Das Rahmenprogramm der DTM-Saison 2020 wartet mit einer Neuerung für die Zuschauer auf: Erstmals startet neben den DTM-Tourenwagen die Rennserie mit dem Namen 'GTC Race'. GT3-Boliden und Porsche Cup-Fahrzeuge sorgen für Action im Rahmen zahlreicher DTM-Rennwochenenden.

In der Serie, die aus der bekannten DMV GTC hervorgegangen ist, stechen zwei Rennwagen im Starterfeld der 25 Autos besonders hervor. Der von Space Drive Racing eingesetzte und von Phoenix Racing technisch betreute Audi R8 LMS sowie ein McLaren 570 S GT4 von Dörr Motorsport. Das Besondere: Beide Autos starten mit dem innovativen Steer-by-Wire-System Space Drive. Eine mechanische Verbindung zwischen Lenkgetriebe und Lenkrad, wie im klassischen Rennwagen, ist nicht mehr vorhanden.

Zum Einsatz kommt hier ein spezielles Feedback-Lenkrad. Oder anders ausgedrückt: Die Übertragung der Lenkbefehle erfolgt nicht mechanisch, sondern innerhalb von Millisekunden über Kabel - also Steer-by-Wire - durch elektrische Impulse.

"Eine sehr spannende Technologie, die unsere Serie in Zukunft für weitere wichtige Innovationen in der Automobilbranche öffnen soll. Keine andere Branche steht vor so einem grundlegenden Wandel. Dafür möchten wir eine zentrale Entwicklungsplattform bieten", sagt Serienorganisator Ralph Monschauer zu Motorsport-Magazin.com. "Die jetzt auf der Rennstrecke gesammelten Erkenntnisse fließen direkt in die Serienentwicklung ein."

Die Mannschaft hinter dem innovativen Rennkonzept, Foto: Schaeffler
Die Mannschaft hinter dem innovativen Rennkonzept, Foto: Schaeffler

Die GT-Rennwagen mit dem Steer-by-Wire-System starten dieses Jahr exklusiv im GTC Race. Die Technologie ist Bestandteil des Reglements. Jedes vom DMSB zugelassene Fahrzeug mit Space Drive kann somit an der Rennserie teilnehmen, wenn es den startenden Fahrzeugklassen entspricht.

Die Technologie, die jüngst in den Rennsport Einzug gehalten hat, wurde bereits vor 17 Jahren von der Paravan GmbH mit Sitz in der Schwäbischen Alb entwickelt. Das Space Drive genannte System verfügt über Straßenzulassung und hat sich auf gut einer Milliarde unfallfreien Kilometern auf öffentlichen Straßen bewährt.

Um das Steer-by-Wire-System auch bei Autorennen nutzen zu können, war hinter den Kulissen einige Vorarbeit notwendig. Im Juni 2019 gaben Sachverständige und der Deutsche Motor Sport Bund grünes Licht für das Debüt eines mit Steer-by-Wire ausgerüsteten Audi R8 LMS. Der GT3-Renner aus Ingolstadt ging als das erste vom DMSB zugelassene Rennfahrzeug ohne Lenksäule in die Geschichte ein.

Mit dem früheren Formel-1-Fahrer und GT-Spezialisten Markus Winkelhock am Steuer gab der Audi Mitte 2019 sein Renndebüt beim DMV GTC-Lauf auf dem Nürburgring - damals noch außerhalb der Wertung und ohne Transponder, der Rundenzeiten erfasst. Der von Phoenix Racing betreute R8 zeigte sich auf Anhieb konkurrenzfähig.

Markus Winkelhock bei der Rennpremiere des Steer-by-Wire-Audi, Foto: GTC Race
Markus Winkelhock bei der Rennpremiere des Steer-by-Wire-Audi, Foto: GTC Race

"Ich war wirklich überrascht, wie gut das System funktioniert", sagte Winkelhock zu Motorsport-Magazin.com. "Als ich das erste Mal damit rausgefahren bin, hatte ich wirklich ein Grinsen im Gesicht - auch, wenn man das unter dem Helm nicht sehen konnte. Es war ein beeindruckendes Gefühl, eine Weltpremiere immerhin, und ich bin Schaeffler Paravan dankbar für diese Möglichkeit."

