Auch die Automobilbranche und der Motorsport sind von der Corona-Krise betroffen. In beiden Bereichen mischt seit vielen Jahren das Traditionsunternehmen Abt Sportsline mit. Neben den langjährigen Engagements in der DTM - 2020 stehen die Äbte vor ihrer 21. Saison in der Tourenwagenserie - und der Formel E, sind die Kemptener heute der der größte Veredler von Fahrzeugen des VW- und Audi-Konzerns.

Im Interview mit Motorsport-Magazin.com spricht Geschäftsführer Thomas Biermaier, seit dem Jahr 2000 im Unternehmen, über die Auswirkungen und mögliche Folgen der Coronavirus-Pandemie.

Thomas, wie wirkt sich die Corona-Krise auf Abt Sportsline generell aus?
Thomas Biermaier: Zuallererst sind wir glücklich, dass wir keinen positiven Fall im Unternehmen haben und dass alle Mitarbeiter und deren Familien gesund sind. Das ist das Wichtigste und auch unsere Verantwortung gegenüber den Mitarbeitern. Wir haben Maßnahmen eingeführt, damit der Kontakt untereinander so gering wie möglich ausfällt. Wir achten auf den Mindestabstand, überall stehen Desinfektionsmittelspender und die Verlegung auf Home Office haben wir schon relativ früh eingeführt.

In welchem Bereich hat Abt Sportsline die größten Einbußen?
Thomas Biermaier: Das ist aktuell schwierig zu sagen. In der Motorsportabteilung tut uns natürlich jedes abgesagte Rennen weh. Und im Bereich der Fahrzeugveredlung haben wir Investitionen hintangestellt. Fast alle Händler in der europäischen Automobilbranche haben geschlossen, dass darunter auch unser Unternehmen leidet, ist sicherlich verständlich. Wir haben unheimlich viele Anfragen, was zeigt, dass ein großes Interesse an unseren Produkten herrscht. Leider spiegelt sich das im Umsatz aktuell nicht wider, weil die Handlungsmöglichkeiten der Menschen eingeschränkt sind.

Wurden Mitarbeiter in Kurzzeit geschickt?
Thomas Biermaier: Wir haben Kurzarbeit beantragt und nutzen sie seit dem 01. April in gewissen Bereichen.

Thomas Biermaier mit Audi Sport Team Abt Sportsline-Fahrer Robin Frijns, Foto: Audi Communications Motorsport
Thomas Biermaier mit Audi Sport Team Abt Sportsline-Fahrer Robin Frijns, Foto: Audi Communications Motorsport

Wie kann man die Mitarbeiter in diesen Zeiten 'bei der Stange halten'?
Thomas Biermaier: Das Wichtigste in einer Krise ist immer die Kommunikation. Die muss offen und ehrlich ablaufen. Wir können den Leuten nichts versprechen, weil wir selber nicht wissen, wie lange die Krise andauern und wie intensiv sie uns treffen wird. Sobald wir etwas Neues erfahren, versuchen wir die Mitarbeiter umgehend auf den aktuellen Stand zu bringen.

Kannst du aus der momentanen Situation auch etwas Positives herausziehen?
Thomas Biermaier: Ich glaube, dass eine Krise die Truppe noch einmal ordentlich zusammenschweißt. Als wir verkündet haben, dass wir Kurzarbeit beantragen werden, haben wir eine unheimlich positive Reaktion der Mitarbeiter wahrgenommen. Nach dem Motto: 'Da müssen wir jetzt gemeinsam durch und das werden wir auch gemeinsam überstehen'. Das freut mich, das war wirklich positiv. Die Wertschätzung von Hans-Jürgen Abt und mir gegenüber dem Team ist eh schon immer sehr hoch gewesen. Jetzt ist sie noch einmal gestiegen, weil es einfach eine geile Reaktion gezeigt hat.

Kann Abt Sportsline die Ausfälle im Motorsport leichter verkraften, weil das Unternehmen auf unterschiedlichen Standbeinen aufgebaut ist?
Thomas Biermaier: Leichter nicht, nein. Das Positive ist, dass wir auf drei Beinen aufgestellt sind mit dem Motorsport, der Veredelungsabteilung und der E-Mobility. Dass wir so breit aufgefächert sind, hat uns in der Vergangenheit immer geholfen. Die Krise betrifft jetzt aber den gesamten Automobilsektor, sprich: Wir können keine Rennen fahren, veredeln aber auch kaum Fahrzeuge, weil die Kunden nicht raus dürfen, und in der E-Mobility sind wir abhängig von Zulieferern. Wir kämpfen momentan an allen drei Fronten, um die Krise so gut wie möglich zu überstehen.

