Wie gestaltet sich die DTM-Saison 2020 in der Corona-Krise? Nach aktuellem Planungsstand würde die Saison vom 10. bis 12. Juli auf dem Norisring beginnen. Trotz des bis Ende August geltenden Verbots von Großveranstaltungen unter anderem in Deutschland ist das Nürnberger Stadtrennen offiziell bislang weder verschoben noch abgesagt worden.

"Es bleibt unser Ziel, das Norisring-Speedweekend durchzuführen, sobald dies unter gesundheitlichen und sicherheitstechnischen Gesichtspunkten möglich und vertretbar ist", heißt es seitens des Veranstalters Motorsport Club Nürnberg. Fakt ist: Sollte das Rennwochenende zum geplanten Termin durchgeführt werden, dann nur unter Ausschluss der Öffentlichkeit.

Für den temporären Kurs am Norisring herrschen spezielle Bedingungen, doch eines gilt für alle DTM-Veranstaltungen: Die Zuschauereinnahmen spielen eine wesentlich größere Rolle als das bei Formel 1 oder MotoGP der Fall ist.

Noch vor der Bekanntgabe des Großveranstaltungsverbots hatte Motorsport-Magazin.com berichtet, dass die DTM-Dachorganisation ITR sogenannte Geisterrennen nach Möglichkeit vermeiden will. Der Grund: Die Ticketverkäufe machen aus wirtschaftlicher Sicht einen bedeutenden Faktor aus, während beispielsweise in der Formel 1 Antrittsgagen und TV-Gelder den Königsanteil des kommerziellen Rechtehalters bilden.

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Vor diesem Hintergrund erscheint Gerhard Bergers ablehnende Haltung zu Geisterrennen unter einem neuen Licht; nämlich dem wirtschaftlichen Aspekt. "Die großen Plattformen wie die Formel 1 und die MotoGP hängen an den Einnahmen der Strecken-Promoter und der Sponsoren, und natürlich ganz im Wesentlichen an den TV-Geldern", erklärt der ITR-Vorsitzende jetzt bei Auto-Motor-Sport. "Wir wiederum sind vor allem von den Zuschauern an der Rennstrecke abhängig."

Laut Berger müsse man in der aktuellen Situation alle Optionen überdenken. Das schließt Austragungen unter Ausschluss der Öffentlichkeit ein, wie es auch aus Reihen der ITR heißt. Das Hauptziel müsse aber sein, live vor den Fans zu fahren, wie Berger anmerkt: "Geisterrennen wären nur ein Mittel, um den Ball am Rollen zu halten."

Auch in der DTM stoßen wirtschaftliche Faktoren unterschiedlicher Parteien aufeinander. Auf der einen Seite die Dachorganisation, deren Kassen dem Vernehmen nach bei weitem nicht mehr so prall gefüllt sind wie zu den Goldenen Zeiten der Tourenwagenserie. Auf der anderen Seite die involvierten DTM-Teams samt Personal, Dienstleister, dazu alle in den diversen Rahmenserien Engagierten, die auf eine Austragungsplattform angewiesen sind.

Sollte es bis mindestens Ende August keinen Motorsport in Deutschland geben, dürfte das einigen Involvierten finanziell das Genick brechen. Da hilft auch keine mögliche Verschiebung bis in den frühen Winter hinein.

Der frühere DTM/ITC-Champion und zweifache Le-Mans-Sieger Manuel Reuter merkte bei Motorsport-Magazin.com warnend an: "Wenn schon Leute wie Ernst Moser, der mit Audi sogar ein Werk hinter sich hat, sagen, dass das nicht lange gut gehen kann, muss man aufpassen, dass es nicht fatal wird. Auch der vergleichsweise kleine Motorsport hat eine Relevanz, da hängen viele tausende Arbeitsplätze dran. Es ist tödlich, nicht zu fahren."

Reuter erhielt im Anschluss großen Zuspruch aus der Motorsport-Szene, darunter vom ehemaligen DTM-Piloten Christian Menzel. "Klar sind Geisterrennen alles andere als ideal, aber wir leben im Moment mit Corona in einer extremen Situation und wir müssen jetzt versuchen, die Existenz und das Überleben der Motorsportszene in den Vordergrund zu stellen, natürlich ohne die Gesundheit anderer zu gefährden", so die Nordschleifen-Ikone. "Es geht um tausende Arbeitsplätze und Existenzen, komplette Strukturen gehen gerade kaputt, es ist mehr als nur ein Hobby oder ein Freizeitspaß!"

Nicht nur Menzel hält es im Motorsport für durchaus möglich, im Rahmen der behördlichen Verordnungen Veranstaltungen auszutragen: "Ich glaube, wir müssen in dieser ungewöhnlichen Zeit auch bereit sein, ungewöhnliche Wege zu gehen. Das alles wäre immer noch besser als die Chance nicht zu nutzen."

Unterdessen spricht Berger von mehreren Szenarien bezüglich des DTM-Kalenders in diesem Jahr. Im besten Fall würde die Saison im Juli beginnen, im schlechtesten überhaupt nicht. Die Ausnahmesituation bedeutet einen absoluten Kraftakt für alle Beteiligten, konkrete Aussagen sind in dieser sich stets verändernden Lage tatsächlich kaum möglich.

"Eine echte Planung ist für jeden schwierig, da weder Experten die weltweite Corona-Situation planbar voraussagen können noch Regierungen planbar Maßnahmen für das öffentliche Leben erlassen", erklärt der frühere Formel-1-Fahrer. "Und es kann sich immer wieder je nach Entwicklung der Corona-Fallzahlen etwas ändern. Zudem sind wir von Sponsoren- und Promoter-Verträgen abhängig. Das Thema ist einfach komplex."

Neben dem Norisring-Auftakt ist auch das dritte geplante Rennwochenende im belgischen Zolder (07.-09. August) vom aktuell herrschenden Verbot von Großveranstaltungen betroffen. Der zweite Lauf soll eine Woche vor Zolder entweder in Anderstorp oder Sankt Petersburg stattfinden. Die Reise nach Russland erscheint aufgrund der kurzen Zeitspanne bis zum nächsten Rennwochenende in Belgien allerdings ambitioniert. Geplant waren für die Saison 2020 zehn Veranstaltungen: vier in Deutschland und sechs im meist nahegelegenen Ausland.