Beim nachfolgenden 24-Stunden-Rennen auf der Nürburgring-Nordschleife nahm Audi-Werksfahrerin Rahel Frey erstmals Platz am Steuer des einzigartigen Audi R8 LMS und drehte Demonstrationsrunden vor großem Publikum. 2020 werden weitere Steer-by-Wire-Fahrzeuge am normalen Rennbetrieb des GTC Race teilnehmen, darunter auch der Audi R8 LMS GT3 und der McLaren 570 S GT4.

Der spezielle Audi R8 LMS auf der Nürburgring-Nordschleife, Foto: Schaeffler
Der spezielle Audi R8 LMS auf der Nürburgring-Nordschleife, Foto: Schaeffler

Winkelhock: "Steer-by-Wire ist sicherlich die Zukunft im Straßenauto und ich denke, dass es auch im Rennauto Vorteile haben kann. Über das Force-Feedback kann man die Lenkkräfte nach den Vorlieben eines Rennfahrers variieren. Manche haben lieber eine weichere Lenkung, andere bevorzugen eine schwergängigere mit mehr Feedback. Das kann man individuell einstellen, da gibt es ganz viele Möglichkeiten."

Im Rennsport ein Hingucker - im Straßenverkehr eine willkommene Lösung: Steer-by-Wire ermöglicht es schon heute Menschen mit Behinderung, Autos ganz normal zu steuern. Erfunden und kontinuierlich weiterentwickelt hat die Technologie Roland Arnold, CEO der Schaeffler Paravan Technologie GmbH & Co. KG sowie Gründer und Geschäftsführer der Paravan GmbH.

Arnold über den Einsatz unter Rennbedingungen: "Im Rennsport wird die Technologie unter extremen Voraussetzungen getestet und bietet zusätzlich hohe Anforderungen an die Schnelligkeit und die Reaktionsfähigkeit des Systems. Das sind ideale Voraussetzungen, um das System für die Großserie weiterzuentwickeln. Wenn man mit 250 Stundenkilometern die Ideallinie fahren und herunterbremsen kann, und da geht es um hundertstel Sekunden, dann zeigt das die Zuverlässigkeit des Systems."

Langjähriger Schaeffler-Vorstand Prof. Dr.-Ing. Peter Gutzmer mit Phoenix-Teamchef Ernst Moser und Paravan-Gründer Ronald Arnold, Foto: Schaeffler
Langjähriger Schaeffler-Vorstand Prof. Dr.-Ing. Peter Gutzmer mit Phoenix-Teamchef Ernst Moser und Paravan-Gründer Ronald Arnold, Foto: Schaeffler

Motorsport-Fans können die Rennautos ohne mechanische Lenkung noch vor dem Auftakt der DTM-Saison 2020 erleben. Das GTC Race startet am 27./28. März beim 'Preis der Stadt Stuttgart' in Hockenheim mit 25 Fahrzeugen, ehe die Serie im Mai auf dem Lausitzring erstmals im Rahmen der DTM unterwegs sein wird. Weitere Stationen sind Monza, der Norisring in Nürnberg, das Heimspiel auf dem Nürburgring sowie das Saisonfinale auf dem Hockenheimring.

Im Starterfeld der Serie, die sich vorrangig an Nachwuchspiloten und Amateurfahrer richtet, finden sich die üblichen Verdächtigen der beliebten GT3-Fraktion: Audi R8 LMS, Mercedes-AMG, Porsche 991 GT3 R, Lamborghini Huracan oder auch die aktuelle GT3-Ausführung von McLaren.

GTC Race: Rennkalender 2020

1. 27.-28. März 2020 - Hockenheimring I
2. 15.-17. Mai 2020 - Lausitzring (mit DTM)
3. 26.-28. Juni 2020 - Monza (mit DTM)
4. 10.-12. Juli 2020 - Norisring (mit DTM)
5. 11.-13. September 2020 - Nürburgring (mit DTM)
6. 02.-04. Oktober 2020 - Hockenheimring II (mit DTM)