Von überschwänglicher Vorfreude auf einen weltberühmten Rennfahrer bis hin zu Skepsis über seine verbliebenen sportlichen Fähigkeiten: Schon lange löste kein Pilot bei seinem DTM-Einstieg mehr derartige Emotionen aus wie Robert Kubica.

Der Mann, den Lewis Hamilton erst kürzlich als einen der talentiertesten Rennfahrer überhaupt bezeichnete. Der Mann, der nach seinem karriere- und körpereinschneidenden Rallye-Unfall im Jahr 2011 mit aller verbliebener Kraft die Rückkehr in den Motorsport suchte - und trotz stets großer Respektbekundungen von allen Seiten nie mehr an seine verheißungsvolle Karriere anknüpfen konnte.

Für polnische Medien und die leidenschaftlichen wie leidgeprüften Fans steht ohnehin fest: Der Nationalheld ist zurück, Forza Robert! Doch die Saison 2019 beim einstigen Weltklasse- und heutigen Hinterbänkler-Team Williams hat Spuren hinterlassen.

Aus Kubicas großer Comeback-Story entwickelte sich schnell eine Leidensgeschichte. Der Fahrer, der einst einen Vorvertrag bei Ferrari unterschrieben haben soll, kassierte eine Klatsche nach der anderen. Gegen Formel-1-Rookie George Russell verlor er das Qualifying-Duell auf ganzer Linie. 0 zu 21 - nicht im Ansatz Kubicas Anspruch, der zumindest den einzigen WM-Punkt nach Grove holte.

Dass Kubica nach seinem Rallye-Unfall nicht an vergangene Glanztaten in der Formel 1 würde anknüpfen können, war ein offenes Geheimnis. Mit dem Multiplikator des wettbewerbsunfähigen Williams-Rennwagen entwickelte sich ein Jahr, das einen Schatten über Kubicas ansonsten eindrucksvolle Karriere warf.

Dass der inzwischen 35-Jährige trotz beeinträchtigten rechten Armes und im fortgeschrittenen Alter es überhaupt zurück in die Formel 1 schaffte, sei laut eigener Aussage schon ein Erfolg gewesen. Das kann aber nur die halbe Wahrheit sein für einen Rennfahrer, dem früher Weltmeisterpotenzial bescheinigt wurde.

Die DTM ist jetzt Kubicas letzte Möglichkeit, der Motorsportwelt zu beweisen, wie seine Karriere ohne den Rallye-Unfall hätte verlaufen können. Und zu zeigen, dass er noch immer zu den Talentiertesten im Rennsport gehört - Arm hin oder her. Wer sich in der Tourenwagenserie durchsetzt, gilt schließlich als einer der Besten.

Und genau hier liegt die Crux. Als vorerst Letzter in einer langen Schlange hat BMW-Kamerad Timo Glock bewiesen, dass der Umstieg aus dem Formel-1- ins DTM-Cockpit ein echter Kraftakt ist. Talentierten Fahrern gelingt es ohne größere Schwierigkeiten, nah an die Rundenzeiten der Top-Piloten heranzureichen. So auch Kubica beim DTM-Test Ende Dezember in Jerez. Um aber die letzten Hundertstel zu finden, die nun einmal den Unterschied ausmachen, brauchte es auch bei Glock weit mehr als eine Saison.

Ob die DTM also die richtige Wahl für Kubica ist, um seine Karriere mit einem Hoch langsam ausklingen zu lassen? Das könnte auch schnell nach hinten losgehen. Heinz-Harald Frentzen, Ralf Schumacher oder David Coulthard lassen grüßen, sie alle konnten im Rennauto mit Dach nicht im Ansatz an ihre Erfolge aus Formelzeiten anknüpfen.

Die Wahrscheinlichkeit, dass Kubica mit dem zwar in der DTM-Welt vertrauten, aber doch neuen Kundenteam ART Grand Prix der etablierten Konkurrenz auf Anhieb um die Ohren fährt, ist äußerst gering. Nicht umsonst stapelten Fahrer und Team bei der Vorstellung unisono prophylaktisch tief. Vieles wird auch von der Stärke des BMW abhängen, der 2019 dem Audi-Pendant über weite Strecken unterlegen war.

Was mit einem guten Auto heutzutage in der DTM möglich ist, zeigte zuletzt Audi-Kundenteam WRT mit dem forschen Duo Aberdein/Fittipaldi. Das oftmals eingegangene Risiko bei der Strategie wurde mehr als einmal belohnt. Ein Maßstab für den hochdekorierten Kubica, der sich im Gegensatz zu den beiden Jungspunden nicht mehr unbedingt beweisen muss? Zumindest sind die Autos in der DTM ähnlicher als in der Formel 1...

Der Hype um den polnischen Fanfavoriten dürfte erst einmal groß sein, wenn die DTM im April im belgischen Zolder in die neue Saison startet. Da wird schnell das Geschichtsbuch entstaubt mit Erinnerungen an Kubicas Startschuss bei BMW Sauber, als er anno 2006 in seinem erst dritten Formel-1-Rennen in Monza auf das Podium fuhr oder 2008 den Großen Preis von Kanada gewann.

Kubica wird als Gewinn für die DTM bezeichnet. Der Name verpflichtet, man kann die Kubica-Fanflaggen auf den Tribünen schon wehen sehen - aber kann er mehr als zehn Jahre nach dem Unfall selbst noch mal ein Gewinner sein? Fährt Kubica in der DTM ebenso hinterher wie zwangsweise mit dem lahmen F1-Williams, fährt er nur flugs der Versenkung entgegen. Und das wäre seiner Karriere einfach nicht würdig.