Die Abt-Bilanz in der DTM: Fünf Fahrertitel, vier Teamtitel und 55 Siege, Foto: Audi Communications Motorsport
Die Abt-Bilanz in der DTM: Fünf Fahrertitel, vier Teamtitel und 55 Siege, Foto: Audi Communications Motorsport

Abt ist in der DTM und der Formel E für Audi Motorsport tätig. Wie sehr hilft dieser Status?
Thomas Biermaier: Die Rennabsagen tun uns natürlich schon finanziell weh. Aber: Die Werksteams jammern auf einem anderen Niveau als private Teams. Deshalb möchte ich da auch nicht zu sehr jammern. Momentan müssen wir gemeinsam zusammenstehen, kämpfen und schauen, dass wir eine gute Kostenkontrolle haben. In den Verträgen mit Audi Motorsport ist ein gewisser Grundstock, das hilft schon mal. Deshalb befinden wir uns in einer besseren Situation als viele kleine Motorsport-Teams.

Ist in eurer Motorsportabteilung aktuell Arbeit möglich?
Thomas Biermaier: Im Motorsport kann man immer etwas machen, frag mal unsere Techniker! Momentan muss man aber schauen, was Sinn macht und was uns auf der Strecke schneller voranbringt. Diese Prioritäten müssen wir aktuell einfach setzen, um die Zeit sinnvoll zu nutzen.

Also ruht der Motorsport bei Abt Sportsline?
Thomas Biermaier: Nicht in allen Abteilungen, aber zu 80 Prozent ruht der Motorsport.

Wann muss es weitergehen mit dem Motorsport, um den Schaden halbwegs in Grenzen zu halten?
Thomas Biermaier: Das kommt darauf an, wie viele Rennen noch gefahren werden. Sollte es gar keine mehr geben in diesem Jahr, wird das, was wir angespart haben, relativ schnell weg sein. Aber ich bin ein positiv eingestellter Mensch und jetzt müssen wir zuerst schauen, dass wir die Krise in den Griff bekommen. Mit 'wir' meine ich nicht Abt, sondern die gesamte Menschheit. Dann machen wir uns Gedanken darüber, wie wir wann und wo wieder im Kreis fahren können. Die Gesundheit hat absolute Priorität.

Thomas Biermaier gestaltete auch den Abt-Einstieg in die Formel E mit, Foto: Audi Communications Motorsport
Thomas Biermaier gestaltete auch den Abt-Einstieg in die Formel E mit, Foto: Audi Communications Motorsport

Glaubst du persönlich, dass es im Jahr 2020 noch realen Motorsport geben kann?
Thomas Biermaier: Zu realem Motorsport gehören ja auch Zuschauer. Ich persönlich kann mir im Moment nicht vorstellen, dass wir vor 60.000 oder 70.000 Zuschauern fahren werden, wenn schon die Bundesliga 'Geisterspiele' in Betracht zieht. Wenn wir in absehbarer Zeit wieder fahren sollten, dann vielleicht als 'Geisterrennen'. Das ist momentan aber alles zu weit weg. Wer hätte vor fünf, sechs Wochen denn gedacht, dass wir so viele Tote und Ausgangsbeschränkungen haben werden?

Wie kann man als Unternehmen in diesen ungewissen Zeiten planen?
Thomas Biermaier: Wir haben vor vier Wochen eine Task Force im Unternehmen eingerichtet, wo wir in der ersten heißen Phase jeden Tag zusammensaßen. Die einen haben sich um News aus dem Personalwesen gekümmert, andere um das Gesundheitswesen sowie die IT-Aufstellung, um Home Office zu ermöglichen. Wir haben die unterschiedlichen Bereiche zusammengeführt, an unsere Mitarbeiter kommuniziert und sie in allen Belangen unterstützt. Da haben wir viel Zeit investiert, die sich auch gelohnt hat. Ich denke, dass wir dadurch das Risiko des Unternehmens minimiert haben. Aktuell planen wir von Woche zu Woche.

Nico Müller holte 2019 die Vize-Meisterschaft in der DTM nach Kempten, Foto: Audi Communications Motorsport
Nico Müller holte 2019 die Vize-Meisterschaft in der DTM nach Kempten, Foto: Audi Communications Motorsport

Wird sich der Motorsport, wie wir ihn kennen, durch die Krise in Zukunft verändern?
Thomas Biermaier: Das ist eine gute Frage. Wenn die Krise innerhalb des nächsten Monats überstanden wäre, würde ich sagen, dass der Motorsport eine Chance hat, wieder der alte zu werden. Wenn die Krise aber so weitergeht, dann weiß ich nicht, ob es in Serien wie der Formel E, DTM oder Formel 1 zu Rückzügen von Herstellern kommt. Das könnte ich mir vorstellen. Aber...

Ja, bitte?
Thomas Biermaier: Irgendwann wird der Zeitpunkt kommen, an dem die Menschheit wieder die alte ist und die Leute ins Stadion oder an die Rennstrecke gehen können. Um wieder gemeinsam Sport zu erleben, da spreche ich nicht nur vom Motorsport. Denn ich glaube, dass es für die Gesellschaft ungemein wichtig ist, dass wir in Zukunft wieder tolle Sport-Events haben werden.