste zu schieben - der dabei Titelanwärter Pascal Wehrlein traf - blieb nicht ohne Konsequenzen.

Das DMSB-Sportgericht verdonnerte Audi wegen unsportlichen Verhaltens zu einer Geldstrafe von 200.000 Euro und entzog den Ingolstädtern die in Österreich erzielten Hersteller-Punkte. Unter dem Skandal litt auch das Ansehen von Ullrich - eigentlich als großer Sportsmann bekannt - der mit sofortiger Wirkung von der Boxenmauer und aus dem Teamfunk entfernt wurde. Scheider wurde für das folgende Rennen in Moskau gesperrt. Ein böser Image-Schaden, der Audi noch lange danach anheftete.

2018: Der Mercedes-Ausstieg

Es war ebenfalls ein Montagabend, an dem Mercedes die berüchtigte Bombe platzen ließ. Am 24. Juli 2017 kündigte die Marke mit dem Stern an, sich zum Ende der Saison 2018 aus der DTM zurückzuziehen. Stattdessen fokussierte sich der erfolgreichste Hersteller in der Geschichte der Serie neben der Formel 1 auf ein neues Werksprogramm in der Formel E.

Das Mercedes-Aus - wenn auch mit eineinhalb Jahren Vorlauf angekündigt - stellte die Zukunft der DTM in Frage. Zwei Monate später bekannte sich jedoch BMW zur Tourenwagenserie, Audi zog wenig später nach. Damit war zumindest kurzfristig das Überleben der DTM gesichert unter der Bedingung, dass ein neuer Hersteller gefunden werden müsse. Das geschah in etwas anderer Form durch den Einstieg von Privatrennstall R-Motorsport, der 2019 mit Aston Martin Vantage debütierte.

2020: Das schnelle Aston-Aus

Das Jahr 2020 begann schon alles andere als gut. Am 24. Januar gab R-Motorsport den sofortigen Rückzug aus der DTM bekannt - nach nur einem Jahr mit vier neuen Aston Martin Vantage in der Tourenwagenserie. Der Schweizer Rennstall sprach von einer Neubewertung des Motorsport-Engagements, in dem die DTM nicht zielführend sei.

Tatsächlich ging es ums Finanzielle. R-Motorsport konnte mit Audi und BMW nicht ansatzweise mithalten. Das innerhalb von nur drei Monaten von Technikpartner HWA auf die Beine gestellte Projekt konnte sich mit den Budgets der beiden deutschen Autobauer nicht messen.

Die Entscheidung von R-Motorsport bedeutete gleichzeitig das Ende einer Ära in der DTM. Erstmals seit dem Einstieg 1988 wird das Affalterbacher Unternehmen HWA nicht in der Tourenwagenserie vertreten sein. Damit fehlt das erfolgreichste Team in der Geschichte der DTM, das zehn Fahrertitel und 182 Rennsiege erzielte, in der Startaufstellung.

2020: Audi zieht zum Saisonende den Stecker

Nach Mercedes und R-Motorsport mit Aston Martin der dritte DTM-Ausstieg seit 2018: Audi zieht zum Ende der Saison 2020 den Stecker. Diese Entscheidung traf der Audi-Vorstand auch vor dem Hintergrund der wirtschaftlichen Herausforderungen infolge der Corona-Krise. Damit bleiben die Ingolstädter zunächst nur noch in der Formel E werksseitig engagiert.

Der Vertrag zwischen Audi und der ITR wäre zum Jahresende 2020 ausgelaufen. Zu einer Neuverhandlung kam es nach dem Vorstandsbeschluss nicht. Berger: "Nun ist die Situation zusätzlich verschärft, und die Zukunft der DTM wird sehr stark davon abhängen, wie die Partner und Sponsoren auf diese Entscheidung reagieren. Umso mehr erwarte ich mir jetzt von Audi eine ordnungsgemäße, verantwortungsvolle und partnerschaftliche Abwicklung des geplanten Ausstiegs."